Facebook:Wer nicht kooperiert, wird kopiert

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Vor drei Jahren schlug die Foto-App Snapchat die Übernahme durch Facebook aus. Für Mark Zuckerberg war die Sache damit aber nicht erledigt.

Von Peter Esser, München

Gute Ideen setzen sich durch, dabei ist es unerheblich, von wem die Idee ursprünglich stammt. Das ist schon immer so gewesen. Für innovationslustige Unternehmer ergeben sich daher drei Wege: Sie können selber innovativ sein, Ideen anderer aufkaufen oder sie kopieren. Facebook-Chef Mark Zuckerberg beherrscht jede der drei Disziplinen.

Diese Woche stellte die Facebook-Tochter Instagram ihre neue Funktion "Stories" vor, eine Neuerung, die eindeutig in die Kategorie Kopie fällt. Nutzer des auf Bilder spezialisierten sozialen Netzwerks können mit der neuen Funktion aus Fotos und Videos Slideshows erstellen und sie digital bearbeiten. Damit kupfert Instagram beim Konkurrenten Snapchat ab. Und nicht bloß das Prinzip ist dasselbe, sondern auch der Name: Die Snapchat-App, die besonders bei jungen Smartphone-Nutzern beliebt ist, beinhaltet bereits seit mehr als zwei Jahren die Funktion "Stories". Genau wie beim Original sind auch die Instagram-Slideshows nur 24 Stunden lang sichtbar. Selbst Kevin Systrom, Chef der Facebook-Tochter, macht aus diesem geistigen Diebstahl keinen Hehl. Snapchat gebühre der ganze Verdienst, gab der 32-Jährige gegenüber dem Nachrichtenportal Techcrunch freimütig zu. Diese Aufrichtigkeit - oder Dreistigkeit, je nach Sichtweise - unterstreicht, wie unantastbar Facebook mittlerweile ist.

Start-ups aufkaufen, innovative Ideen kopieren - seit einigen Jahren macht das die Strategie von Zuckerberg aus. Die Nutzerzahl des Chat-Dienstes Whatsapp war Anfang 2014 auf 450 Millionen angewachsen. Facebook kaufte den Konkurrenten seines eigenen Messengers für 19 Milliarden Dollar. Auf eine Fusion der beiden Chat-Apps verzichtet Zuckerberg. Whatsapp ist als Tochterfirma relativ autonom. Andere Neuerungen wie der Facebook-Chat oder der Video-Player wurden direkt in Facebook integriert. Das Netzwerk profitiert dabei von seiner enormen Reichweite. Als neue Features wie etwa Live-Übertragungen von Videos eingeführt wurden, erreichten sie mit einem Schlag Millionen Menschen auf der ganzen Welt - Periscope, Pionier auf diesem Gebiet, kann davon nur träumen.

Der Erfolg von Snapchat ist Zuckerberg seit Langem nicht recht. Das wurde auch klar, als Facebook 2013 drei Milliarden Dollar bot, um den jungen Konkurrenten zu übernehmen. Aber Snapchat-Entwickler Evan Spiegel lehnte ab. Einen Monat, nachdem der Snapchat-Deal gescheitert war, brachte Facebook die Anstupsen-Funktion heraus, die insbesondere das junge Publikum ansprechen sollte - mit mäßigem Erfolg. Auch der nächste Coup richtete sich gegen Snapchat. Die Messaging-App Slingshot kopiert das größte Alleinstellungsmerkmal des Konkurrenten: Nutzer verschicken Fotos und Videos, die verschwinden, sobald der Empfänger sie gesehen hat. Im März dieses Jahres übernahm Facebook außerdem das weißrussische Start-up MSQRD, gesprochen Masquerade, eine App für Bildbearbeitung in Echtzeit während einer Videoübertragung. Das Prinzip ähnelt den Videofiltern von Snapchat. All das konnte bisher nicht verhindern, dass Snapchats Nutzerzahlen und Werbeeinnahmen stetig weiter anstiegen.

Jetzt also der nächste, noch unverhohlenere Angriff. Die Nachricht ist unmissverständlich: Ernsthafte Konkurrenz wird nicht geduldet und Facebook ist mächtiger als alle Konkurrenten.

Vor vier Jahren übernahm der Konzern den Bilderdienst Instagram. Seitdem ist dessen Mitgliederzahl von 30 Millionen auf 500 Millionen gewachsen. Facebook hat nach eigenen Angaben 1,7 Milliarden aktive Nutzer und Instagram profitiert davon, dass die beiden Plattformen eng miteinander verknüpft sind. Nur 150 Millionen Menschen hingegen nutzen regelmäßig Snapchat, mehr als die Hälfte davon sind jünger als 24. Es ist davon auszugehen, dass nahezu alle Snapchat-Nutzer auch einen Facebook- und viele einen Instagram-Account haben.

Facebook mangelnde Innovationsfähigkeit vorzuwerfen, ist zu kurz gegriffen. Mark Zuckerberg steht wie kein anderer stellvertretend für den Aufstieg der sozialen Netzwerke und deren Übertragung auf mobile Geräte.

Damit die Nutzer noch mehr posten, kommentieren und häufiger auf "Gefällt mir" klicken, feilen täglich Hunderte Mitarbeiter an den Algorithmen und Darstellungsformen der verschiedenen Plattformen des Konzerns. Für junge Unternehmen und Technikkonzerne wird Facebook aber immer mehr zu einer Art schwarzem Loch, das innovative Ideen gnadenlos in sich aufsaugt.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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