Geldwerkstatt:Gefährliche Schnäppchen

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Pennystocks nennt man Aktien, die weniger als einen Euro wert sind. Die Kurse dieser Wertpapiere von unbekannten, kleinen Unternehmen schwanken meist heftig - weil Zocker und Betrüger damit spekulieren.

Von Felicitas Wilke, München

Gerade mal zehn Cent kostet eine Aktie von Aerotyne International, der aufstrebenden Hightech-Firma, die gerade an einem Patent für besonders innovative Radar-Detektoren feilt. Ein Schnäppchen sondergleichen, behauptet Jordan Belfort, der skrupellose Börsenmakler, den Leonardo DiCaprio im Hollywood-Film "The Wolf of Wall Street" verkörpert. Dem arglosen John am anderen Ende der Leitung erzählt Belfort, er könne mit 6000 Dollar Einsatz 60 000 Dollar verdienen. Doch in Wirklichkeit steckt hinter Aerotyne International nichts als eine windige Holzhütte in der Provinz. So wie John werden Anleger immer wieder hereingelegt, wenn es um billige Aktien geht. Riskant ist es ohnehin, in Pennystocks zu investieren.

Ihre Bezeichnung, zu Deutsch Pfennigaktien, tragen diese Papiere, weil ihr Kurswert bei weniger als einem Euro liegt. In den USA gelten Aktien schon als Pennystocks, wenn sie weniger als fünf Dollar wert sind. Weil sie vergleichsweise selten gehandelt werden, macht es sich schnell am Kurs bemerkbar, wenn ein paar mehr Anleger als üblich kaufen oder verkaufen. Die Kurse schwanken stark, wenn auch auf niedrigem Niveau.

Gerade lässt sich dieses Szenario bei der Aktie des Möbelkonzerns Steinhoff beobachten, zu dem der Möbeldiscounter Poco gehört. Das Unternehmen soll seine Kennzahlen gefälscht haben und hatte im Dezember die Bilanz für 2016 zurückgezogen, weil die Zahlen nicht zuverlässig seien. Daraufhin entzogen viele Aktionäre dem Konzern ihr Vertrauen, der Kurs stürzte innerhalb weniger Tage von knapp drei Euro auf 30 Cent ab. Gerade liegt er wieder bei gut 50 Cent. "Unter den Pennystocks finden sich abgestürzte Stars wie Steinhoff, Beate Uhse oder Alno, aber auch viele kleine Unternehmen, deren Kurs noch nie bei einem Euro lag", sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Vor allem wenn ein Unternehmen Insolvenz anmeldet oder heftig kriselt, verkaufen viele Aktionäre ihre Wertpapiere, um noch Schlimmeres zu verhindern und sich vor einem Totalverlust zu schützen. Ein paar wenige, eher kurzfristig orientierte Anleger, machen dann genau das Gegenteil: Sie kaufen die taumelnden Aktien zum günstigen Preis und hoffen, dass sich ein neuer Investor für das Unternehmen findet und der Kurs die Wende schafft. Dann, so das Kalkül, lässt sich mit vergleichsweise wenig Einsatz viel gewinnen. Gerade spekulieren sie besonders gern mit den Papieren von Steinhoff. Selbst innerhalb eines Tages steigt oder fällt der Kurs regelmäßig um 20, manchmal sogar um bis zu 50 Prozent.

Die Zocker sind das eine. Doch Pennystocks stehen auch immer wieder im Zentrum dubioser Machenschaften. Wenn ein Börsenbrief "Kursexplosionen" für Billig-Wertpapiere prognostiziert oder Verkäufer am Telefon irrsinnige Renditen in Aussicht stellen, dann kann sich dahinter das Phänomen "Scalping" verbergen. Dabei kaufen gewiefte Gauner zu einem niedrigen Kurs die Aktien einer Pennystock-Firma, um sie anschließend über den grünen Klee zu loben und zum Kauf zu empfehlen - so wie Jordan Belfort. Was die Finanzen, Produkte und Innovationen des Unternehmens angeht, bleiben sie nicht immer bei der Wahrheit. Oft verschweigen sie auch, dass sie selbst Aktien besitzen und daher ein Interesse daran haben, dass der Kurs nach oben geht. Ist er infolge ihrer Empfehlung gestiegen, verkaufen sie schnellstmöglich gewinnbringend ihre Aktien. Daraufhin fällt der Kurs wieder - zum Nachteil der Anleger, die einen großen Teil der angelegten Summe verlieren können.

Die Gauner kaufen erst windige Aktien und preisen sie dann an. Steigt der Kurs, verkaufen sie

Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin warnt auf ihrer Website regelmäßig vor unseriösen Versprechungen. Dort finden sich etwa Hinweise zu unerlaubter Telefonwerbung, sogenannten Cold Calls, bei denen Aktien eines australischen Finanzvermittlers oder einer Hotelkette aus dem Nahen Osten angepriesen werden. In solchen Fällen kann die Behörde Strafanzeige wegen des Verdachts der Marktmanipulation erstatten. Die Unternehmen wissen oft nichts von diesen Anrufen; die arabische Hotelkette jedenfalls teilte der Bafin mit, "zu keiner Zeit telefonische Kaufempfehlungen" in Auftrag gegeben zu haben.

Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Anders als Steinhoff, dessen Aktie im MDax gelistet ist, sind viele Pennystocks nicht in den bekannten Aktienindizes zu finden. "Die meisten Indizes wählen die Aktien unter anderem auf Basis der Marktkapitalisierung aus, weshalb Pennystocks schon deshalb nicht in einen Index aufgenommen werden", sagt Annabel Oelmann, Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen. Die Marktkapitalisierung beschreibt den Kurswert der Aktien multipliziert mit der Anzahl. Viele der Billigaktien werden im Freiverkehr gehandelt, wo die Unternehmen der Öffentlichkeit weniger Rechenschaft schuldig sind. Das führt dazu, dass die Anleger oftmals nicht wirklich wissen, mit wessen Aktien sie es zu tun haben. Geht es nach Verbraucherschützerin Oelmann, dann sind Pennystocks "rein spekulativ und für viele Anleger nicht geeignet". Allein schon deshalb, weil es sich bei Pennystocks um Einzelaktien handelt. Damit ist es aufwendiger, das eigene Portfolio breit zu streuen, als Anleger das mit passiven Indexfonds oder den etwas teureren aktiv gemanagten Investmentfonds tun können. Auch die Gefahr, sich zu verspekulieren, besteht bei gut diversifizierten Fonds weit weniger.

Doch wie Anleger ihr Geld auch investieren, auf Typen wie Jordan Belfort sollten sie niemals hören. Denn, so sagt es Anlegerschützer Kurz: "Wenn jemand den Stein der Weisen gefunden hat, ist es unwahrscheinlich, dass er ihn freiwillig mit Fremden teilt."

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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