Erste Aussage vor Gericht:Ecclestones Flüstern

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Vor dem Gericht in London: Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. (Foto: Olivia Harris/Reuters)

Sein Lebenswerk hängt jetzt davon ab, ob der Richter ihm glaubt: Formel-1-Chef Bernie Ecclestone hat erstmals im Korruptionsprozess ausgesagt. Der gegnerische Anwalt stellt ihm immer wieder eine Frage: Wieso diese Widersprüche?

Von Björn Finke, London

Der Richter lässt auf sich warten. Der Zeuge sitzt dagegen schon im Saal. Der Zeugenstand ist ein erhöhter Schreibtisch mit einem gemütlichen Sessel, direkt neben der Richterbank. Da wartet er nun, der Zeuge, und streicht sich mit dem Finger über die Lippen. Dann kratzt er sich die Nase, dann schaut er auf die Armbanduhr.

Der Zeuge soll heute eine wichtige Aussage machen, vielleicht die Aussage seines Lebens. Denn kann er den Richter nicht überzeugen, ist sein Lebenswerk in Gefahr. Doch Richter Guy Newey ist spät dran. Als er aber schließlich Saal 26 im Londoner Rolls Building betritt, dem höchsten Zivilgericht Großbritanniens, geht alles ganz schnell. Der Zeuge nennt einer Gerichtsdienerin seinen Namen - "Bernard Charles Ecclestone" - und schwört, "the truth, the whole truth and nothing but the truth" zu sagen.

Kurz darauf steht vier Meter neben Ecclestone Philip Marshall auf, Anwalt des Münchner Sport- und Filmunternehmens Constantin Medien. Die folgenden Stunden an diesem Mittwoch sind ein Zweikampf zwischen Marshall, der oft hinter seinem Stehpult auf und ab geht, und Ecclestone, dem 83-jährigen Chef der Rennserie Formel 1.

Urteil könnte Ecclestone zum Abtreten zwingen

Marshall will dessen Glaubwürdigkeit erschüttern. Denn sein Klient Constantin fühlt sich betrogen und verlangt von Ecclestone und dessen Geschäftspartnern 124 Millionen Euro Schadenersatz. Der Prozess begann vergangene Woche und wird noch bis Dezember laufen - jetzt trat erstmals Ecclestone auf.

Das Verfahren arbeitet die Korruptionsaffäre in der Formel 1 auf. In München hat Ecclestone deswegen bereits eine Bestechungs-Anklage und eine noch höhere Schadenersatzforderung am Hals. Urteilt Richter Newey in London nun zu seinen Ungunsten, sieht es wohl auch in Deutschland düster aus. Dann müsste er vermutlich als Formel-1-Chef abtreten, müsste sein Lebenswerk anderen überlassen.

Der Vorwurf: Er soll Gerhard Gribkowsky, ehemals Vorstand der BayernLB, mit 44 Millionen Dollar geschmiert haben. Dafür habe der die Anteile der Landesbank an der Rennserie 2005 an den gewünschten Investor und unter Wert verkauft. Deswegen wanderte Gribkowsky bereits hinter Gitter. Constantin hätte bei einem höheren Verkaufspreis Anrecht auf eine Millionenüberweisung der BayernLB gehabt, daher die Klage. Ecclestone räumt die Zahlung an Gribkowsky inzwischen ein, beteuert aber, das habe nichts mit der Formel 1 zu tun. Der Deutsche habe ihn wegen seiner privaten Finanzen beim Fiskus anschwärzen wollen.

Leise Stimme, widersprüchliche Aussagen

Anwalt Marshall liest am Mittwoch Zitate Ecclestones aus Zeitungen vor und Aussagen gegenüber Ermittlern, die zeigen sollen, dass der Formel-1-Impresario seine Version der Geschichte über die Monate änderte: Zunächst wollte er nichts gewusst haben von der Zahlung; erst als das nicht mehr zu halten war, kam die Offenbarung, Gribkowsky habe ihm gedroht.

Wieso diese Widersprüche - das will Marshall immer wieder vom Zeugen wissen. Der antwortet mit leiser, sanfter Stimme, der Richter muss ihn zwischendurch bitten, lauter zu sprechen. "Mir ging es vor allem darum, das Thema aus der Öffentlichkeit herauszuhalten'", erklärt der Manager sein anfängliches Leugnen. Er sei sich unsicher gewesen, ob er nicht tatsächlich dem Fiskus etwas geschuldet habe.

Was Marshall ebenfalls seltsam findet: Der Formel-1-Chef will einfach so Millionen gezahlt haben wegen einer Drohung. Dabei habe "Doktor Gribbkouski", so wird der Ex-Vorstand hier ausgesprochen, gar keine Beweise für Steuervergehen präsentiert. Das passe nicht zum knallharten Geschäftsmann Ecclestone. Richter Newey hält sich zurück, hört sich die Wortgefechte nur an. Marshall glaubt Ecclestone offenbar kein Wort, für Ecclestones Lebenswerk wird aber entscheidend sein, ob Guy Newey ihm am Ende glaubt.

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