Hochwasser-Versicherungen:Schutzlos in der Flut

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Wer eine Versicherung gegen Hochwasser braucht, bekommt sie nicht.

Thomas Öchsner

(SZ vom 20.08.2002) — Monika Opgenorth weiß, was Hochwasser bedeutet. 1995 stand im Erdgeschoss ihres Ausflugslokals am Rheinufer bei Bonn das Wasser fast bis zur Decke. Schon mindestens 40 Mal ist ihr Café überschwemmt worden.

Opgenorth hätte sich deshalb gerne gegen die Fluten versichert. Aber keine Versicherung war dazu bereit. Wer wie die Gastwirtin so häufig Hochwasser im Haus hat, erhält keinen erweiterten Schutz gegen Elementarschäden. Bald dürften noch mehr durch Überschwemmung Gefährdete diese Erfahrung machen.

Genau hingeschaut

Jeder Bürger kann zusätzlich zur Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung einen Zusatzschutz vor Elementarschäden aufnehmen. Dann ist das Haus oder die Wohnung nicht nur gegen Feuer, Leitungswasser und Sturm versichert. Der Schutz besteht auch bei Überschwemmungen, Erdbeben, Erdrutsch oder Lawinen.

Beim Hochwasser schauen die Versicherer jedoch ganz genau hin. Möglich macht dies ein elektronisches "Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen", kurz Zürs genannt. Die Software soll helfen, das Überschwemmungsrisiko flächendeckend einzuschätzen.

Basis von Zürs sind zehn Millionen Fachdaten über Gebäude und amtliche Informationen über Fließgewässer wie die Elbe und ihre Einzugsgebietsflächen. Zürs ermittelte daraus drei Gefährdungsklassen.

Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind demnach deutschlandweit weniger als zehn Prozent der Gefahrengebiete in der Klasse drei, bei der Überschwemmungen häufiger als einmal alle zehn Jahre registriert wurden.

Der Einzelfall zählt

Will nun ein Kunde mit einer Immobilie aus der Zone drei einen Deckungsschutz für Elementarschäden, prüfen die Versicherer den Einzelfall. Lehnen sie einen Schutz wie bei den Opgenorths nicht grundsätzlich ab, fällt die Prämie dann höher aus: Die Allianz verlangt zum Beispiel bei einem Einfamilienhaus mit 140 Quadratmetern Wohnfläche in der Zone drei einen Jahresbeitrag von etwa 220 Euro - plus 3000 Euro Selbstbeteiligung. In der Zone eins sind es nur 44 Euro bei einem Selbstbehalt von 500 Euro.

Derzeit hat die Allianz den Vertrieb der Elementardeckung allerdings "vorläufig" ausgesetzt. Auch die Hamburg-Mannheimer und der Deutsche Ring wollen den Schutz vor Hochwasser erst dann wieder in die Policen aufnehmen, wenn die Flutkatastrophe vorbei ist.

Die Versicherer wollen so verhindern, dass Kunden, denen Hochwasser akut droht, noch vorher schnell einen Vertrag abschließen.

Neue Ergebnisse

Nach dieser Übergangszeit werden die Versicherer die Elementardeckung wieder anbieten. Sind die Daten der Flutkatastrophe in das Zürs-System eingeflossen, könnte dies jedoch zu völlig neuen Ergebnissen führen.

So waren zum Beispiel die meisten überschwemmten Gebäude in Dresden nicht in der höchsten Gefährdungsklasse. Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, glaubt deshalb, dass Prämien und Selbstbeteiligung für den Schutz vor Elementarschäden steigen werden.

"Vor allem werden aber viele Kunden, die jetzt noch einen Elementarschutz bekommen würden, in Zukunft leer ausgehen. Die Versicherer können das Risiko nicht mehr tragen."

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