Internet-Handel:Amazon plant Angriff auf die Deutsche Post

  • Amazon hat bereits einen eigenen Zustellservice - jetzt sind auch eigene Packstationen geplant.
  • Erst im Oktober hatte der US-Konzern in Olching bei München sein erstes zentrumsnahes eigenes Verteilzentrum eröffnet.

Von Stefan Mayr

Der Internet-Händler Amazon plant den nächsten Angriff auf die Deutsche Post AG: Der US-Konzern will europaweit eigene vollautomatische Packstationen aufbauen, in denen Kunden ihre Bestellungen abholen und für Retouren abgeben können. Wie aus Stellenanzeigen hervorgeht, sollen die Automaten zunächst vor allem in Deutschland und Frankreich betrieben werden. Damit baut Amazon seine Logistik-Struktur weiter aus und attackiert mehr oder weniger direkt die Deutsche Post, deren Packstationen in Deutschland bislang auch Amazon-Kunden nutzen. Aus Sicht der Post entwickelt sich Amazon immer mehr vom treuen Großkunden zum gefährlichen Konkurrenten.

Erst im Oktober hatte der US-Konzern in Olching bei München sein erstes zentrumsnahes eigenes Verteilzentrum eröffnet. Dieses dient dazu, in der Landeshauptstadt noch schneller ausliefern zu können und unabhängiger von den DHL-Verteilstationen zu werden. Damit wickelt Amazon viele Bestellungen aus München schon komplett ohne DHL oder Hermes ab. An deren Stelle treten kleine lokale Dienstleister, die im Auftrag von Amazon die Pakete zustellen. Weitere Städte sollen folgen. Zusätzliche Alarmstimmung könnte in der Postzentrale die Meldung auslösen, dass Amazon in den USA eine eigene Fahrerflotte aufbaut und hierfür bereits Fahrer eingestellt hat. Zuvor hatte Amazon etwa 1000 Sattelzüge gekauft und sogar 20 Flugzeuge geleast.

Der Konzern will in den USA anscheinend auch den Lufttransport übernehmen

Wird all das auch in Deutschland kommen? Will Amazon langfristig seine Auslieferung komplett selbst abwickeln? Einiges deutet darauf hin. Im Januar hatte sich DHL noch demonstrativ gelassen gezeigt. Eine Sprecherin verwies auf die Gemeinsamkeiten mit Amazon: "Uns verbindet in Deutschland auch eine langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit", deshalb gehe man davon aus, "dass wir auch in Zukunft eng zusammenarbeiten werden". Harmonische Töne äußert auch Amazon ständig. Doch insgeheim arbeitet der Konzern offensichtlich daran, immer mehr Aufträge von der DHL abzuziehen und selbst abzuwickeln. Die Packstation-Pläne von Amazon kommentiert die Post nicht.

Noch ist die Deutsche Post Deutschlands einziger Anbieter eines flächendeckenden Netzes an Packstationen. Nach Angaben eines Sprechers gibt es bundesweit 2750 solcher Automaten, die mehr als acht Millionen registrierte Kunden nutzen.

Amazon bestätigt seine Packstation-Pläne nicht. Aber es gibt Stellenanzeigen, in denen die Münchner Zentrale diverse Manager sucht, die in Deutschland das Projekt "Amazon Locker" aufbauen sollen. Unter diesem Namen sind in den USA und Großbritannien bereits in zahlreichen Städten Packstationen in Betrieb. Sie stehen auf öffentlichen Plätzen, in Einkaufszentren oder Supermärkten, in Drogerien und Metzgereien - und sogar in kommunalen Bibliotheken.

"Amazon Locker ist eine neue, aufregende Lieferlösung", schreibt das Unternehmen in seinen Stellenanzeigen. Aus den Annoncen ist auch zu schließen, dass das Locker-Netzwerk europaweit aufgebaut werden soll. Wann und in welchen Städten die ersten Packstationen errichtet werden, ist noch unklar.

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