Kaliforniens neue Reiche:Millionäre, die zur Miete wohnen

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Nur keinen Prunk: Facebook schafft eine neue Generation von Millionären, die sich so ganz anders als die Millionäre des Internetbooms vor zehn Jahren benehmen - selbst wenn Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg mit ihren Allüren die Nachbarschaft nachhaltig verstörte. Ihr Chef Mark Zuckerberg hingegen wohnt zur Miete. Die Banken verzweifeln an dem neuen Kundentypus.

Walter Niederberger, San Francisco

Sie kaufen Häuser und zahlen in bar. Sie leisten sich ein neues Auto und wählen das praktische Modell, nicht das Prestigeobjekt. Sie nehmen drei Monate frei und fahren nach Südamerika in den Regenwald. Dann kommen sie zurück und tun sich mit Gleichgesinnten zusammen, um ein neues Unternehmen zu gründen oder eine wohltätige Stiftung zu bilden. "Was die Facebook-Generation von früheren Instant-Millionären unterscheidet, ist ihre Zurückhaltung", sagt Miles McCormick. "Ich habe noch nie erfolgreiche Unternehmer gesehen, die so viel Bodenhaftung haben und es verabscheuen, ihren Reichtum zu zeigen", so der Immobilienhändler in Palo Alto, der zahlreiche Facebook-Angestellte zu seinen Kunden zählt.

"Die Facebook-Leute sind völlig anders als die Millionäre des Internetbooms vor zehn Jahren", erklärt Michael Spector, Direktor der Vista Wealth in Palo Alto. "Die meisten Millionäre von damals hatten keine Ahnung, was sie mit ihrem Geld machen wollten." Im Bild: ein Zuckerberg-Graffiti. (Foto: REUTERS)

Das Bild einer neuen Generation von Millionären, die ihren Reichtum weniger vorzeigen als vorsichtig bewirtschaften wollen, bestätigen Vermögensverwalter im Silicon Valley. "Die Facebook-Leute sind völlig anders als die Millionäre des Internetbooms vor zehn Jahren", erklärt Michael Spector, Direktor der Vista Wealth in Palo Alto. "Die meisten Millionäre von damals hatten keine Ahnung, was sie mit ihrem Geld machen wollten. Viele haben alles verloren.

Die Facebook-Angestellten haben diese Lektion begriffen und zudem die Finanzkrise von 2008 hautnah erlebt. Ihnen geht es darum, ihren Reichtum langfristig und sinnvoll anzulegen."

Der bevorstehende Börsengang von Facebook und die Publikumsöffnungen von Zynga und Linkedin im letzten Jahr haben den Großraum San Francisco zu einer der wenigen Wachstumsinseln der US-Wirtschaft gemacht. Die Immobilienpreise sind hier teilweise wieder über den Stand vor dem Kollaps von 2007 gestiegen.

In den Millionärsenklaven Atherton, Menlo Park, Palo Alto und Los Gatos lagen die Preise im letzten Quartal im Schnitt um 30 bis 50 Prozent höher als vor einem Jahr, während sie in den meisten anderen Regionen erneut nachgaben. Gekauft werden allerdings nicht die im Pseudo-Schlossstil gebauten "MacMansions". Gesucht sind praktische, solide errichtete Häuser. "Facebook-Leute legen mehr Wert auf Substanz als auf Prunk", so McCormick.

Sheryl Sandberg zieht um

Eine seltene Ausnahme ist Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook und Neomilliardärin. Sie provozierte einiges Aufsehen in Menlo Park, als sie ein älteres Haus für 2,9 Millionen Dollar kaufte, abbrechen ließ und ein futuristisches Stahl-und-Glas-Gebäude mit sechs Schlafzimmern und ebenso vielen Badezimmern bauen ließ. Anwohner fühlten sich überrumpelt und erklärten, das Haus sei zu modernistisch und passe nicht in die idyllische, von Bäumen beschattete Straße.

Die Aufregung hat sich inzwischen gelegt. Solange Sandberg nicht permanent Besuch von Obama-Leuten aus Washington bekomme und die Straße von Agenten gesperrt werde, so ein Nachbar, sei alles in Ordnung. Aufschlussreich immerhin: Sheryl Sandberg zog von der Enklave der Superreichen in Atherton und einem noch größeren Haus in das eher mittelständische Menlo Park um. Und ihr neues Haus ist praktischer, weil es mehr Raum bietet für prominente Gäste aus Politik und Wirtschaft. Übrigens: Ihr Chef, Mark Zuckerberg, lebt in einem völlig unscheinbaren Haus, das er nur spärlich möbliert und lediglich gemietet hat. In dieser Kargheit erinnert er an Steve Jobs, der sich wenig aus seinem Milliardenvermögen machte.

Dafür zieht der Facebook-Effekt immer mehr Banken und Vermögensverwalter an. J. P. Morgan Chase, Bank of America, Morgan Stanley, Goldman Sachs, die UBS und die Credit Suisse - die üblichen Verdächtigen sind alle daran, ihre Büros im Silicon Valley auszubauen. "Jede Bank schickt ihr A-Team nach Nordkalifornien", sagt Joseph Camarda, Chef der Vermögensverwaltung von Goldman Sachs in San Francisco. Die Avancen der Banken, die das Geld der vielleicht mehr als tausend neuen Millionäre verwalten wollen, erinnert an den Internetboom von Ende der 1990er Jahre. Damals überschwemmten die Wallstreet-Häuser das Silicon Valley mit Beraterteams und zogen sich nach dem Kollaps wieder zurück.

Facebook-Mafia unter sich

Diesmal müssten die Banken ihre Taktik anpassen, sagt Michael Spector. "Die Kunden heute sind viel unabhängiger und weniger leichtgläubig." Viele ziehen Billiganbieter wie die Vanguard-Fondsgesellschaft vor und wollen von den Beratern nur wissen, wie sie grobe Investitionsfehler vermeiden können.

Vermögensverwaltung zielt deshalb weniger auf die reine Geldanlage ab, so McCormick, als auf eine langfristige Geschäfts- und Karriereplanung. Die Rede ist schon von der Facebook-Mafia; einem verschworenen Kreis ehemaliger Software-Entwickler, die ihr Vermögen gegenseitig in ihre Start-ups investieren wollen. Vorbild ist die Paypal-Mafia um Milliardär Peter Thiel und um Elon Musk, der die Tesla Motors gegründet hat. "Auf ein erfolgreiches Unternehmen kommen aber hundert Misserfolge", meint McCormick. "Mein oberstes Ziel ist deshalb, zur Vorsicht zu raten.

Eine Million Dollar ist schnell weg; und selbst fünf Millionen reichen kein Leben lang." Seine Strategie zielt darauf, beim Börsengang nicht sofort alle Facebook-Aktien abzustoßen, sondern die Papiere auf zwei bis drei Jahre hinaus in Einzelportionen zu veräußern. Facebook-Angestellte sollten gerade so viele Aktien verkaufen, als sie für ihre unmittelbaren Bedürfnisse - ein Haus, eine Reise, ein Auto - brauchen. "Mit dem Rest können sie zuwarten; schließlich hat Facebook die Zukunft noch vor sich."

Kalifornische Steuerträume

Für Kalifornien kommt der Börsengang von Facebook gerade rechtzeitig. Der stark defizitäre Bundesstaat hofft auf eine zusätzliche Steuermilliarde. Ihren Optimismus schöpfen die Behörden aus dem Börsengang von Google im August 2004. Damals verkauften 16 Firmengründer und Topangestellte einen Teil ihrer Aktien und zahlten dafür 450 Millionen Dollar an Einkommenssteuern. Diese Einnahmen fielen zusammen mit einem Börsenboom und spülten Kalifornien 2006 völlig unerwartet sieben  Milliarden Dollar in die Kasse.

Schon im Jahr danach kehrten die hohen Defizite zurück, die seither ständig wuchsen und für 2013 auf 9,2 Milliarden Dollar geschätzt werden. "Mehreinnahmen wären sehr willkommen", erklärt Jason Sisney vom überparteilichen Analyst's Office des Parlaments. Allerdings gingen die Schätzungen des Facebook-Effekts weit auseinander. "Der Börsengang kann uns 500 Millionen einbringen, vielleicht sogar eine Milliarde." Für 2013 hat Kalifornien allerdings keine Zusatzeinnahmen vorgesehen, weil unklar ist, wie viele Facebook-Angestellte ihre Aktien verkaufen werden, und wann.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist gezwungen, einen Teil seines bis zu 28 Milliarden Dollar geschätzten Pakets zu verkaufen. Sein Plan ist es, Aktien für fünf Milliarden abzustoßen, um die mit dem Börsengang fällige Steuerrechnung zu begleichen. Dabei gehen Schätzungen davon aus, dass Zuckerberg etwa 1,8 Milliarden Dollar abliefern muss, wovon der Bundesstaat Kalifornien rund 500 Millionen abzweigt.

Die vergleichsweise hohe Einkommenssteuer von 10,3 Prozent in Kalifornien stoße einigen der Facebook-Mitarbeiter sauer auf, sagt Michael Spector, Direktor der Vermögensberatungsfirma Vista Wealth Management. Mehrere Angestellte, die er berät, hätten entschieden, in Staaten wie Nevada, Texas oder Florida zu ziehen, um die Steuern zu umgehen. "Diese Leute haben nie Wurzeln in Kalifornien geschlagen und sehen jetzt eine gute Gelegenheit, sich abzusetzen."

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