Handel:Digitale Preistreiberei

Lesezeit: 2 min

Künstliche Intelligenz könnte Verbraucher teuer kommen, warnt die Monopolkommission: Wenn Computer sich absprechen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Es gab Zeiten, da brauchte man für das dynamic pricing eine Leiter. An Tankstellen musste der Tankwart mühevoll die Preistafel umstellen, und das gleich mehrmals täglich. Noch heute ändern sich die Spritpreise ständig, nur erledigt das inzwischen die Tankstellen-Elektronik, samt LED-Anzeigen am Straßenrand. Das dynamic pricing aber, die dynamische Anpassung von Preisen an Angebot und Nachfrage, das erfasst mittlerweile alle Bereiche der Wirtschaft: Die Digitalisierung lässt grüßen.

So kommt es, dass Produkte im Internet von einem Tag auf den anderen plötzlich teurer oder billiger sind, dass ein Hotel oder ein Flug binnen weniger Stunden einen anderen Preis hat. Dahinter stehen so genannte Preis-Algorithmen. Sie registrieren, wenn sich Nachfrage und Angebot im Internet verändern - und passen dann die Preise automatisch an. Doch was den Wettbewerb theoretisch anfachen könnte, ruft nun die Monopolkommission auf den Plan: Sie wittert Gefahren.

Am Dienstag hat sie in Berlin ihr jüngstes Hauptgutachten vorgestellt. Es beschäftigt sich mit der Vergütung von Arzneimitteln, mit der Konkurrenz audiovisueller Medien - und eben den Schattenseiten der Preisalgorithmen. Was passiert eigentlich, wenn die intelligenten Programme zusammenarbeiten? Wenn Künstliche Intelligenz in einer Manipulation der Märkte mündet? "Eine Sorge, die die Wettbewerber haben, ist, dass es durch Künstliche Intelligenz dazu kommt, dass die Preisalgorithmen merken: Ups, das ist ja schön, wenn wir alle gemeinsam die Preise erhöhen", sagt Achim Wambach, der Chef der Monopolkommission.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) war dem Phänomen der "Kollusion", des Zusammenspiels der Algorithmen, schon im vorigen Jahr auf die Spur gegangen. Schließlich würden solche Algorithmen von Verkäufern und Händlern genutzt, "um automatisch Preise zu setzen und so die Gewinne zu maximieren", wie es in einem OECD-Papier heißt. Ob sie ihre Aktionen in irgendeiner Form koordinieren, lässt sich aber kaum nachweisen - es ist viel schwieriger als in der realen Welt. "Es gibt ja dann keine expliziten Absprachen, das sind dann Algorithmen, die sich koordinieren, und wenn die mit Künstlicher Intelligenz betrieben werden, dann sieht man es nicht mal in der Formel des Algorithmus, weil die ja selbst lernen", sagt Wambach. Es ist eines der vielen Felder, in denen die Menschen in den Kartellbehörden der digitalen Welt hinterherlaufen.

Wobei noch nicht bewiesen ist, dass sich diese Entwicklung beschleunigt. "Verlässliche Aussagen dazu, ob es zukünftig öfter zu Kollusion kommen wird, lassen sich aus heutiger Sicht nicht treffen", heißt es im Bericht der Monopolkommission. Der Verdacht allerdings liegt nahe. "In datenintensiven Wirtschaftsbereichen wie der Internetwirtschaft können Preisalgorithmen Kollusion erleichtern, indem kollusives Verhalten automatisiert und damit technisch beschleunigt wird", folgert das fünfköpfige Gremium.

Für die Kartellbehörden wird die Arbeit absehbar schwieriger. Sie müssen schließlich nicht nur die Zusammenarbeit smarter Preis-Algorithmen nachweisen, sondern auch die Überhöhung der Preise. Die Kommission empfiehlt deshalb förmliche "Sektoruntersuchungen". Dieses Instrument biete sich schon deshalb an, weil die Unternehmen dann dem Kartellamt die nötigen Auskünfte erteilen müssen. Auch sollten Verbraucherschutzverbände das Recht erhalten, solche Untersuchungen ganzer Branchen anzustoßen. Denn Verbraucherschützer, so vermutet die Kommission, könnten am ehesten Wind von solchen Absprachen bekommen.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: