Handwerk:"Der Meister bleibt"

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Das deutsche Handwerk fürchtet, dass die EU seine Qualitätsstandards aufweicht. EU-Kommissar Günther Oettinger nennt solche Behauptungen "völlig unbegründet". Er sagt: "Der Meister bleibt."

Von Sebastian Jannasch, Brüssel

Grundsätzlich sind sich alle einig. Union, SPD und Wirtschaftsverbände beklagen einmütig, dass es zu viele Hürden für Unternehmer wie Architekten und Dachdecker gibt, ihre Dienstleistungen im europäischen Ausland anzubieten. Mit der Einigkeit ist es allerdings vorbei, wenn es darum geht, wie sich das ändern lässt.

Ein neuer EU-Vorstoß jedenfalls empört Politik und Handwerkerverbände. Sie sehen einen Angriff auf die deutsche Meisterpflicht, die regelt, dass nur Handwerker mit Meisterbrief Betriebe führen dürfen. Mit den neuen Regeln lege "die Kommission die Axt an den deutschen Meister", behauptet die CDU-Bundestagsabgeordnete, Lena Strothmann. Auch Vertreter des Handwerks und des Baugewerbes sehen das deutsche Ausbildungswesen samt Meisterbrief gefährdet und werfen der Brüsseler Behörde vor, deutsche Qualitätsstandards aufweichen zu wollen.

Bei der EU-Kommission stoßen diese Töne auf völliges Unverständnis. "Behauptungen, die Kommission gehe zu weit, sind völlig unbegründet. Der Meister bleibt", sagt der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU). "Die Kommission rührt weder den Meisterbrief an noch irgendein anderes Qualifizierungssystem."

Anlass für die Aufregung ist ein von der EU-Kommission im Januar vorgestelltes Paket an Regelungen, das es Freiberuflern und Handwerkern erleichtern soll, im EU-Ausland zu arbeiten. Zulassungsbeschränkungen für Berufe sollen überprüft und künftige Vorgaben streng daraufhin abgeklopft werden, ob sie nötig sind. Die Kommission verspricht sich von der Initiative einen Wachstumsschub für Unternehmen und niedrige Preise für Verbraucher.

Doch Politik und Verbände kritisieren, die EU-Kommission schieße mit ihren Plänen übers Ziel hinaus. Bundestag und Bundesrat sprachen deshalb vergangene Woche sogar eine Rüge gegen die Brüsseler Behörde aus. Die neuen EU-Regeln würden gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen; Vorgaben für Berufe und in der Bildung sind demnach Aufgabe der Staaten.

Bei der Kommission rechnete man zwar mit Gegenwind, ist vom Ausmaß aber doch überrascht. Mancher hat den Eindruck, dass die EU-Behörde in Deutschland mutwillig falsch verstanden wird. Der Meisterbrief ist ein Beispiel dafür. Die Kommission hatte bereits bei der Präsentation der Pläne klargestellt, dass sich die Überprüfung von Berufsanforderungen nur auf künftige Änderungen beziehe. Bestehende Standards wie der Meisterbrief würden nicht angetastet.

"Mitgliedsstaaten werden weiter selbst bestimmen, wer auf ihrem Markt Dienstleistungen anbietet."

Allerdings empfinden es Union und SPD als Zumutung, künftige Vorgaben nach einer vorgegebenen Liste daraufhin zu kontrollieren, ob sie verhältnismäßig sind. "Hierzu werden elf neue Prüfkriterien vorgeschlagen, durch weitere zehn ergänzt, die die Entscheidungskompetenzen der nationalen Gesetzgeber einschränken", sagt CDU-Abgeordnete Lena Strothmann. Die Koalitionsfraktionen kritisieren zudem, dass neue Vorschriften bei der Kommission gemeldet werden müssen, bevor sie beschlossen werden. Die Kommission stelle sich somit über die Parlamente. Tatsächlich kann die Kommission neue Regelungen nach einer Vorwarnung stoppen, wenn sie ihrer Ansicht nach gegen EU-Recht verstoßen. Änderungen beim Meisterbrief fallen laut Kommission in den meisten Fällen aber gar nicht unter die Meldepflicht.

Auf die Barrikaden treibt die Handwerker aber vor allem eine geplante elektronische Karte, die es Dienstleistern ermöglichen soll, in ihrem Heimatland eine Erlaubnis zu beantragen, um Leistungen im Ausland anzubieten. Das soll Zeit und Geld sparen. Kritiker fürchten, dass so deutsche Anforderungen umgangen werden könnten. Auch dem widerspricht die Kommission. Wer in einem anderen EU-Land arbeiten wolle, müsse die dort geltenden Bedingungen erfüllen. Es werde nichts dereguliert. "Mitgliedstaaten werden weiter selbst bestimmen und kontrollieren, wer auf ihrem Markt Dienstleistungen anbietet", sagt Oettinger.

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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