Problem Mehdorn:Die letzte Dienstfahrt

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Bahn-Chef Mehdorn hat schon etliche Rücktrittsforderungen ausgesessen - ganz wie weiland Kohl. Doch dieses Mal wird die Strategie nicht aufgehen. Er ist reif für den Abgang.

Melanie Ahlemeier

Ein "Polterer", ein "Mann fürs Grobe" oder doch eine "Dampfwalze"? Die Synonyme für den hemdsärmeligen, oft auf Krawall gebürsteten Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sind alles andere als schmeichelhaft. Doch was macht der gelernte Ingenieur? Er ignoriert.

Bahn-Chef Hartmut Mehdorn gibt die Bespitzelung von Mitarbeitern nur schubweise zu - und gerät selbst massiv unter Druck. (Foto: Foto: ddp)

"Ich stehe da wirklich drüber", hat Mehdorn einmal gesagt. Der Satz verrät viel über den Manager, der im Dezember 1999 das Kommando bei der Deutschen Bahn übernahm - vor allem, dass dem knarzigen Konzernchef der Sinn für die Realität abhanden gekommen ist.

Keine Frage, der oberste Angestellte Mehdorn hat in seinem gesamten Berufsleben über viele Jahre einen guten, an manchen Punkten sogar hervorragenden Job gemacht. Er hat bei Airbus die Endmontage des A320 von Toulouse nach Hamburg geholt und Heidelberger Druck mit taktisch klugen Kooperationen und Übernahmen zum Anbieter kompletter Drucksysteme ausgebaut. Auch bei der Deutschen Bahn feierte Mehdorn schöne Erfolge - zum Beispiel, als das über Jahre hinweg tiefrote Unternehmen wieder Gewinne erzielen konnte.

Als Sanierer, vielleicht sogar als Heilsbringer hatte der damalige Kanzler Gerhard Schröder den erfahrenen Macher Mehdorn damals für die Bahn unter Vertrag genommen. Doch schon lange bleiben die Erfolge aus. Das Groteske daran ist, dass der Bahn-Chef das selbst nicht sieht. Sein Ego steht ihm im Weg.

Seit Jahren haben die Schlagzeilen über den Lenker des letzten deutschen Staatskonzerns einen meist negativen Touch. Ein in letzter Minute abgesagter Bahn-Börsengang zählt ebenso dazu wie ein Bedienzuschlag, der nach massiver Empörung der Reisenden noch vor der Einführung zurückgenommen werden musste. Die Bespitzelung von Mitarbeitern im großen Stil war der letzte Mehdorn-Knaller.

Das Desaster wird perfekt, weil der "Big Brother" aus Berlin den Salamitaktiker gibt - Informationen werden nur schubweise bekannt. Den aktuellen Entwicklungen hinkt der Chef hinterher, und auch mit dem Wörtchen "Entschuldigung" hat Mehdorn ein großes Problem. Es will ihm einfach nicht über die Lippen gehen. Statt dessen schreibt er seinen Mitarbeitern einen Brief. Viele Worte umfasst Mehdorns erklärende Mitteilung, in der er von "Wertschätzung und Anerkennung" der Mitarbeiter-Leistungen schwadroniert. Das Zauberwort "Entschuldigung" fehlt.

Um dieses Wort auszusprechen, braucht es wahre Größe. Dass Mehdorn nur Bahnhof versteht, ist eine Tragödie erster Klasse.

Mit seinem engstirnigen, uneinsichtigen Verhalten disqualifiziert sich der Mann, der Napoleon gerne als Vorbild nennt. Das Daten-Desaster könnte sein letzter Unfall sein. Derzeit hängt alles an Kanzlerin Angela Merkel: Spricht sie in bester Schröder-Manier ein "Basta"-Machtwort, ist die Sache klar - dann muss er den Stuhl räumen. Erfahrungen mit Anrufen aus dem Kanzleramt hat Mehdorn bereits gesammelt. Den Bedienzuschlag musste er zurücknehmen, weil die Kanzlerin es so wollte.

Mehdorn hat in bester Helmut-Kohl-Manier schon etliche Rücktrittsforderungen einfach ausgesessen. Doch dieses Mal wird er stürzen. Warum? Weil es sich der Bund als Eigentümer nicht leisten kann, den letzten staatseigenen Konzern von einem Manager führen zu lassen, der von einer Katastrophe in die nächste steuert.

Die Reputation des Hartmut Mehdorn ist schon verloren, die der Republik steht auf dem Spiel. Diese Krise ist nicht mehr zu ignorieren.

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