Handel:Endlich Winter

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Es hat geschneit - und plötzlich sind die Läden voll. Skier, Mützen, Anoraks sind gefragt. Für den Händler Sportscheck ist jetzt trotzdem nicht alles gut.

Von Michael Kläsgen, München

Der Winter kam zu spät, das Ergebnis von Sportscheck hat er nicht retten können. "Im Geschäftsjahr 2015/2016, das Ende Februar ausläuft, werden wir einen Verlust in zweistelliger Millionenhöhe ausweisen", sagt Markus Rech, der neue Chef des zweitgrößten deutschen Sportartikelhändlers, der zur Hamburger Otto Group gehört. Aber was der späte Wintereinbruch bewirkt hat, ist enorm: Im Vergleich zum Januar 2015 hat Sportscheck schon in den ersten drei Wochen dieses Jahres den Umsatz um 50 Prozent steigern können. Plötzlich sind auch die Läden voller. Die Menschen kaufen vor allem Skier, Handschuhe und Mützen. Was das Wetter alles bewirken kann . . .

Rech kann den Umsatzanstieg in Echtzeit auf seinem Smartphone beobachten. Er sitzt in der Firmenzentrale in Unterhaching. Der neue Chef, ein 42 Jahre junger Mann, schlank, sportlich, ist Mittelstreckenläufer, vor allem aber ein Sanierer. Den braucht Sportscheck derzeit. Die Läger sind voll, aber in den landesweit 20 Filialen shoppten über das gesamte Jahr bei Weitem nicht so viele Kunden wie in den vergangenen Tagen. Der insgesamt milde Winter mit frühlingshaften Temperaturen um Weihnachten ist nicht allein schuld am Verlust. Die Probleme sind "hausgemacht", weiß Rech. Entwicklungen wurden verschlafen, und die Sortimente nicht angepasst. Hinzu kam eine IT-Panne bei der Umstellung auf SAP-Software. Kunden erhielten Mahnungen für bezahlte Ware oder überhöhte Rechnungen. 2000 von 13 000 strittigen Fällen sind noch immer nicht geklärt.

Auf den Skipisten ist Hochbetrieb - und bei Sportscheck brummt das Geschäft. Die Kunden kaufen erst bei Bedarf. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

"Nach einem sehr gestörten Vorjahr liegen wir im Moment immerhin beim bereinigten Umsatz mit 13 Prozent vorn", sagt Rech im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Damit liegt Sportscheck zwar gut ein Prozent über Plan, ist aber noch nicht da, wo die Sportkette sein wollte. Am Ende des Geschäftsjahres wird der Umsatz bei etwa 320 Millionen Euro landen. 500 Millionen wurden noch vor wenigen Jahren angepeilt. Dann kam die Krise. Bemerkenswert am Umsatzplus ist vor allem, dass es zu mehr als zwei Dritteln über das Internet generiert wurde. Vergleichsweise gut verkauften sich sogenannte Wearables: Pulsmesser, Schrittzähler oder Schlaftracker. Das zeigt, wie sehr sich das Kaufverhalten gewandelt hat. Rech, der vorher Engelhorn Sports in Mannheim leitete, sagt, das Plus sei teuer erkauft. Es wurde zu viel eingekauft. Die Lagerbestände belasten jetzt das Ergebnis. Verantwortlich für den Einkauf war Stefan Herzog, der Sportscheck früher federführend leitete. Er verlässt nun das Unternehmen, wie die Hamburger Otto Group am Freitag bekannt gab. Mit der Entscheidung war gerechnet worden.

Sportscheck soll künftig schneller auf die Kundenwünsche reagieren. Die Messlatte ist nicht mehr Karstadt Sports, sondern Amazon und Zalando. Das Denken in Winter- und Sommer-Kollektionen sei überholt, sagt Rech. Die Kette will verstärkt Kundendaten nutzen, um den Einkauf zielgenauer zu steuern. Chat-Funktionen im Internet und Online-Kundenberatung sollen dazu dienen, die Kunden besser zu verstehen. Neu ist auch die Überlegung, Teilnehmer von Treueprogrammen als Erste neue Produkte testen zu lassen. Gleichzeitig denkt Rech an neue Eigenmarken in der Bekleidung. Generell liegt der Fokus auf Fitness, Running und Fußball.

Die Otto Group hat für den ehemaligen Roland-Berger-Berater eigens einen neuen Posten geschaffen: den des Vorsitzenden der Geschäftsführung. Damit ist die Verantwortung klar verteilt. Sportscheck befinde sich in einer Phase der "harten Konsolidierung", sagt Rech - und gibt zunächst Entwarnung: "Bei einer umfassenden strategischen Neuausrichtung prüfen wir natürlich alle Themen kritisch, aber es gibt aktuell keine konkreten Überlegungen, uns von Mitarbeitern oder Filialen zu trennen, zumal wir ja gerade erst neue Geschäfte eröffnet haben." Er ist noch nicht ausreichend lang auf seinem Posten, um schon harte Einschnitte anzuordnen. Außerdem würde er als Erstes die Sozialpartner informieren. Aber er sagt auch: "Um mittelfristig wieder in die Gewinnzone zu kommen, müssen wir auch unsere Kosten besser in den Griff bekommen." Wenn Manager "mittelfristig" sagen, meinen sie in der Regel zwei oder drei Jahre.

Wo sonst Kosten eingespart werden können, hat Rech bereits ausgemacht: etwa beim kostenintensiven Katalog. Er hat nur einen Anteil von zehn bis 15 Prozent am Umsatz, statt der erwarteten 45 Prozent. Er soll zwar nicht wegfallen - Rech schätzt die Haptik des Papiers -, digitale Werbung müsse aber an Bedeutung gewinnen. "Sportscheck hinkt hier noch hinterher." Die Otto Group soll auch in diesem Bereich mit ihrer Expertise helfen. Jan Kegelberg, der vorher für die Otto Group in Russland tätig war, hat zeitgleich mit Rech als Chief Digital Officer bei Sportscheck angefangen. Ihm fällt beim Umbau eine zentrale Rolle zu. Zum Umbau gehört aber auch, dass in der Vorzeige-Filiale in der Münchner Innenstadt investiert werden soll. Zum Beispiel in Kaffee oder Smoothies für Kunden.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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