Geldanlage:Der Reiz der Sünde

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Die Aktien von Waffenherstellern haben in den vergangenen Jahren kräftig zugelegt.

(Foto: Janek Skarzynski/AFP/Getty Images)

Ein Dozent der Universität Bayreuth möchte einen ethisch fragwürdigen Fonds in Deutschland etablieren - mit Aktien von Waffenherstellern und Tabakfirmen.

Von Janis Beenen

"Bei Streubomben und Tellerminen ist für mich eine Grenze erreicht", sagt Conrad Mattern. Von Unternehmen, die an der Produktion dieser Waffen beteiligt sind, kaufe er keine Aktien. Ansonsten schreckt der Vermögensverwalter, Buchautor und Dozent der Universität Bayreuth vor keinem Investment zurück. Egal, ob Waffenhersteller, privater Gefängnisbetreiber oder Viagra-Produzent. Hauptsache, die Rendite ist gut. Und das sei in diesen Branchen der Fall, sagt er. Seit Jahren versucht Mattern daher, einen Fonds, der neben Rüstung und Rotlicht auch noch Alkohol-, Luxus- sowie Tabakfirmen abdeckt, in Deutschland zu etablieren. Es ist ein Kampf gegen ethische Bedenken von Geschäftspartnern und Anlegern. Mattern ist überzeugt: Auf dem Finanzmarkt geht es nur bedingt um Moral. "Die Rendite muss stimmen. Und bei diesen als sündhaft geltenden Produkten stimmt sie", sagt er.

Aus seinem Streben nach Vermögen macht Mattern kein Geheimnis. Mit seinem Büro residiert er in einer Villa im Münchener Vorort Feldkirchen. Durch den Vorgarten führt ein Weg aus Marmor. Stolz erzählt er von seinem teuren Sportwagen und dem großen Weinkeller.

Ein Vorbild gibt es bereits in den USA

Das Vorbild für Matterns Traum-Fonds gibt es seit dem Jahr 2002 in den USA. Der sogenannte Vice Fund umfasst unter anderem Aktien von British American Tobacco und dem Casino-Betreiber Las Vegas Sand Corps. Die Entwicklung ist beachtlich. Wer zum Start einstieg, kann sich heute über eine Rendite von rund 250 Prozent freuen. Erfinder des Fonds ist der Texaner Dan Ahrens, vor Ort bekannt als "König der Sünde".

Einen ähnlichen Titel hat Conrad Mattern bei seinen Kollegen mittlerweile auch. Sie nennen ihn den "Herrn der Sünde". Moralisch verwerflich findet der Mann, dessen Handy-Klingelton der AC/DC-Song "Hells Bells" ist, seine Ideen nicht. Er wolle in keine illegalen Geschäfte investieren. "Alkohol, Zigaretten und Glücksspiel zum Beispiel sind ja in Maßen nichts Schlimmes, sondern für viele Menschen normal", sagt der Vermögensverwalter. Luxusmarken befänden sich in vielen Fonds. Und Rüstungskonzerne seien zur Verteidigung nun mal unentbehrlich.

Dann kommt er wieder auf die "super Performance" der Unternehmen, in die er investieren möchte, zu sprechen. Exemplarisch nennt Mattern die Aktien des Alkohol-Konzerns Constellation Brands, der unter anderem die Biermarke Corona vertreibt, und die des Waffenherstellers Lockheed Martin. Tatsächlich legten sie in den vergangenen fünf Jahren um rund 511 Prozent beziehungsweise 233 Prozent zu. Dass Geldmehrung für Mattern alles ist, lässt auch das große Gemälde über seinem Schreibtisch vermuten. Ein grimmig blickender Stier droht einen ängstlich wirkenden Bären, bekanntlich das Zeichen für fallende Kurse an der Börse, umzustoßen.

In der Praxis konnte Mattern seinen festen Glauben an Traumrenditen mithilfe eines Sünden-Fonds nie unter Beweis stellen. "Ich habe mit meinen Ideen fast alle deutschen Fondsgesellschaften abgeklappert", sagt er und schiebt selbstbewusst hinterher: "Von der Chance auf eine gute Rendite waren alle überzeugt." Nur habe niemand einen entsprechenden Fonds auflegen wollen - aus Angst um die eigene Reputation. Einmal durfte Mattern zumindest einen "sündhaften Börsenbrief", also eine Sammlung moralisch umstrittener Aktien-Empfehlungen, für einen Fachverlag publizieren. Allerdings kauften die Anleger die Broschüre zu selten. Sie seien wohl ebenfalls vom Image abgeschreckt gewesen, vermutet der Autor und gibt zu: "Dass die Ablehnung so massiv ist, habe ich nicht erwartet." Aktuell stehe er in Verhandlungen mit einem Fondsanbieter in Großbritannien. Dieser sei auf sein Geschäftsmodell aufmerksam geworden.

Nachfragen bei mehreren namhaften deutschen Fondsgesellschaften decken Matterns Sicht der Dinge. Ein Sünden-Fonds habe eine gute Chance auf hohe Rendite, bestätigten alle. Doch die Angst um die Reputation scheint bei den Fondsverwaltern zu überwiegen. Keiner wollte offiziell über ethisch fragwürdige Anlagemöglichkeiten reden. Die meisten schlossen sogar aus, dass ein solcher Fonds jemals in Deutschland auf den Markt kommt.

Wenn Conrad Mattern seine Idee öffentlich präsentiert, kokettiert er mit dem Image, das so viele stört. Dann sagt er seinem Publikum Dinge wie: "Ich bin politisch vollkommen unkorrekt und freu mich darüber." Später folgt ein Einspieler mit leicht bekleideten Damen, sprudelndem Champagner und noblen Yachten. Ein knapp einminütiger Exkurs, für alle, die die für ihn so offensichtlichen Vorzüge der Sünde noch nicht verstanden haben.

Mattern nennt noch andere ökonomische Gründe, die für seine Vorstellung einer guten Anlage sprechen. Seine Überzeugung leitet er vor allem aus seinem Forschungsbereich an der Universität ab. Sein Fachgebiet ist die Behavioral Finance, also die Verhaltensökonomie. Seine These: "Anleger sind nicht rational. Sie sind Herdentiere, die allem hinterherlaufen." An diesem Punkt setzt Mattern an. "Eine der Kernaussagen der Behavioral Finance ist, zu sagen, wenn alle in eine Richtung laufen, dreh dich um und lauf in die andere", referiert der Uni-Dozent. Seit einigen Jahren gebe es einen Trend zu ökologischen und nachhaltigen Fonds. Aus seiner ökonomischen Überzeugung ist es daher nur folgerichtig, auf das Gegenteil, nämlich moralisch Fragliches, zu setzen. "Von einem Markt, mit dem sich alle beschäftigen, sind keine überraschend hohen Renditen zu erwarten", sagt Mattern: "Außerdem ist die Nachfrage nach Alkohol oder Waffen konjunkturunabhängig."

So gerne Mattern mit dem Reiz der Sünde spielt, er möchte nicht als schlechter Mensch gelten. Privat engagiere er sich im Lions-Club, der benachteiligte und kranke Menschen auf vielfältige Weise unterstützt. Und trotz seiner Abneigung gegen Öko-Fonds sagt er: "Als gesellschaftspolitisches Thema finde ich Nachhaltigkeit eines der wichtigsten überhaupt." Aber am Finanzmarkt gehe es eben schlicht um die Rendite.

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