Japan:Noch mehr Drogen

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Ein Mann marschiert im Geschäftsviertel von Tokio: Die Wirtschaftspolitik geht stets in dieselbe Richtung. (Foto: REUTERS)

Japans Wirtschaft hängt von den Finanzspritzen der Notenbank und des Staates ab. Jetzt kommt ein neues Konjunkturpaket - die Gefahr, dass es versandet, ist groß.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nach seinem Sieg bei den Oberhauswahlen wird Japans Premier Shinzo Abe ein Konjunkturpaket schnüren, das mehr als 10 Billionen Yen umfassen soll, 87 Milliarden Euro. Damit will er, wie er im Wahlkampf sagte, Abenomics, sein Wirtschaftsprogramm, in "einen höheren Gang schalten". Seit 2012 hat Abe vier Wahlen mit dem Versprechen gewonnen, sich auf Abenomics zu konzentrieren. Dennoch sagen zwei Drittel der Japaner, ihre Wirtschaftslage habe sich nicht verbessert. Im Gegenteil, die Löhne stagnieren, die Preise sind etwas gestiegen. Abe stellt Abenomics als Erfolg dar, aber nach einer Umfrage der Agentur Kyodo am Montag trauen 56 Prozent der Japaner es dem Premier nicht mehr zu, die Wirtschaft zu beleben.

Abenomics besteht aus drei Teilen: einer radikal lockeren Geldpolitik der Bank of Japan (BoJ), Konjunkturpaketen vor allem für Bauaufträge und Strukturreformen. Realisiert wurde davon bisher vor allem die Geldpolitik. Von Strukturreformen dagegen, nach Meinung von Experten der entscheidende Teil, hat Abe bisher bloß geredet. Japans Wirtschaft ist heute wieder dort, wo sie zu Abes Amtsantritt war. Es herrscht eine milde Deflation, die Wirtschaft dümpelt. Einzig die Staatsschulden sind gewachsen. Gerüchten zufolge wird die BoJ, die sich im Januar mit ihren Negativzinsen unbeliebt gemacht hat, allmählich nervös, sie gehe auf Distanz zu Abe.

Japans Regierungen haben immer wieder Konjunkturpakete geschnürt, oft mehrere pro Jahr, um die seit 25 Jahren lahmende Wirtschaft anzuschieben. Damit haben sie dazu beigetragen, Staatsschulden von 240 Prozent der Wirtschaftsleistung anzuhäufen. Japan hängt wie ein Drogensüchtiger an der Spritze - der Finanzspritze. Andererseits haben es Abes Liberaldemokraten, Japans ewige Regierungspartei, nie gewagt, ihren Klienten, Spendern und Wählern mit Strukturanpassungen weh zu tun. Auch Abe habe dazu einfach nicht den politischen Willen, sagt Professor Jun Okumura vom Meiji-Institut für globale Studien. "Dabei hätte er, wenn er wollte, die Macht", Reformen gegen die Partikularinteressen seiner LDP durchzusetzen: in der Landwirtschaft, im Arbeitsmarkt, im Gesundheits- und Altenpflegewesen. Stattdessen schnürt er ein enormes Konjunkturpaket, mit dem er demonstrieren will, er meine es ernst. Dabei schwimmt Japan schon heute in zu viel, aber falsch verteiltem Geld. Die börsennotierten Unternehmen sitzen auf mehr als 100 Billionen Yen Cash, dem Zehnfachen des geplanten Konjunkturpakets. Sie brauchen keine Finanzspritze.

Koichi Hamada, emeritierter Yale-Professor, der als "Vater von Abenomics" gilt, ruft derzeit nach Helikopter-Geld, also Geld, das von der Notenbank an die Haushalte verteilt wird, damit diese es ausgeben und so der stockenden Wirtschaft Impulse geben. Die BoJ lehnt das kategorisch ab, es verstoße gegen die Gesetze und verletze die Trennung von Geld- und Fiskalpolitik. Am Dienstag traf Abe Ben Bernanke, den Ex-Chef des US-Notenbank Fed, Hamada war auch dabei. "Es könnte sein, dass die beiden auch über Helikoptergeld gesprochen haben", unkte der Professor anschließend. Offensichtlich versucht er, Druck auf die BoJ für noch radikalere Maßnahmen auszuüben. Der Süchtige will immer mehr.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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