Griechenland:Contra Grexit: Der Anfang vom Ende

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Im Fall eines Grexit könnten Chaos, eine tiefe Rezession und die beispiellose Verarmung weiter Teile der Bevölkerung drohen. (Foto: Bloomberg)

Eine Währungsunion, aus der einzelne Staaten nach Belieben austreten können, wäre am Ende. Politisch genauso wie ökonomisch.

Kommentar von Catherine Hoffmann

Nachgeben oder zerbrechen - auf diese einfache Formel lässt sich das griechisch-europäische Dilemma reduzieren. Und nachgeben müssen in diesem zermürbenden Dauerstreit beide Seiten. Wenn aber die Sturheit siegt und sich Griechenland nicht mit seinen Geldgebern einigt, dann geht das Land bankrott. Der Pleite würde zwangsläufig der Grexit folgen, der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro. Das wäre dann wohl der Anfang vom Ende eines geeinten Europas.

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Griechenland konnte sich bisher nicht mit seinen Geldgebern einigen - damit droht dem Land die Pleite und der Austritt aus der Währungsunion. Kann die EU das verschmerzen? Oder geht damit die Idee eines geeinten Europas verloren?

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Angela Merkel hat schon recht mit ihrem geflügelte Wort, das bis heute den Weg der Griechenland-Rettung vorgibt: alternativlos. Merkel will Griechenland im Euro halten, weil sie befürchtet, dass sein Austritt Europa schwächen würde - und wohl auch, weil ein griechischer Exit kritische Fragen nach ihrer eigenen Rolle in der Krise aufwerfen könnte. Das macht einen Deal mit Griechenland aber noch nicht zu einer schlechten Idee. Denn eines ist klar: Ohne Hilfe kann Athen seine Rechnungen schon bald nicht mehr bezahlen.

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Politisch wäre die Rückkehr Griechenlands zur Drachme eine Niederlage. Ökonomisch läge darin aber eine Chance.

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Ein Kompromiss ist zwingend notwendig

In den vergangenen Wochen plünderte die griechische Regierung bereits alle ihr zur Verfügung stehenden Kassen, um eine Staatspleite zu abzuwenden - Renten- und Sozialversicherung, staatliche Unternehmen und Kommunen. Viele Griechen befürchten nun den finanziellen Zusammenbruch ihres Landes, Kapitalverkehrskontrollen oder gar die Rückkehr der Drachme. Sie vertrauen ihrer Regierung nicht mehr und räumen ihre Konten leer. Die Banken "verbluten", schreiben griechische Medien. Die Kreditinstitute sind nur deshalb noch zahlungsfähig, weil die Europäische Zentralbank (EZB) sie mit Notkrediten am Leben hält. Doch dieser Geldfluss versiegt, wenn Griechenland in die Pleite schlittert.

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Dann müsste Griechenland schon bald eine eigene Währung einführen. Das wäre verheerend; der Schlingerkurs der neuen Regierung verunsichert schon heute Unternehmen und Verbraucher. Die Europäische Kommission senkte deshalb ihre Wachstumsprognose für das Land deutlich. Für dieses Jahr erwarten ihre Ökonomen nur noch ein Plus von 0,5 Prozent statt 2,5 Prozent, wie ursprünglich erhofft. Doch selbst das dürfte jetzt zu optimistisch sein. Solange der Austritt aus dem Euro - freiwillig oder nicht - durch die Köpfe spukt, investieren Firmen nicht und Privatleute bringen ihr Geld (Euro!) vor einer möglichen Entwertung in Sicherheit. Mit dem Bankrott würde sich der wirtschaftliche Niedergang nur beschleunigen. Der Tourismus könnte vielleicht davon profitieren, dass die neue Währung an Wert verliert und damit der Urlaub in der Ägäis billiger wird. Doch zunächst einmal drohen Chaos, eine tiefe Rezession und die beispiellose Verarmung weiter Teile der Bevölkerung. Ökonomen erwarten im Ernstfall einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit, Kapitalflucht, Bankenkollaps. Einem klammen Staat, dem niemand mehr Kredit gibt, wird erst Recht das Geld für die sozialen Wohltaten fehlen, die die Regierung ihren Wählern versprochen hat. Die Folgen eines Grexit wären traumatisch - vor allem für die Griechen, aber auch für die Währungsunion.

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Es ist eine Illusion zu glauben, Europa könne einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn den Griechen der Euro genommen würde. Und zwar nicht nur, weil die bisher ausgezahlten Hilfskredite weitgehend abgeschrieben werden müssten, die sich allein im Falle Deutschlands auf mehr als 50 Milliarden Euro summieren. Wenn Griechenland geht, dann wäre der Austritt als gewöhnliches Instrument der Politik etabliert.

Eine Währungsunion aber, die einzelne Länder verlassen dürfen, wenn der finanzielle und ökonomische Druck zu groß wird, wird auf Dauer nicht bestehen. Jeder Schock könnte für den Euro-Bund tödlich sein. Bricht eine Wirtschaftskrise aus, werden Anleger, Unternehmer, Politiker und Bürger spekulieren, welcher Staaten als nächstes die Gemeinschaftswährung aufgibt. Die Währungsunion wäre keine Währungsunion mehr. Sondern allenfalls ein gemeinsamer Wirtschaftsraum - auf Zeit - mit fixen Wechselkursen. Doch solche Regime, das zeigt die Vergangenheit, sind chronisch instabil. Können sich Unternehmer und Sparer nicht darauf verlassen, dass ein Land morgen noch dieselbe Währung hat wie heute, werden sie ihr Geld lieber aus wirtschaftlich schwachen Staaten abziehen und ins Ausland schaffen.

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Ein Kompromiss zwischen Griechenland und seinen Gläubigern ist deshalb zwingend notwendig. Er wird nur möglich sein, wenn beide Seiten Zugeständnisse machen. Zwei Dinge sind entscheidend: Erstens muss die griechische Regierung glaubhaft ihr Steuer- und Rentensystem reformieren und die Korruption bekämpfen. Zweitens müssen die Geldgeber Athen einen Teil der Schulden erlassen - als Zeichen der Solidarität und auch, weil es ökonomisch geboten ist. Europa muss zeigen, dass es willens und fähig ist, die griechische Krise zu lösen, soll die Währungsunion eine Zukunft haben. Die Sturheit darf nicht siegen.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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