EU-Haushalt:Wer Geld bekommt - und warum

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Etwa 40 Prozent des EU-Budgets fließen in die Landwirtschaft, 59 Milliarden Euro jährlich. EU-Kommissar Oettinger prüft eine "moderate" Kürzung. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Die Bedingungen für die Vergabe von Fördermitteln werden klarer, auch beim Thema Migration und Rechtsstaat.

Von Thomas Kirchner und Alexander Mühlauer, Brüssel

In der Europäischen Union gilt ein einfaches Gesetz: Geht es ums Geld, zeigt jeder sein wahres Gesicht. Davon konnte sich Günther Oettinger in den vergangenen Monaten überzeugen. Wenn der EU-Kommissar nächste Woche seinen Vorschlag zum Haushaltsrahmen der Jahre 2021 bis 2027 präsentiert, wird er alle EU-Länder besucht haben. Er kennt die Forderungen der Staats- und Regierungschefs und ihre roten Linien. Da der siebenjährige Finanzrahmen einstimmig beschlossen werden muss, gilt es für Oettinger abzuwägen. Der Haushaltsvorschlag dürfe für keinen Mitgliedstaat eine Zumutung sein, heißt es in Brüssel, aber Bauchschmerzen dürfe er durchaus verursachen. Am stärksten werden diese wohl in Osteuropa sein.

Die EU-Kommission will zwar keine "Lex Polen" schaffen, aber ihr Vorschlag, die Vergabe von Fördermitteln künftig an die Rechtsstaatlichkeit zu knüpfen, zielt eindeutig auf die nationalkonservative Regierung in Warschau zielt. Schließlich höhlt sie den Rechtsstaat nach Einschätzung der Brüsseler Behörde aus. Weil die Kommission in Polen die Grundwerte der EU in Gefahr sieht, hat sie erstmals ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages angestoßen. Was den Haushalt betrifft, wird Oettinger aller Voraussicht nach ein Argument bringen: Die EU muss sicher stellen können, das Geld der Steuerzahler zurückzufordern, wenn etwa der Verdacht auf Betrug besteht. Darüber müssen Gerichte entscheiden, die von den Regierungen unabhängig sind. In Brüssel geht man davon aus, dass ein solcher Fall am Ende vor dem Europäischen Gerichtshof landen würde.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage der Migration. Diese sei, wie es in Brüssel heißt, "haushaltswirksam" geworden. Mit der Flüchtlingskrise sind Kosten auf die EU zugekommen, die bei den letzten Etatverhandlungen keine Rolle spielten. Künftig sollen Förderhilfen für Mitgliedstaaten auch davon abhängig gemacht werden, wie hoch deren finanzielle Aufwendungen für die Migrationspolitik sind. Das käme vor allem südeuropäischen Ländern wie Italien und Griechenland zugute, wo die meisten Flüchtlinge ankommen. Die EU-Kommission will beim nächsten Haushaltsrahmen aber nach drei Jahren prüfen, ob die abrufbaren Fördermittel für Migration noch den Umständen entsprechen - also etwa der Zahl der ankommenden Flüchtlinge. Allen voran Deutschland dringt auf die Kriterien Migration und Rechtsstaatlichkeit. Würde die Kommission da keinen Vorschlag machen, hätte sie den schwarzen Peter, heißt es in EU-Kreisen.

Weil Oettinger aber die Forderungen anderer Nettozahler berücksichtigen muss, will er am kommenden Mittwoch auch ein Signal nach Frankreich senden. Die EU-Kommission nimmt die Forderung von Präsident Emmanuel Macron nach einem Eurozonen-Budget auf und möchte einen neuen Topf für die Vergabe zinsfreier Kredite für Länder der Währungsunion schaffen. Eine solche Fazilität soll für einen Zeitraum von sieben Jahren mehrere Milliarden Euro umfassen und Darlehen für Staaten bereit halten, die ohne eigenes Verschulden durch "asymmetrische Schocks" in Schwierigkeiten gerieten. Ein Beispiel wäre eine durch den Brexit verursachte Wirtschaftskrise in Irland. Die dafür vorgesehenen Mittel sollen aber nicht Teil des EU-Haushaltsrahmens sein und vornehmlich Darlehen umfassen. Ein kleiner Teil könne aus Beihilfen bestehen, mit denen Zinsen bezahlt würden, so dass letztlich zinsfreie Kredite vergeben würden.

Die Beiträge sollen von einem Prozent der Wirtschaftsleistung auf "1,1x" Prozent steigen

Insgesamt will Oettinger die Ausgaben im mehrjährigen Finanzrahmen um bis zu 18 Prozent erhöhen. Um das zu erreichen, sollen die EU-Staaten ihre Beiträge von bisher einem Prozent der Wirtschaftsleistung auf "1,1x" Prozent steigern. Mit dem Geld möchte Oettinger unter anderem den Schutz der EU-Außengrenzen ausbauen, die Entwicklungshilfe für die afrikanischen Staaten erhöhen und die Forschungsausgaben steigern. Gekürzt werden soll bei den Agrar- und Strukturhilfen. Sie machen etwa 75 Prozent der Gesamtausgaben aus.

Allein 40 Prozent des EU-Budgets fließen in die Landwirtschaft, 59 Milliarden Euro jährlich. Oettinger erwägt eine Kürzung von sechs Prozent, das wären etwa 3,5 Milliarden. Das sei moderat, hieß es in Brüssel. Das Geld würde einen Teil der durch den Brexit entstehenden Lücke von vermutlich 12 bis 14 Milliarden schließen. Wo genau gespart werden soll, ist nun deutlicher. Laut einem Entwurf zur geplanten großen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) will die EU-Kommission die Direktzahlungen an Landwirte auf 60 000 Euro im Jahr deckeln. Nach Zahlen von 2016 träfe die Kappung in Deutschland etwa drei Prozent der mehr als 300 000 Empfänger von Direktzahlungen. Knapp 1200 Betriebe erhielten sogar mehr als 300 000 Euro. Meist handelt es sich um Großgrundbesitz, der aus Produktionsgenossenschaften in der früheren DDR hervorging und oft mehrere tausend Hektar umfasst, während die Durchschnittsgröße in Deutschland nur 60 Hektar beträgt.

Oettinger erwägt offenbar eine Degression, bei der Großbetriebe weniger Geld pro Hektar erhielten als kleine. Dass große Strukturen bevorteilt werden, ist ein alter Kritikpunkt an der GAP. Die Kommission hat mehrmals versucht, eine Kappung einzuführen, scheiterte aber am Widerstand aus Staaten mit ehemals kommunistischen Agrarstrukturen wie Deutschland oder Tschechien. Das werde diesmal wieder so sein, sagt der Europaabgeordnete Martin Häusling, insofern sei der Kappungsplan "nur für das Schaufenster".

Viel wichtiger sei, dass Agrarkommissar Phil Hogan keinen Weg aufzeige, wie sich Landwirtschaft und Umweltschutz verbinden ließen. Zwar solle das Greening abgeschafft werden, also Prämien für Umweltleistungen, doch sei kein Ersatz vorgesehen. Stattdessen werde den EU-Staaten überlassen, wie sie Umweltschutz fördern, sagt Häusling. "Das Niveau wird von den Ländern mit dem schlechtesten Schutz vorgegeben, weil die Landwirte im Rest der EU sonst über Wettbewerbsverzerrung klagen.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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