Fintech:Sparschweinchen, selbstgedruckt

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In der Kreissparkasse Göppingen gibt es jetzt 3-D-Brillen und anderen digitalen Spielkram. Der Chef will mit seinem Experiment "Innovation Experience Room" nicht nur Kunden unterhalten, sondern das Bankgeschäft verändern.

Von Max Hägler, Göppingen

Der Sparkassenchef weiß schon, dass er hier in der Märklin-Stadt Göppingen die Moderne sanft verkaufen muss. Also hat Hariolf Teufel sein Experiment eingedeutscht. Nicht "Innovation Experience Room", wie angedacht, nennt er das, was sich in seiner Schalterhalle auftut, sondern: digitaler Spielplatz.

Die Sparkasse als regionales Geldinstitut, das den Menschen zuverlässig Geld vom Konto auszahlt und ihre Häusle finanziert, das alleine reicht nicht mehr, glaubt Teufel. Und hat deswegen mit seinen Leuten dieses Projekt angestoßen, das kurios ist in der recht gemütlichen Sparkassen-Welt: In einer mannshohen Budenlandschaft aus - natürlich roter - Pappe hat die Kreissparkasse eine Welt für Digital-Nerds aufgebaut: Ein Finanzberatertisch mit eingebautem Touchscreen, samt Kinderprogramm. Ein 3-D-Drucker, der kleine rote Sparschweinchen modelliert. Ausgestattet mit 3-D-Brillen können die Leute Achterbahnfahrten erleben, wobei es auch ruhigere Programme auf dem Rechner gibt - etwa Spaziergänge durch Immobilien. "Dem Alter entsprechend", sagt Teufel, "wir wollen ja nicht, dass den Leuten schlecht wird!"

Die Leute, das sind Schulklassen, Privatleute und Firmenkunden. Aber vor allem sind es die Sparkassen-Mitarbeiter. Die Finanzwelt, sagt Teufel, erlebe gerade eine zweite Veränderungswelle: Erst kamen die Geldautomaten und die Auszugsdrucker. Und jetzt machen die Menschen vieles auf dem Computer und auf Smartphones, und neue Finanzdienstleister, Fintechs genannt, beginnen den etablierten Geldhäusern Konkurrenz machen. "Wir wollen da nicht nur passiv dabeisitzen", so Teufel. Sie wollen, das Wort passt hier: mitspielen.

"Die Führungsriege dieses Hauses treibt ungewöhnlich an", sagt Ralf Kluth. Er ist Trendscout des US-Unternehmens NCR, aus dessen Automaten Menschen überall in der Welt ihre Scheine ziehen. Noch, denn immer mehr Geschäfte laufen bargeldlos. Von der ersten Welle profitierte NCR, von der zweiten könnte die Firma überrollt werden. Also will auch der Hersteller wissen: Wie lassen sich Menschen von digitalen Technologien begeistern, was kann in Bankgeschäfte einfließen?

Doch wieso arbeitet ein US-Konzern ausgerechnet mit dieser Kreissparkasse zusammen? Die Commerzbank testet Videochats in Großstadtfilialen. Die Deutsche Bank hat in der Berliner Friedrichstraße ein schickes Innovationslabor namens Q 110 aufgebaut. Solche Häuser seien nach der Finanzkrise oft sehr mit sich selbst beschäftigt, sagt Kluth, sie seien auf der Suche nach ihrer Bestimmung. Und sie seien zu groß. Ein Haus mit gut 1000 Mitarbeitern wie diese Sparkasse sei gerade recht.

Zumal die Leute richtiggehend begeistert sind. Die Großbanken lassen Testballons steigen, wir beschäftigen uns wirklich mit den Leuten, sagen sie in Göppingen stolz. Sie wollten nicht einfach ohne Erklärung irgendwelche Videochatkontobedienungmaschinen hinstellen, das nutze doch keiner. Also ein Spielplatz - dessen Ergebnis allerdings noch überschaubar ist. Statt Sparschweinchen haben Mitarbeiter sparkassenrote Kreisel aus dem 3-D-Drucker gelassen. Kein Problem, sagt Teufel, "nicht alles hier ist ernst zu nehmen." Es gehe um Neugier. Was als Nächstes kommt? Eine Reise ins Silicon Valley. Eine Sharing-Community-Plattform für Hausgeräte, sagt Teufel, der ein begeisterter Nutzer des Zimmervermittlers Airbnb ist. Und im kommenden Jahr werden neue Geräte für den Spielplatz angeschafft: Drohnen.

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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