Energiewende:Smarte Elektrizität

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So soll es nicht mehr sein: Ein alter Stromzähler in einem Münchner Mietshaus. Die Digitalisierung soll auch hier Einzug halten. (Foto: Robert Haas)

Die Bundesregierung will digitale Stromzähler zur Pflicht machen - aber nicht für alle.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Um Technologie ihrer Ahnen zu bestaunen, müssen Millionen Deutsche nicht ins Museum. Es reicht ein Gang in den Keller. Brennt in der Wohnung Licht oder läuft der Kühlschrank, dann dreht sich dort eine schmale geriffelte Scheibe, sie misst Kilowattstunde um Kilowattstunde. In deutschen Haushalten ist dieser Drehstromzähler noch heute State of the Art , Digitalisierung hin oder her. So unterschiedslos dieser Zähler misst, sind auch die Stromtarife: Für die meisten Haushalte kostet der Strom immer gleich viel. Egal, ob er im Überfluss vorhanden und damit billig ist oder umgekehrt. Wer nur eine Scheibe hat, misst nur einen Tarif.

Das soll sich ändern, zumindest ein bisschen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein "Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende" beschlossen, es soll zumindest bei größeren Verbrauchern Schluss machen mit den Museumszählern. Danach sollen von 2017 an zunächst Großverbraucher verpflichtend mit sogenannten "intelligenten Zählern" ausgestattet werden, die mehr als 10 000 Kilowattstunden abnehmen. Auch Ökostrom-Erzeuger müssen ihren Strom künftig damit messen. Von 2020 an sollen dann auch Verbraucher mit so einem Zähler ausgestattet werden, die im Jahr mehr als 6000 Kilowattstunden verbrauchen. "Wir beginnen den Rollout da, wo der Nutzen am größten ist", sagt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Und das sind zunächst nicht die einfachen Haushalte.

Die verbrauchen im Schnitt nämlich nur um die 3000 bis 3500 Kilowattstunden, fallen also nicht unter die verpflichtende Regelung. Sie verlieren den guten alten Drehstromzähler nur, wenn Kosten und Nutzen in angemessenem Verhältnis stehen, und darüber entscheidet der jeweilige Betreiber der Messgeräte. Demnach dürfte ein solcher "Smart Meter" für einen durchschnittlichen Haushalt nicht mehr als 40 Euro kosten. Stadtwerke hatten zuvor eindringlich vor einer "Zwangsbeglückung" gewarnt. Auch Verbraucherschützer hatten Bedenken - schließlich lassen sich aus den Stromdaten auch Informationen zu Lebensgewohnheiten ableiten.

Das allerdings sollen eigene Vorschriften zum Datenschutz verhindern, sie sind ebenfalls Teil des Gesetzes. Daten über den Stromverbrauch sollen demnach anonymisiert und nur in grober Form über ein spezielles "Smart-Meter-Gateway" laufen. Niemand erfahre, wann Sigmar Gabriel nachts zum Kühlschrank gehe, sagte der Minister. Es sei sichergestellt, "dass diese fehlerhafte Lebensweise von mir im Dunkeln bleibt". Ob damit die Vorbehalte von Daten- und Verbraucherschützern ausgeräumt sind, bleibt dahingestellt.

Die intelligenten Zähler sollen vor allem helfen, Angebot und Nachfrage von Strom besser aufeinander abzustimmen. "Wir stehen da vor ganz neuen Geschäftsmodellen", sagt Peter Heuell, Deutschland-Chef des Schweizer Messgerät-Herstellers Landis+Gyr. Stromeinkäufer wüssten künftig genauer, in welchen Zeiten sie wie viel Strom bereitstellen müssen, das System insgesamt werde effizienter. Flexible Tarife könnten Verbrauchern helfen, Strom dann nachzufragen, wenn er gerade besonders günstig ist. "Die Zähler werden unsere Art verändern, mit Strom umzugehen", sagt Heuell.

Das Gesetz ist Teil eines größeren Strompakets, das am Mittwoch das Bundeskabinett passierte. Dazu zählt auch das seit Monaten diskutierte Design des Strommarktes, laut Gabriel eine Art "neues Grundgesetz" für den Markt. Allerdings sieht Artikel eins dieses Gesetzes vor, gerade nichts zu tun - allein das Preissignal soll dafür sorgen, dass es auch dauerhaft genügend Kraftwerke gibt, die in Flautenzeiten den Ökostrom ersetzen können. Wird dann der Strom knapp, schießt der Preis in die Höhe. Allein das soll dafür sorgen, dass sich auch Kraftwerke rechnen, die nur selten zum Einsatz kommen. "Die Politik muss sich darauf verpflichten, keine Markteingriffe zu machen", sagte Gabriel. Die Branche selbst hatte stets gefordert, über einen speziellen Mechanismus auch die schiere Einsatzbereitschaft von Kraftwerken zu fördern. Gerade neue Gaskraftwerke kämpfen seit Längerem mit der Rentabilität, ungeachtet ihrer Vorzüge in Sachen Klimaschutz und Flexibilität. Wenn sie nicht genug am Markt verdienen, können sie nun bestenfalls an der Ausschreibung für die "Kapazitätsreserve" teilnehmen. Die Leistung von gut elf mittelgroßen Kraftwerksblöcken soll hier künftig bereitstehen - für alle Fälle.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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