Versprochene Steuervorteile:Regierung trödelt bei Entlastung Alleinerziehender

Im Koalitionsvertrag steht: Wer seine Kinder allein erzieht, den muss der Staat besser unterstützen. Doch daraus wird vorerst nichts. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" zögern SPD und Union eine steuerliche Entlastung weiter hinaus.

Von Guido Bohsem und Constanze von Bullion, Berlin

SPD und Union waren sich einig: So kann es nicht weitergehen. Wer seine Kinder alleine erzieht, so hielten es die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag fest, müsse vom Staat besser unterstützt werden. Aus diesem Grund soll der Betrag angehoben werden, den die alleinerziehenden Frauen und Männer bei der Steuer geltend machen können. Den Koalitionären brannte das Thema offenkundig auf den Nägeln, betonten sie doch, dass der Entlastungsbetrag immer noch so hoch ist wie zu seiner Einführung von vor zehn Jahren.

Doch nun stellt sich heraus: So eilig hat es die große Koalition nicht mit der Hilfe für die Alleinerziehenden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung können die Alleinerziehenden unter Umständen sogar erst in zwei Jahren mit einer Anhebung des Entlastungsbetrages rechnen.

Schnell geht da jedenfalls nichts. "Das Meinungsbild über mögliche und denkbare zukünftige Gestaltungen eines Entlastungsbetrages für Alleinerziehende ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen", schrieb Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken-Finanzpolitikerin Susanna Karawanskij.

Über die Gründe lässt Meister nichts verlauten. Zum einen dürften sie damit zusammenhängen, dass Wolfgang Schäuble (CDU) es derzeit nicht gebrauchen kann, wenn durch höhere Freibeträge weniger Geld in seine Kassen kommt. Denn schließlich rechnet der Finanzminister mit jedem Euro, wenn es darum geht, 2015 nach mehr als vier Jahrzehnten des Schuldenmachens den ersten Haushalt ohne neue Kredite vorzulegen.

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hatte von Anfang an dafür gekämpft, dass im Fall einer Erhöhung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags - ein Wunsch der Union - gezielt auch Eltern mit geringerem Einkommen gefördert werden. Ein Paket von vier Verbesserungen wollte Schwesig da schnüren, in dem auch ein Zuwachs beim Freibetrag für Alleinerziehende und beim Kinderzuschlag für Geringverdiener enthalten sein sollte.

Noch laufen die Verhandlungen, doch sieht es so aus, als ob die Familienministerin der Verschiebung des gesamten Pakets auf 2016 zustimmen könnte - unter der Bedingung, dass dann eine große Reform kommt. Dafür allerdings gibt es keine Garantie.

Den Alleinerziehenden werden solche Überlegungen eher schwer zu vermitteln sein. Sie sind und bleiben benachteiligt. Während sich 70 Prozent der gemeinsam erziehenden Eltern eine gute bis sehr gute Gesundheit attestieren, sind es nach einer Familienstudie der AOK nur 48 Prozent der Alleinerziehenden. Dreimal so viele Alleinerziehende (17 Prozent) bezeichnen ihren Gesundheitszustand als sehr schlecht. Ein Fünftel ist mit dem Familienalltag unzufrieden. 38 Prozent fühlen sich bei der Organisation des Alltags überfordert.

Und es fehlt Geld. Anfang der Woche belegte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, dass das Armutsrisiko Alleinerziehender fünfmal so hoch ist wie bei Familien mit zwei Eltern. Rund 40 Prozent beziehen staatliche Grundsicherung, bei Paarfamilien sind es sieben Prozent. Zudem, so moniert die Studie, würden Alleinerziehende mit wenig Einkommen "fast so besteuert wie Singles, obwohl sie von ihrem Einkommen auch ihre Kinder versorgen".

Der 2004 eingeführte Entlastungsbetrag sollte das eigentlich ändern. Mit ihm sollten die höheren Kosten der Lebens- oder Haushaltsführung der Alleinerziehenden in pauschaler Weise abgegolten werden. 1308 Euro hatte die damals regierende rot-grüne Koalition dafür vorgesehen.

Im Familienministerium tröstet man sich

Inzwischen machen mehr als 896 000 Alleinerziehende die Förderung in ihrer Steuererklärung geltend. Nach Angaben des Finanzministeriums hat jeder von ihnen im vergangenen Jahr rein rechnerisch mit 419 Euro von der Regelung profitiert. Bund, Länder und Gemeinden verzichteten dadurch 2013 auf Steuereinnahmen von insgesamt 375 Millionen Euro.

Doch hat sich der Betrag seit seiner Einführung nicht verändert, und das obwohl er, wie Meister vorrechnet, auf 1542 Euro hätte steigen müssen, um alleine die Preissteigerungen des vergangenen Jahrzehnts auszugleichen. Der Entlastungsbetrag ist also real in den vergangenen Jahren immer weniger wert geworden. Nach Meisters Worten würde es den Staat im Jahr etwa 65 Millionen Euro kosten, um die Inflation auszugleichen und so die ursprüngliche Förderhöhe wiederherzustellen.

Das scheint Schäuble zu teuer, und nun dürfte es dauern. Im Familienministerium tröstet man sich vorerst damit, dass in zwei Jahren immerhin ein Paket geschnürt werden soll, von dem eine spürbare Verbesserung für ärmere Familien ausgeht. Das sei immer noch besser als ein sofortiger Sprung, der so klein sei, dass niemand wirklich etwas davon habe.

Die Opposition sieht das freilich ganz anders. Die Linken-Steuerexpertin Karawanskij wirft der Koalition Zögerlichkeit vor, obwohl diese wisse, dass die Anzahl der Alleinerziehenden ansteige und deren Armut immer mehr wachse. "Damit wird die von der Regierung eingeschlagene Politik der Haushaltssanierung ohne Steuererhöhungen auch auf dem Rücken der Alleinerziehenden ausgetragen."

Der Professor für angewandte Steuerlehre an der FU Berlin, Frank Hechtner, schlägt indes vor, den Freibetrag regelmäßig zu erhöhen: "Wer die Förderung von Alleinerziehenden ernst nimmt, der muss auch darüber nachdenken, den Freibetrag den jährlichen Preissteigerungen anzupassen und einen Automatismus ähnlich wie beim Grundfreibetrag in Kraft zu setzen."

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