EuGH-Entscheidung:Ausgestrahlt

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Teure Atomenergie: Für jedes neue Brennelement werden Steuern fällig. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Milliardenschwere Schlappe: Der Europäische Gerichtshof hält die Brennelementesteuer für rechtens.

Von Markus Balser, Berlin

Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war es ausgerechnet die umstrittene Brennelementesteuer, die im vergangenen Jahr den Unterschied zwischen rot und schwarz machte. 2,3 Milliarden Euro mussten die deutschen Atomkonzerne Ende Dezember an Steuern nachzahlen - der Bundesfinanzhof hatte sie dazu verdonnert. Die Folge: Schäuble konnte bereits für 2014 eine "Schwarze Null" verzeichnen. Und damit ein Jahr früher als geplant den ersten ausgeglichenen Bundeshaushalt seit deutlich mehr als 30 Jahren. Deutschlands Atomkonzerne hatten sich den Ausgang diverser Rechtsstreitigkeiten eigentlich ganz anders vorgestellt. Ihre Klagen gegen die im Jahr 2011 eingeführte Brennelementesteuer galten in den Zentralen der großen Energieversorger als erfolgsversprechendes Faustpfand im Streit mit der Bundesregierung. Doch der erhoffte Triumph am grünen Tisch bleibt aus. Am Donnerstag erlitten die Konzerne ihre bislang größte juristische Schlappe. Denn der Europäische Gerichtshofs (EuGH) erklärte die umstrittene Abgabe in einem Urteil für rechtens. Sie verstoße nicht gegen EU-Recht, erklärte der EuGH in Luxemburg (Az: C-5/14). Es handele sich weder um eine unzulässige Strom- noch um eine unzulässige Verbrauchsteuer, entschieden die Richter.

Damit sinken die Chancen der AKW-Betreiber auf Milliarden-Rückzahlungen des Staates. Und sie müssen weiter zahlen. Deutschlands AKW-Betreiber gehen derzeit gleich in mehreren Verfahren gegen die Steuer vor. Geklagt haben die größten deutschen Energieversorger Eon, RWE und EnBW. Im konkreten Fall musste der EuGH über die Rechtmäßigkeit der Brennelementesteuer für das Atomkraftwerk Emsland bei Lingen entscheiden, das RWE und Eon gemeinsam betreiben. Geklagt hatte die Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH, weil sie etwa 154 Millionen Euro Kernbrennstoffsteuer zu zahlen hatte. Seit Anfang 2011 müssen die Konzerne für jedes Gramm Kernbrennstoff 145 Euro an den Fiskus abführen. Zusammen haben die Konzerne bislang fast fünf Milliarden Euro Brennelementesteuer gezahlt.

Die bereits vor der Katastrophe von Fukushima beschlossene Steuer gehörte zum 2010 verabschiedeten Sparpaket der Bundesregierung und sollte ursprünglich jährlich 2,3 Milliarden Euro zur Konsolidierung des Haushalts beitragen. In der Branche verstand man sie auch als Gegenleistung für die ebenfalls im Herbst 2010 zunächst beschlossene Laufzeitverlängerung der damals noch 17 deutschen Reaktoren. Entsprechend groß war der Ärger, als die Laufzeitverlängerung zurückgenommen wurde, die Steuer aber nicht.

Nun droht den Konzernen sogar der steuerliche GAU. Denn die Bundesregierung erwägt offenbar die Steuer sogar über die bisherige Frist zu verlängern. "Das Urteil bestätigt den deutschen Weg des Atomausstiegs", sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Neben den festen Daten für das Abschalten der einzelnen Atomkraftwerke gehöre dazu auch, dass über die Steuer mehr Wettbewerbsgleichheit zwischen den Energieträgern hergestellt werde. "Zugleich liefert der EuGH ein gutes Argument für eine mögliche Verlängerung der Atomsteuer bis zum Betriebsende des letzten deutschen Atomkraftwerks." Bislang ist die Steuer bis 2016 befristet. Der letzte deutsche Meiler soll 2022 abgeschaltet werden. Offen ist, ob die Energieversorger unter diesen Bedingungen sogar mit früheren Abschaltterminen reagieren. Die Aktienkurse der AKW-Betreiber Eon und RWE zählten mit einem Verlust von rund zwei Prozent zu den großen Verlierern im Deutschen Aktienindex.

Zunächst hoffen die Konzerne aber weiter auf einen Erfolg vor Gericht. Trotz der Entscheidung in Luxemburg könnten sie die Steuer auch tatsächlich noch kippen. Die Unternehmen setzen dabei vor allem auf Hilfe aus Karlsruhe. Denn der Fall ist neben dem EuGH auch beim Bundesverfassungsgericht in einem separaten Parallelverfahren anhängig. Mit einem Urteil rechnen die Konzerne bis zum Jahresende.

© SZ vom 05.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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