Geldwerkstatt:Lost in Inflation

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Wegen der anziehenden Preise bleibt für Anleger weniger übrig als bisher. Doch es gibt Staatsanleihen, die vor der Preissteigerung schützen. Bei vielen Papieren käme der Einstieg aber zu spät.

Von Harald Freiberger, München

Die Preise ziehen wieder an. In Deutschland lag die Inflationsrate im Januar bei 1,9 Prozent, in Europa bei 1,8 Prozent. Zwar wird in den nächsten Monaten wieder ein leichter Rückgang erwartet, trotzdem ist es für Anleger eine schlechte Nachricht: Da die Zinsen für Festgeld und die Rendite sicherer Staatsanleihen weiter gegen null gehen, bleibt real - also unter Berücksichtigung der Inflation - jetzt noch weniger vom Ersparten als bisher schon. Unterm Strich verlieren Anleger derzeit pro Jahr fast zwei Prozent ihres Geldes.

In solchen Zeiten erinnert sich mancher daran, dass es auch Anleihen gibt, die vor Inflation schützen. Sie heißen auf Englisch "inflation-linked bonds", abgekürzt auch "Linkers", im Deutschen werden sie "inflationsgeschützte Anleihen" oder einfach "Inflationsanleihen" genannt. Das klingt gerade in Zeiten steigender Preise interessant, und Fondsgesellschaften wie Union Investment oder Blackrock registrieren auch schon steigende Nachfrage von Privatanlegern nach solchen Produkten.

Bei näherem Hinsehen aber ist alles doch nicht so einfach, und es könnte sein, dass es für Privatleute schon zu spät ist, in solche Anlagen einzusteigen.

Im Prinzip funktionieren Inflationsanleihen so, dass Anleger zusätzlich zum normalen Zinscoupon, den jede Anleihe hat, einen Aufschlag bekommen, wenn nach dem Kauf die Inflationsrate steigt. "Sie wurden erstmals Mitte der 1980er-Jahre vom britischen Staat auf den Markt gebracht", sagt Jörg Warncke, Anleihenexperte bei der Fondsgesellschaft Union Investment. Damals war die Inflation sehr hoch und das Interesse von Investoren, Staatsanleihen zu kaufen, entsprechend gering. Die Briten wollten das Vertrauen der Anleger stärken, indem sie das Inflationsrisiko selbst übernahmen.

Tanke traditionell: Wie in der Nähe von München verlassen sich die meisten Autofahrer auf Diesel, nicht auf Elektrizität. (Foto: Johannes Simon)

Mittlerweile spielen Inflationsanleihen auf den Kapitalmärkten eine nicht unerhebliche Rolle. Jede vierte britische Staatsanleihe ist inflationsgeschützt. Bei Bundesanleihen sind es immerhin sechs Prozent aller Papiere, Anleihen im Volumen von etwa 70 Milliarden Euro sind auf dem Markt. Investieren können Anleger über Fonds oder Indexfonds in Inflationsanleihen. Jede große Fondsgesellschaft bietet sie an.

Kompliziert wird es dadurch, dass die Kursentwicklung einer Inflationsanleihe nicht an die Inflation gekoppelt ist, sondern an die Inflationserwartung. Dabei handelt es sich um die Erwartung des Marktes für die künftige Preissteigerung, die zum Beispiel aus Zinswetten gewonnen wird. Diese Inflationserwartung ist bei einer Inflationsanleihe im Kurs schon berücksichtigt. Ein Anleger profitiert nur davon, wenn die Inflation künftig stärker steigt, als es die Erwartungen anzeigen.

Der Union-Investment-Experte Warncke nennt ein konkretes Beispiel für eine zehnjährige Inflationsanleihe des Bundes, die 2026 fällig wird. Die Inflationserwartung für die nächsten neun Jahre liegt derzeit bei 1,3 Prozent. Steigt die Inflation nun auf zwei Prozent, kann der Anleger am Ende der Laufzeit einen Kursgewinn von 6,3 Prozent einstreichen (0,7 Prozent für jedes der neun Jahre). Im Grunde ist der Kauf einer Inflationsanleihe derzeit also eine Wette darauf, ob die Europäische Zentralbank ihr Inflationsziel von "nahe zwei Prozent" erreicht. Passiert dies nicht und die Inflation bleibt auch in den nächsten Jahren bei 1,3 Prozent, bekommt der Anleger keinen Aufschlag. Er hat sogar einen Nachteil gegenüber einer nicht inflationsgeschützten (nominalen) Bundesanleihe. Das ist sozusagen der Preis für den Inflationsschutz.

Inflationsanleihen sind also etwas für Anleger, die davon ausgehen, dass die Inflation stärker steigt, als es der Markt erwartet. Das dürfte eine Frage sein, die Privatanleger nur schwer für sich beantworten können. Hinzu kommt, dass die Inflationserwartungen in den vergangenen Monaten schon stark zugelegt haben. Das liegt vor allem an der Wahl von US-Präsident Donald Trump, der eine Reihe von Vorhaben ankündigte, die preistreibend wirken, zum Beispiel sein Investitionsprogramm oder die Schutzzölle. Die langfristigen Inflationserwartungen (in fünf Jahren für die folgenden fünf Jahre) in der Euro-Zone lagen vor der US-Wahl im November noch bei 1,45 Prozent, inzwischen sind es 1,8 Prozent. Viel Luft nach oben ist da nicht mehr bei einem Inflationsziel von "nahe zwei Prozent", das die amerikanische Notenbank verfolgt.

Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Die Fondsgesellschaft Blackrock sah Mitte 2016 noch gute Chancen für Inflationsanleihen, da sie die Inflationserwartungen auf dem Markt damals niedriger einschätzte als ihre eigenen Prognosen. Sie machte damit auch einen guten Schnitt. Inzwischen schätzt Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege von Blackrock, die Chancen allerdings nicht mehr allzu hoch ein. "Die Rallye dürfte schon zu etwa zwei Dritteln gelaufen sein, da die Inflationserwartungen bereits deutlich gestiegen sind", sagt er.

Wenn sich Privatanleger mit Inflationsanleihen gegen steigende Preise absichern wollten, könnten sie also spät dran sein. "Das Problem ist, dass sie erst auf die Produkte aufmerksam werden, wenn die Inflation bereits steigt", sagt Herrmann. Profis achteten dagegen mehr auf die Inflationserwartungen.

Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, findet es generell schwierig für Privatanleger, sich gegen Inflation abzusichern. Die Wette darauf, ob sich die künftige Inflation von den Erwartungen abhebe, sei für sie zu riskant. Nicht ganz ernst gemeint, sagt Nauhauser: "Der beste Schutz wäre es, den gesamten Warenkorb zu kaufen, mit dem die Inflation berechnet wird. Dann fängt man die Preissteigerung in den nächsten Jahren auf - allerdings verderben dabei auch einige Waren."

Ernster gemeint, sieht Nauhauser den besten Inflationsschutz in einer gut austarierten Geldanlage: Privatanleger sollten die Kosten minimieren und die Rendite maximieren, indem sie etwa die höheren Renditechancen ausnutzen, die der Aktienmarkt bietet - soweit es ihr eigenes Risikoprofil zulässt. Alleine die Dividendenerwartungen für deutsche Standardwerte liegen mit durchschnittlich drei Prozent deutlich über dem, was Anleihen derzeit bringen.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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