Hartmut Mehdorn:Die Bahn bin ich

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Mehdorn informiert nicht, er fährt den Kurs der Nichtinformations- und Desinformationspolitik. Doch Rechtsbruch ist keine Lappalie.

Heribert Prantl

Das Verhalten von Bahnchef Hartmut Mehdorn erinnert an das von Gerhard Schröder am Wahlabend des 18. September 2005: Damals gab der Noch-Kanzler in Verkennung von Lage und Wahlausgang den dicken Max. Der Unterschied zwischen Schröder und Mehdorn besteht darin, dass bei Ersterem die Realitätsverweigerung nach wenigen Stunden abklang. Bei Mehdorn hält sie an, und ihre Erscheinungsformen verschärfen sich. Er führt sein Unternehmen, als wäre es autark und er auch.

Hartmut Mehdorn führt seit knapp zehn Jahren die Bahn an - nach dem Datenskandal mehren sich die Stimmen seiner Kritiker, die seine Ablösung fordern. (Foto: Foto: ddp)

Seine Informationspolitik (nicht erst im Datenschutzskandal, aber hier vor allem) ist eine Nichtinformations- und Desinformationspolitik. Er informiert nicht die Mitarbeiter, nicht Betriebsrat, Aufsichtsrat, Prüfungsausschuss, auch nicht den Verkehrsausschuss des Bundestages, nicht den Bundesverkehrsminister und nicht die Bundeskanzlerin - von der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.

Mehdorn präsidiert das Unternehmen nach dem Motto: Die Bahn bin ich. Die Antwort darauf lautet: Aber nicht mehr lange. Die Bahn ist eine Aktiengesellschaft. Da gibt es zwar keine Fach- und Rechtsaufsicht wie bei einem Staatsbetrieb - aber einen Aufsichtsrat, der sich angreifbar macht, wenn er bei massiven Rechtsverstößen nicht eingreift.

Mehdorn geht mit den Daten seiner Mitarbeiter und dem Bruch des Datenschutzes um, als handele es sich um lästige Petitessen, die ihn von wichtigeren Geschäften abhalten. Er erkennt den Ernst der Lage nicht, weil er seine Beschäftigten, ihre Rechte und das Recht nicht ernst nimmt. Er verkennt, dass die Bahn nicht exterritorial ist, sondern ihre Schienen auf einem Boden verlegt sind, auf dem die Regeln einer demokratischen Rechtsordnung gelten, samt Datenschutz- und Betriebsverfassungsrecht.

Zur Rechtslage: Korruption, und sei sie bei der Bahn noch so groß, ist kein Generalschlüssel, der den Zugriff auf die Gesamtheit der Daten der Beschäftigten eröffnet. Korruption ist hier so wenig ein Generalschlüssel, wie der Terrorismus für den Staat einer ist. Das Datenschutzrecht verlangt, vom Staat wie vom Betrieb, dass er: erstens präzisiert, wozu er die Daten braucht; zweitens den Kreis der vom Datenzugriff betroffenen Personen definiert und einschränkt; drittens die dafür notwendigen Daten spezifiziert.

Die Bahn aber hat in maßloser Weise mehrmals den Gesamtdatenbestand ihrer Angestellten gerastert. Sie hat sich geriert wie eine Staatsanwaltschaft und sich Rechte genommen, die auch diese nicht hätte. Dazu kommt der Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften: Zwar gibt es kein spezielles Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz (Anläufe in den achtziger Jahren scheiterten) aber die Pflichten des Arbeitgebers beim Umgang mit Daten seiner Arbeitnehmer wurden von Gerichten geregelt: Bei ausnahmsweise möglichen Überwachungsaktionen ist zwingend der Betriebsrat zu beteiligen.

Wenn Mehdorn noch immer glaubt, er könne Rechtsregeln für sich außer Kraft setzen, setzt er sich außer Dienst.

© SZ vom 05.02.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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