Gewinnrückgang bei Abercrombie & Fitch:Nackte Zahlen, halbnackte Kerle

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Eine Frau fotografiert Abercrombie & Fitch-Models vor einer Filiale in Singapur. (Foto: AFP)

Für Abercrombie ging es lange nur bergauf. Jetzt ist die Aktie innerhalb von Minuten um 19 Prozent eingebrochen. Schon lange zweifelten Investoren an der Strategie des US-Unternehmens, die auf dem Versprechen ewiger Jugend und der Ästhetik des Waschbrettbauchs beruht.

Von Jana Stegemann

Wenn der Wind gut steht, dann riecht man Abercrombie & Fitch schon am Münchener Marienplatz. Von dort sind es zwar noch mehrere hundert Meter bis zur Filiale in der Sendlinger Straße, doch der süßlich-penetrante Geruch des A&F-Parfüms "Fierce" (zu Deutsch: "leidenschaftlich wild") ist unverkennbar. In New York protestierten bereits Umweltschützer vor dem Abercrombie-Flagship-Store gegen die Verschmutzung der Luft, in Hamburg beschäftigt sich das Bezirksamt mit den Ausdünstungen und in München verbot die Kreisverwaltung Anfang diesen Jahres die Parfümbesprühung der Umgebung. Dennoch: Die Schlangen vor den Läden sind von Montag bis Samstag lang.

"Viele Menschen haben in unserer Kleidung nichts zu suchen", sagte der so arrogante wie exzentrische Abercrombie-Chef Mike Jeffries Anfang 2006. Es gab vereinzelt Kritik an seiner Aussage, doch insgeheim befeuerte sie den Hype um die Marke nur noch. Die Erfolgsstory von A&F schien unaufhaltbar. Bisher.

Jetzt ist die Aktie innerhalb von wenigen Minuten um 19 Prozent eingebrochen und fiel auf 38 Dollar. Damit hat das Unternehmen ein Fünftel seines Börsenwertes verloren. Der Grund: Abercrombie hatte am Donnerstag in New York seine Zahlen für das Ende Juli abgeschlossene zweite Geschäftsquartal vorgestellt und musste vermelden, dass der Gewinn um ein Drittel auf knapp 11,4 Millionen Dollar gesunken war. Außerdem fiel die Ergebnisprognose für das noch laufende Quartal deutlich niedriger aus als von Analysten erwartet. Der Umsatz gab um 0,6 Prozent auf 945,7 Millionen Dollar nach. Während Abercrombie im asiatischen Markt stark expandiert, hat das Unternehmen in Amerika mehrere Stores schon wieder geschlossen.

Kalifornien-Bräune und Zahnpastalächeln

Damit ist die Marke weltberühmt geworden: Mit Verkäufern, die maximal eine löchrige Jeans, Waschbrettbauch, Kalifornien-Bräune und Zahnpastalächeln tragen. Mit dunklen Läden, in denen Bässe wummern, es kaum Ankleidekabinen gibt und in denen die Verkäufer oft nicht wissen, wo bestimmte Kleidung liegt - aber jederzeit für ein Foto mit der weiblichen Kundschaft bereitstehen. Schon lange zweifelten Investoren an der Strategie des US-Unternehmens, die auf der Ästhetik des Waschbrettbauchs beruht. Verkauft wird der Traum von einer sexuell aufgeladenen, sonnigen, ewigen Jugend.

Frauen, die nicht in Kleidergröße L passen, finden rein gar nichts in den Konsumtempeln. Über die Geschäftsstrategie sagte Jeffries: "In jeder Schule gibt es coole und gut aussehende Kinder und solche, die nicht so cool sind. Wir sind ganz offen hinter den Coolen her. Wir wollen das attraktive All-American-Kid, das gut drauf ist und viele Freunde hat."

Unberechenbare Kundschaft

Michael Perman, der Leiter des weltweiten Marketings der Jeansmarke Levis, hat schon vor einiger Zeit angedeutet, dass er Abercrombie nicht für eine überlebensfähige Marke hält. Im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Brand eins sagte Perman: "Wer Bestand haben will, muss seine Kunden früh gewinnen, ständig beobachten und eine Lösung finden, um mit ihnen in Würde zu altern."

Abercrombie sei "wie eine Sommerliebe". Jeder Jugendliche träume von der Romanze in den Sommerferien. "Diesen Mythos bedient A&F wie kein anderer." Aber Perman warnte: Wer nur Teenager mit einer Kombination aus Ego und Eros locke, wette auf einen Käuferstamm, der so unberechenbar sei wie dessen Hormonpegel und verfügbares Einkommen.

Die Expansion nach Deutschland brachte dem erfolgsverwöhnten Konzern einige Negativschlagzeilen. Seit Monaten steht Abercrombie immer wieder in der öffentlichen Kritik. Erst verteilen Menschen Abercrombie-Kleidung an Obdachlose und wettern untern dem Hashtag #Fitchthehomeless gegen die Marke. Dann findet die Redaktion von Plusminus krebserregendes Benzidin in einem Damenoberteil und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in einem indischen Zuliefererbetrieb. Als nächstes kommt ans Licht, dass Verkäufer der Tochtermarke Hollister von Sicherheitspersonal auf die Toilette begleitet werden. Vom Unternehmen heißt es dazu: Es seien so häufig Toilettentüren beschädigt worden. Der Betriebsrat kippte diese Regelung in der vergangenen Woche.

Verbraucherforscher Perman sagte über die Erfolgsaussichten von Abercrombie: "Jede Sommerliebe endet irgendwann."

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