IWF:Wenn nicht jetzt, wann dann

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Der Währungsfonds zeichnet ein positives Bild von der Weltwirtschaft und mahnt dennoch.

Von Harald Freiberger, Washington/Berlin

Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die Lage der Weltwirtschaft so gut ein wie seit zehn Jahren nicht. Gleichzeitig mahnt er die Regierungen, sich nicht darauf auszuruhen. Sie sollten nötige Reformen angehen, um gegen künftige Krisen gewappnet zu sein.

Das globale Wachstum werde in diesem Jahr bei 3,6 Prozent liegen und im kommenden Jahr bei 3,7 Prozent, sagte der IWF in seinem Konjunkturbericht voraus, den er am Dienstag in Washington veröffentlichte. Gegenüber der letzten Schätzung vom Juli entspricht dies einer Steigerung um je 0,1 Prozentpunkte. Zugleich bedeutet es das größte weltweite Wachstum seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007. Im vergangenen Jahr hatte es 3,2 Prozent betragen.

Besonders positiv erwähnt der IWF die breite Basis des Aufschwungs. Drei Viertel der gesamten Weltwirtschaft seien dran beteiligt. Das gelte für die USA, für China, für Japan und für Europa. Damit hat sich die Lage seit 2016 aufgehellt. Noch vor anderthalb Jahren sei die Weltwirtschaft kaum gewachsen, zudem habe sie unter Turbulenzen auf den Finanzmärkten gelitten, stellt IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld fest, "nun ist das Bild ganz anders". Besonders im ersten Halbjahr 2017 habe die Weltwirtschaft an Schwung gewonnen.

Allerdings warnt der IWF-Experte auch vor weiterhin "ernsthaften Risiken". Er verwies unterem auf die wachsenden Gräben zwischen Armen und Reichen in einzelnen Staaten sowie die Schuldenberge in nationalen Haushalten. Die politisch Verantwortlichen sollten die derzeit günstigen Rahmenbedingungen nutzen, um Reformen anzupacken, mit denen sich langfristig Produktivität und Investitionen steigern ließen, mahnte Obstfeld.

"Weder die Politikverantwortlichen noch die Märkte sollten sich in Selbstzufriedenheit wiegen", sagte der IWF-Chefökonom. Ein genauerer Blick lege nahe, dass die globale Erholung womöglich nicht nachhaltig sei. In vielen Teilen der Erde enttäuschten die Aussichten noch immer.

"Die Entscheidungsträger sollten handeln, solange sie die Chance dazu haben."

Der Währungsfonds ermutigte die Länder dazu, das freundliche Umfeld zu nutzen, um das Potenzial ihrer Volkswirtschaften zu erhöhen und die Auswirkungen des nächsten Abschwungs abzufedern. Die Staaten sollten auch Maßnahmen einleiten, die die Auswirkungen von neuen Technologien und Globalisierung abmildern, die Arbeitsplätze kosten. "Die Entscheidungsträger sollten handeln, solange sie die Chance dazu haben", sagte Obstfeld.

Die Politik des billigen Geldes in den industrialisierten Staaten findet der IWF grundsätzlich in Ordnung: Die Zentralbanken sollten ihre lockere Geldpolitik fortsetzen, bis es sichere Anzeichen für eine Inflation gibt, empfahl er.

In den vergangenen Jahren forderte der IWF speziell die deutsche Regierung auf, mehr Geld auszugeben und damit die Nachfrage der Bürger im Inland anzukurbeln. Dieser Ruf ist dieses Mal deutlich leiser geworden. Lauter mahnt der Fonds nun, die Strukturen zu verbessern und die Schulden abzubauen - ähnlich wie das der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble seit langem tut. Besonders für Länder mit niedriger Arbeitslosigkeit sei die Zeit gekommen, um über "Absenkung der aufgeblähten Schuldenniveaus" nachzudenken. Nötig seien aber weiterhin mehr Investitionen in Bildung, Infrastruktur und andere Felder, die das künftige Wachstum stärkten.

Zudem warnt der IWF weiter vor den Gefahren des Protektionismus, die den Welthandel beeinträchtigen könnten. Unter anderem gilt US-Präsident Donald Trump als Verfechter einer Politik, die die Interessen seines Landes stärker in den Vordergrund rückt. Darüber hinaus bleibe das Risiko geopolitischer Konflikte.

Für die Eurozone sagt der IWF für das laufende Jahr ein Wachstum von 2,1 Prozent und für 2018 von 1,9 Prozent voraus. Das sind jeweils 0,2 Prozentpunkte mehr als in der Prognose vom Juli. Ursache für die positive Entwicklung sind sowohl zunehmende Exporte als auch eine höhere Nachfrage der Verbraucher in Europa. In Deutschland erwartet der IWF einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,0 Prozent in diesem Jahr und 1,8 Prozent im nächsten Jahr. Auch dies sind jeweils 0,2 Punkte mehr als in der vorherigen Schätzung. Die Entwicklung in Großbritannien betrachtet der IWF hingegen mit Skepsis. Seit der Brexit-Entscheidung habe das schwächere Pfund die Einkommen der Bürger schrumpfen lassen. Für das laufende Jahr erwartet das Institut in Großbritannien ein Wachstum von 1,7 Prozent, für 2018 nur 1,5 Prozent.

Die konjunkturelle Entwicklung in den USA bewertet der Währungsfonds dagegen positiv, die Stimmung der Unternehmen und Verbraucher sei gut. Allerdings bestünden Unsicherheiten über den Kurs der US-Politik fort; die Pläne von Präsident Trump für eine große Steuerreform stehen noch am Anfang. Für dieses Jahr rechnet der IWF in den USA mit einem Wachstum von 2,2 Prozent, für nächstes Jahr von 2,3 Prozent.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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