Investoren aus Asien:Der Chinese, dein Freund

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Wie ein ostdeutscher Maschinenbauer einen Investor in der Volksrepublik fand - und beide Seiten davon profitieren.

Steffen Uhlmann

Sehr einsam hat sich René Nitsche gefühlt, als er im Frühjahr 2004 versuchte, das Maschinenbauunternehmen Schiess aus der Insolvenz zu retten."Bei Erfolg hat man viele Freunde", sagt Nitsche lapidar."Nur, wir hatten schon eine ganze Weile keinen mehr."

Gut aufgehoben fühlen sich die Beschäftigten von Schiess bei den chinesischen Eigentümern. (Foto: Foto: dpa)

An ihm selbst hat es dabei am wenigsten gelegen. Nitsche war erst zwei Jahre zuvor bei der Schiess AG eingestiegen, die wiederum nach der Wende in Aschersleben (Harz) den ostdeutschen Spezialisten für große Bearbeitungsmaschinen übernommen hatte.

Ein Großbetrieb, der zu DDR-Zeiten bis zu 2000 Mitarbeiter beschäftigte und nach der Wende zum Verkauf stand. Mit dem neuen Eigentümer Schiess aber ging es in der Nachwende-Ära mit dem Ascherslebener Betrieb immer weiter bergab.

Ein schwindender Markt und hohe Entwicklungskosten trieben den bald 150 Jahre alten Traditionsbetrieb mit zuletzt gerade noch 60 Mitarbeitern schließlich in die Insolvenz. Zuvor hatten ihm die Banken angesichts immens gestiegener Schulden die Kreditlinien gestrichen.

Respekt und Vertrauen

Als sich Nitsche im Alleingang auf die Suche nach einem Retter machte, landete er bald in einer verkehrten Welt. Europäische Unternehmen aus der Branche und etliche Finanzinvestoren interessierten sich ausschließlich für den weltbekannten Firmennamen Schiess sowie für Know-how und Produktentwicklungen."Standort, Betrieb und Beschäftigte waren ihnen letztlich egal", erinnert sich Nitsche."Die Chinesen dagegen haben sich von Anfang an zu einer strategischen Investition hier in Aschersleben bekannt."

Nitsche verhandelte zunächst mit vier chinesischen Interessenten. Schnell handelseinig wurde er schließlich mit dem Chef von Shenyang Machine Tool Corporation Ltd. (SMTCL). Dabei handelt es sich um Chinas größten Werkzeugmaschinenhersteller, der in der nordchinesischen Provinz Shenyang mehr als 12.000 Mitarbeiter beschäftigt und dabei etwa eine halbe MilliardeEuro umsetzt. Der Staatskonzern übernahm noch im Sommer 2004 die Mehrheit an Schiess, den Rest übernahm Nitsche selbst.

Das ist nun vier Jahre her und niemand in Aschersleben hat inzwischen noch Ängste vor einem Ausverkauf. Die Belegschaft sowieso nicht mehr: Löhne werden pünktlich bezahlt, die Umsätze haben sich seit der Übernahme von vier auf mehr als 45 Millionen Euro (2007) erhöht.

Volle Auftragsbücher

Der Betrieb ist bis Ende kommenden Jahres ausgebucht, die Beschäftigtenzahl wieder auf gut 350 Mitarbeiter angestiegen. Und SMTCL hat weitere Ausbaupläne. 17 Millionen Euro werden in diesem und im nächsten Jahr investiert - für eine neue Halle mit einem Großbearbeitungszentrum.

Was bleibt, sind zwei Unternehmenskulturen, die sich Schritt für Schritt annähern."Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man mit Respekt, Offenheit und unbedingtem Vertrauen bei den Chinesen am weitesten kommt", betont Nitsche.

"Sie wiederum lernen von uns, den Wert und die Eigenart eines Spezialmaschinenbauers immer besser zu verstehen. Shenyang bedient doch in China mit seinen Werkzeugmaschinen einen Massenmarkt."

Nitsche, der inzwischen Konfuzius liest, ist fest davon überzeugt, dass der Eintritt von Shenyang bei Schiess längst seine"Exotik" verloren hat. Gerade Mittelständler aus deutschen Paradebranchen seien bei chinesischen Unternehmen und Investoren aus anderen Schwellenländern begehrt, erklärt der Geschäftsführer und verweist dabei auf den fränkischen Schiess-Konkurrenten Waldrich Coburg, der seit 2005 zu 100 Prozent der Bejing-No.1-Gruppe gehört. "Globalisierung ist keine Einbahnstraße mehr", sagt Nitsche und findet das nur gut so:"Ansonsten würde es uns jetzt in Aschersleben nicht mehr geben."

© SZ vom 20.8.2008/jpm/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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