Finanzmarkt:Mensch schlägt Maschine

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Ein Händler an der Londoner Metallbörse. In Millisekunden wird über Gewinne und Verluste entschieden. (Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

Wer verdient mehr Geld: der Hedgefondsmanager, der auf sein Gefühl hört - oder Computer mit ihrem Algorithmus? Ein Experiment der Universität Cambridge zeigt: Menschen haben eben doch etwas, das Maschinen fehlt.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Menschen stehen in ihrem Leben häufig vor schwierigen Entscheidungen, sei es beruflich oder privat. Zumeist wägt man in diesen Situationen das Für und Wider ab, und tut dies in einer rationalen Art und Weise. Verstand und Vernunft gelten als gute Ratgeber. Doch manchmal bringt das krampfhafte Nachdenken keine klare Antwort. Leute, die es gut meinen, empfehlen dann häufig: "Hör in dich rein!"

Wissenschaftler der Universität Cambridge haben untersucht, ob die innere Stimme auch an den Finanzmärkten ein guter Ratgeber ist. Dazu machten sie mit 18 Hedgefonds-Managern ein Experiment. Die Profis mussten unter realen Bedingungen Wertpapiere handeln, und zwar sehr schnell, manchmal im Sekundentakt. Hedgefonds-Manager sind von robuster Natur, im Kampf um hohe Profite gehen sie hohe Risiken ein.

Die Studie kam zu dem Ergebnis: "Das Bauchgefühl trägt zum Erfolg an den Finanzmärkten bei." Die Fähigkeit, die Vorgänge im eigenen Körper zu lesen - also eine Tiefensensibilität zu entwickeln - habe bei den Finanzprofis im Experiment dazu geführt, dass sie "mehr Geld verdienten und länger in der hektischen Welt der Finanzmärkte überlebten".

Gute Börsengeschäfte auf Basis eines guten Bauchgefühls? Eigentlich hatte die Welt dieses Kapitel schon weitgehend abgeschlossen, denn in den vergangenen 20 Jahren haben Computerprogramme an den Börsen Einzug gehalten. So werden beispielsweise über 50 Prozent aller Aktiengeschäfte im deutschen Leitindex Dax auf Basis von Algorithmen gehandelt. Die Maschine, vom Menschen programmiert, entscheidet, was ge- und verkauft wird - häufig in Millisekunden. Die Idee dahinter: Maschinen machen keine Fehler, sie sind niemals erschöpft oder unkonzentriert, entscheiden streng nach Vorschrift und lassen sich von einer Massenpanik an den Finanzmärkten nicht anstecken.

Die Finanzkrise hat jedoch gezeigt, dass sich auch Computerprogramme von einer Panik anstecken lassen - und zwar gehörig. Die Maschinen brechen zwar - anders als panischen Börsenhändlern - nicht in Angstschweiß aus, aber wenn der eine Computer verkauft folgen die anderen. Die meisten Algorithmen sind ähnlich gestrickt und reagieren damit uniform. Das Herdenverhalten an der Börse lässt sich auch mit Computern kaum ändern.

Viele Menschen haben bestimmt ein gutes Gespür dafür, was ein "Bauchgefühl" ausmacht. Doch die Wissenschaftler der Universität Cambridge mussten die Fähigkeit der Probanden, auf ihr Bauchgefühl zu hören, auch messen. Wie macht man das?

Die Hedgefonds-Manager mussten ihre Herzschläge in verschiedenen Zeitintervallen zählen- ohne sich dabei den Puls zu fühlen oder mit der Hand an die Brust zu fassen. In einem zweiten Versuch hörten die Probanden Töne. Sie mussten dann sagen, ob diese Töne im Rhythmus ihres Herzschlags erklangen - oder nicht.

Das Ergebnis: Die Wertpapierhändler, die ihr Herz am besten "hörten", verbuchten in dem Experiment, das in der hektischen Börsenphase der Euro-Schuldenkrise durchgeführt wurde, auch die höchsten Handelsgewinne.

"Wenn wir erkennen, dass Körper und Gehirn wie eine Einheit arbeiten, und dass beide zusammen wie eine Parabolantenne Signale aufnehmen, die das Bewusstsein allein nicht empfangen kann", so einer der Wissenschaftler, John Coates gegenüber der Financial Times, dann dürfe man behaupten: "Menschen können in der Tat gegen die Maschinen bestehen."

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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