Fußball: Technische Hilfsmittel:Verdienen mit der Gerechtigkeit

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Nie wieder Wembley, nie wieder Bloemfontein? Der internationale Fußball entscheidet über die Einführung eines Mikrochips, der Tor-Entscheidungen sicher machen soll - zwei deutsche Firmen könnten davon profitieren.

Johannes Aumüller

Es war ein starker Schuss, den Englands Nationalspieler Frank Lampard da abfeuerte - und es war ein Schuss, der womöglich zu einer radikalen Änderung führt. Denn im WM-Achtelfinale Deutschland gegen England wertete der Schiedsrichter diesen Schuss nicht als Tor, obwohl der Ball die Linie überschritten hatte. Seitdem diskutiert die Fußball-Welt wieder über technische Hilfsmittel für die Unparteiischen.

Bloemfontein im Sommer 2010: Der Ball ist im Tor - doch es gibt kein Tor. (Foto: ap)

An diesem Samstag entscheidet in Cardiff das zuständige Gremium, das International Football Association Board (IFAB), ob künftig ein Mikrochip im Fußball zum Einsatz kommen kann. Mit Hilfe eines Magnetfeldes im Strafraum und Sensoren am Tor soll dieser dem Schiedsrichter via Funksignal sekundengenau mitteilen, ob der Ball die Linie hinter sich gelassen hat. Votiert das IFAB dafür, freuen sich nicht nur Gerechtigkeitsfanatiker wie Bayern-Trainer Louis van Gaal, sondern auch zwei deutsche Firmen: das mittelständische Münchner Unternehmen Cairos AG und der Sportartikelkonzern Adidas.

Die Cairos AG feilt bereits seit rund zehn Jahren an dieser Technik. Ursprünglich entwickelte das Erlanger Fraunhofer-Institut in einem Zehn-Millionen-Euro-Projekt für die Firma das neue Modul. Allerdings dauerte es etwas, bis es ernsthaft diskutiert wurde. Bei diversen Jugendturnieren des Weltverbandes kam der Chip schon zum Einsatz - doch die Fifa verweigerte danach stets die Unterstützung. Im Jahr 2008 kam es wegen einer Patentstreitigkeit zwischen den Cairos-Vorständen und einem früheren freien Mitarbeiter zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, die mit einem Vergleich endete.

Doch die größten Schwierigkeiten sind nun überstanden, das System ist angeblich ausgereift und fehlerlos - und nun hoffen die Cairos-Verantwortlichen, all die Investitionen wieder einzufahren. Ihre Kalkulation sieht vor, pro Spiel als Lizenzgebühr etwa ein Viertel der bisherigen Kosten für ein Schiedsrichter-Gespann zu verlangen - inklusive aller notwendigen Installationen. Für die Bundesliga würden das Kosten von etwa 2500 Euro pro Partie bedeuten und damit mehr als 750.000 Euro pro Spielzeit. Und es ist davon auszugehen, dass solch ein Vertrag über einen Zeitraum gehen würde, der länger als nur eine Saison ist.

Allerdings sagt Geschäftsführer Christian Holzer, er sehe der Entscheidung "neutral" entgegen. Denn mittlerweile bietet seine Firma mehr als nur die Chip-Technologie an. Aus der Insolvenzmasse des Medienmanagers Leo Kirch übernahm sie einst die Impire AG, in welche das operative Geschäft von Cairos bald umgelagert wird. Dabei geht es in erster Linie darum, die Daten, die ein Fußballspiel liefert, zu verarbeiten. Viele Klubs nutzen dieses Angebot, von der Saison 2011/12 an gehört auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) zu den Kunden. Daher baut Cairos/Impire seine Belegschaft demnächst auf 60 feste und mehr als 100 freie Mitarbeiter aus.

Daneben hat auch Adidas großes Interesse daran, diese Technologie einzuführen. Damit der Chip ohne Auswirkungen integriert werden kann, benötigt er ein spezielles Aufhängungssystem, das in der Ballblase integriert ist - und auf dieses Aufhängungssystem besitzt Adidas ein Patent. "Die positiven Erfahrungen der Tests haben bestätigt, dass die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung gegeben sind", sagt ein Adidas-Sprecher. Zu allen anderen Fragen will man erst die Entscheidung abwarten. Angeblich gibt es zwecks Lizenzgebühren bereits konkrete Gespräche mit anderen Sportartikelherstellern, doch dazu wollten sich weder Adidas noch der Hauptrivale Nike äußern.

Spötter meinen, dass der Chip sowieso nicht kommt

Der Chip ist dabei ein weiteres Kapitel eines langen Kampfes zwischen den beiden Firmen, die Millionen für das Ausrüsten einer bestimmten Mannschaft oder Liga zahlen. Adidas hat traditionell die engeren Bande zum Weltverband und dem deutschen Fußball: Der Konzern ist Ausrüster und Sponsor der WM und stellt in der Bundesliga den Einheitsball "Torfabrik". In anderen Spitzenligen wiederum liefert Nike das Spielgerät.

Im Fußball gibt es keine eindeutige Haltung zum Chip. Die DFL zum Beispiel unterstützt ihn. Kritiker argumentieren, dass diese Technik nur für bestimmte Szenen einsetzbar ist und der Videobeweis sinnvoller wäre, weil dieser zum Beispiel auch bei Fouls zu Rate gezogen werden könnte.

Spötter meinen aber ohnehin, dass Fifa-Chef Blatter das Thema zuletzt nur forcierte, weil er gerade mächtig in der Kritik steht - und dass das Gremium in Cardiff sich gegen eine Einführung ausspricht. Dann würden weder Cairos noch Adidas profitieren, und der nächste Schuss von Frank Lampard könnte wieder heftige Diskussionen auslösen.

© SZ vom 05.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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