Genussscheine:Lecker, diese Zinsen

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Einige Unternehmen bieten Anlagemöglichkeiten mit Naturalzins, zum Beispiel Wein oder Schokolade.

Von Felicitas Wilke, München

Blickt man als Sparer auf die Zinsen, die sichere Geldanlagen wie Festgeld- oder Tagesgeldkonten derzeit abwerfen, kann schon mal der Wunsch aufkommen, sich aus Verzweiflung zu betrinken. Sybille Kuntz liefert dazu guten Wein - und obendrein eine Rendite, von der Sparer nur träumen können. Seit mehr als 20 Jahren gibt die Winzerin aus Lieser an der Mosel Genussscheine heraus. Den Genuss nimmt sie beim Wort und zahlt Anlegern einen Naturalzins. Wer 2500 Euro investiert, bekommt jährlich sechs Prozent Zinsen ausgezahlt. In Form von Bio-Riesling. "Das entspricht 150 Euro, also etwas mehr als einem Karton", berichtet Kuntz.

Nicht nur die Winzerin belohnt ihre Anleger mit einer leckeren, handfesten Rendite. Auch Brauereien, Schoko-Manufakturen und andere Konsumgüterhersteller geben Wertpapiere mit Naturalzins heraus. Das Genuss-Darlehen der Confiserie Lauenstein gewährt Anlegern wahlweise einen Kapitalzins in Höhe von 4,5 Prozent - oder aber den "Trüffelzins" in Höhe von 8,5 Prozent. Der Zins werde am Jahresanfang auf einem Kundenkonto gutgeschrieben, sagt Geschäftsführer Thomas Luger, "dann können die Kunden ihn über das Jahr hinweg aufzehren."

Zins zum Trinken: In Zeiten, in denen sich sparen kaum lohnt, bieten Unternehmen Alternativen an. Aber auch die haben Tücken. (Foto: Dhiraj Singh/Bloomberg)

Indem sie ihre Kunden zu Kapitalgebern machen, kommen Unternehmer oft schneller und einfacher an Geld als bei der Bank; die Investoren wiederum erhalten deutlich höhere Zinsen als bei anderen Formen der Geldanlage. Doch diese vermeintliche Win-win-Situation birgt Risiken, die man nicht unterschätzen sollte. "Geht das Unternehmen pleite, können die Anleger ihr Geld komplett verlieren", warnt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Der Grund: Investments mit Naturalzins werden oft als Genussscheine oder nachrangige Darlehen ausgegeben. Wer ein solches Papier besitzt, wird im Fall einer Insolvenz später als andere Gläubiger bedient. Im schlimmsten Fall ist dann kein Geld mehr für die kleinen Anleger übrig. Die Angebote, die mit leckerer Rendite locken, gehören oft zum Grauen Kapitalmarkt. Dieser Teil der Finanzwelt wird anders als etwa das Aktiengeschäft an den Börsen nicht vom Staat beaufsichtigt. Außer den Werbebroschüren erhalten Anleger oft keine Informationen zum Produkt, geschweige denn über Ratings.

Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Auch auf dem Grauen Kapitalmarkt gibt es viele seriöse Anbieter. Jedoch ist es für Anleger hier schwerer, diese von den schwarzen Schafen zu unterscheiden. Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin empfiehlt deshalb, sich aus den verfügbaren Quellen möglichst genau über die Anlage zu informieren - beispielsweise im Bekanntenkreis, im Internet und bei den Verbraucherzentralen. Anleger sollten außerdem bedenken, dass eine Rendite aus Wein oder Schokolade zwar lecker schmeckt, aber leider auch vergänglich ist. "Für die Altersvorsorge bringen mir Pralinen nichts", drückt es Verbraucherschützer Nauhauser aus. Trotzdem kann es reizvoll sein, einen überschaubaren Geldbetrag in Genussscheine mit Naturalzins zu stecken. Zum Beispiel, um ein Unternehmen zu unterstützen, bei dem man Stammkunde ist. Oder um an einen Wein zu kommen, den es nur in limitierter Anzahl zu kaufen gibt. "Ein gewisser menschlicher Bezug zum Produkt sollte schon da sein", findet Stephan Witt, Vermögensberater beim Finanzdienstleister Finum. Er rät Liebhabern nur dann zum Kauf, wenn sie sich auf dem Markt auskennen und die wirtschaftliche Situation des jeweiligen Unternehmens grob einschätzen können. Auch sollte man nur einen "unsignifikanten" Teil des Vermögens in solche Angebote investieren, findet Witt. Bei Winzerin Kuntz liegt der Mindesteinsatz bei 2500 Euro.

Vereinzelt bieten auch Unternehmen fernab des Grauen Kapitalmarkts ihren Anlegern eine Naturaldividende. So erhalten Aktionäre der Kreuzfahrtreederei Carnival einen Gutschein für die nächste Tour auf hoher See. Wer mindestens 20 Aktien des Schweizer Wäscheherstellers Calida besitzt, darf sich zusätzlich zur klassischen Gewinnausschüttung auch noch ein Nachthemd oder einen Pyjama aus der aktuellen Kollektion aussuchen. Die wohl berühmteste Naturaldividende ist der blaue "Schoggi-Koffer", den Anteilseigner des Schweizer Schoko-Herstellers Lindt nach der Jahreshauptversammlung mit nach Hause nehmen können. Um den vier Kilo schweren Koffer mit süßem Inhalt zu ergattern, muss man jedoch mindestens eine Namensaktie des Unternehmens zeichnen - und die kostet umgerechnet mehr als 54 000 Euro. Zu viel, um nur der Schokolade wegen zuzuschlagen.

Anmerkung: In einer frühen Version war die Rede davon, dass eine Lindt-Aktie nur gut 4600 Euro kostet. Dabei handelt es sich aber nicht um die Namensaktie, sondern lediglich um einen Partizipationsschein, eine Aktie ohne Stimmrecht.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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