Einzelhandel:Schlecker kämpft gegen den Abstieg

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Die einst dominierende deutsche Drogeriekette schließt Laden für Laden. Die Ergebnisse und Umsätze sinken, eine angeschobene Modernisierung muss bald greifen. In den kommenden Wochen werden angeblich weitere 600 Filialen des Unternehmens dichtmachen.

Max Hägler und Christoph Giesen

Montags sitzen sie im baden-württembergischen Ehingen zusammen, die Mitglieder jener Familie, die den einstigen deutschen Drogerie-König lenkten: Gründer Anton Schlecker, 71, sowie seine Kinder Lars, 40, und Meike, 38. Es gibt selten gute Neuigkeiten, und auch diese Woche ist geprägt von Problemen: In den kommenden sechs Wochen werden weitere 600 Filialen schließen.

Schon in diesen Tagen sollen in Baden-Württemberg einige Schlecker-Läden zugesperrt werden. Entsprechende Informationen liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Die Anzahl der Filialen nimmt seit Jahren stetig ab, derzeit bestehen noch etwa 7200, genaue Informationen gibt die Firma nicht bekannt.

Auch die Anzahl der Schließungen wollte ein Konzernsprecher nicht bestätigen, generell sei Schlecker in einem "tiefgreifenden Wandel". Kein Stein bleibe auf dem anderen. Derzeit würden unrentable Filialen geschlossen, bis Ende des ersten Quartals solle dies beendet sein. Zuletzt wurde bekannt, dass Schlecker ein Logistikzentrum in Bayern aufgibt.

Schlecker und die roten Zahlen

Es sind Zeichen eines deprimierenden Kampfs. Seit fünf Jahren gibt es rote Zahlen, der operative Verlust von gut 100 Millionen Euro im Jahr 2010 hat sich offenbar noch mal erhöht, die Umsätze sinken, 2010 in Europa um rund 650 Millionen Euro auf 6,55 Milliarden Euro. Schlecker hat zwar noch die meisten Filialen, aber auch im Vergleich zur Konkurrenz erschreckend geringe Durchschnittsumsätze. So legen dm und Rossmann immer stärker zu, während Schlecker gegen den eigenen Abstieg streitet. Das Eigenkapital lag mal bei stolzen 35 Prozent - es dürfte jetzt unter 20 Prozent liegen.

Angaben zu Gewinn oder Verlust macht die Drogerie-Kette nicht. Gründer Anton Schlecker hat im vorigen Jahr seine beiden Kinder nach vorn gelassen, sie durften von einer wunderbaren neuen Kommunikation erzählen, und der anstehenden großen Modernisierung, intern "Fit for Future" genannt. "Wir wollen nicht mehr der Buhmann für Deutschland sein", sagten sie.

Doch so schnell konnten ein neues Logo und ein neuer Slogan gar nicht wirken, wie sich das Geschäft verflüchtigte. 350 Läden sind 2011 modernisiert worden, bis zu 1000 sollen es in diesem Jahr sein. Das alles kostet Geld. In der Not sucht der Konzern die Nähe zu den Arbeitnehmervertretern. Klagten die Gewerkschaften bis vor kurzem noch über die schlechten Arbeitsbedingungen oder Bespitzelung von Mitarbeitern, so gibt es mittlerweile einen Tarifvertrag und ordentliche Gehälter. Trotz der Filialschließungen wird im Moment keiner gekündigt. Die Frage ist, ob das alles durchzuhalten ist.

Schlecker hat im Dezember um den Abschluss eines Sanierungstarifvertrages gebeten. Derzeit arbeitet sich im Auftrag der Gewerkschaft Verdi ein Wirtschaftsprüfer durch die Geschäftsbücher - zum ersten Mal in der Firmengeschichte. "Wir wollen wissen, ob es wirklich so schlecht aussieht", sagte eine Verdi-Sprecherin. Bestätige sich dies und lege Schlecker ein tragfähiges Konzept vor, dann könne man in Absprache mit den Beschäftigten über einen Sanierungstarifvertrag reden. Damit könnten Gehaltskürzungen möglich werden oder Entlassungen gegen Abfindungszahlungen.

Schlecker-Sprecher Patrick Hacker bestätigt Gespräche mit möglichen Kooperationspartnern. Derzeit stehe kein Verkauf von Firmenteilen an, aber es sei sicher "eine spannende Zeit". Umso mehr, als kolportiert wird, Schlecker habe Liquiditätsprobleme.

Wer in die Läden schaut, sieht viele freie Regalflächen. Es fehlen mal Kondome, mal Red-Bull-Dosen, mal Saftflaschen. Das habe mit der Umstellung der Logistik zu tun, so Hacker. Aber er bestätigt, dass es Lieferstopps gab - als mit den Herstellern Henkel und Beiersdorf verhandelt wurde.

© SZ vom 18.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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