Einzelhandel:Der Bio-Rosenkrieg

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Wem gehört's? Bei der Marke Alnatura ist die Frage eine Sache für Gerichte. (Foto: oh)

Sie waren Geschäftspartner, Freunde, Gesinnungsgenossen. Inzwischen tobt zwischen den Gründern von Alnatura und dm ein hässlicher Streit um Marken und um Geld.

Von Max Hägler, Stuttgart

Am Dienstag kommender Woche wird dieser Streit der alten Freunde abermals eskalieren. Dann wird die Drogeriekette Müller Produkte der Bio-Marke Alnatura in die Regale sortiert haben: Leinsamen, Hafermilch, so was. Und beim Müller-Konkurrenten dm werden sie fluchen: Alnatura, so sehen sie das bei dm, das sei doch quasi eine Eigenmarke. Gemeinsam sei man groß geworden, der Partner sollte doch nicht die Konkurrenz unterstützen! Wobei das mit der Partnerschaft eben so eine Sache ist.

Götz Werner, der dm-Gründer, und Götz Rehn, der Alnatura-Chef, arbeiteten drei Jahrzehnte eng zusammen. Hunderte Bio-Lebensmittel von Rehn waren im Stammsortiment von Werners Läden. Wer Maxi-Müsli wollte, nachhaltig produziertes Apfelmus oder Dinkel-Muschel-Nudeln, der musste zum dm. Ein Verhältnis wie in einer Ehe sei das gewesen, sagte Rehn einmal. Und meinte die Geschäftsbeziehung und wohl auch ein wenig den Kontakt zu Werner.

Doch dann kam die Scheidung, unerwartet, wie Rehn findet. Wie das so ist, wenn Emotionen und Geld im Spiel sind, streitet man sich erbittert vor Gerichten. Was auch manche Zeugen dort nicht ganz fassen können. Am Landgericht Darmstadt geht es derzeit um einen Kooperationsvertrag der beiden Unternehmen aus den 1980er-Jahren. Dm hat laut dieser Vereinbarung Mitspracherechte bei der Auswahl von Alnatura-Vertriebspartnern - diese Rechte will die Drogeriekette jetzt einklagen. Denn sie hätte wohl gegen Geschäfte mit Müller gestimmt oder auch gegen den großen Alnatura-Verkauf bei Edeka, der vor einigen Monaten begonnen hat: Das zieht schließlich Kunden aus den eigenen Läden ab.

Der aufgerufene Zeuge, ein Rechtsanwalt von 73 Jahren, hat einst den Vertrag für dm mitentwickelt. Er habe damals den Umgang zwischen Götz und Götz als sehr eng erlebt, privat wie beruflich, erzählt er. Dass es einmal zum Streit kommt zwischen den beiden? Das habe er sich damals nicht vorstellen können, sagt der Jurist. Am 9. Dezember könnte ein Urteil fallen.

Beide Unternehmer teilen eigentlich mehr als Geschäftsbeziehungen, nämlich eine Haltung zum Leben: die Anthroposophie, die den Menschen eher in den Mittelpunkt stellt als das Wirtschaften und den Gewinn. Götz Werner hat einst sogar die Schwester von Götz Rehn geheiratet, auch verschwägert ist man also. Mitte der 1980er-Jahre startete man gemeinsam eine Unternehmung, die Waren aus kontrolliert biologischem Anbau vertreiben sollte: Alnatura eben. Werner vertrieb viele dieser Produkte in seinen Läden.

Bis es krachte, wobei immer noch unklar ist, wieso genau. Die Manager der Drogeriekette wollten offenbar Einblick in die Bücher des Lieferanten. Der wehrte sich und im Jahr 2014 ging dm schließlich in Trennung, begann eine eigene Biomarke aufzubauen, die heute viele Regalmeter füllt. Alnatura-Produkte finden sich dort nur noch sehr wenige; weit über 200 Millionen Euro Umsatz machte Alnatura in guten Zeiten bei dm, davon dürfte nicht mehr viel übrig sein. Die Abhängigkeit sei für beide nicht gut gewesen, sagen sie bei dm. Bei Alnatura sagen sie, das habe sich angefühlt, als habe da jemand die Scheidung eingereicht. Und suchten sich neue Partner. Zwischenzeitlich gab es gar einen Vermittlungsversuch mit einem aus Ägypten angereiste Mediator; doch dem Vernehmen nach herrscht wieder Funkstille. Es ist in der Tat wie eine Ehe, die gerade geschieden wird und in der auch um das Erbe gerungen wird: Götz Werner beharrt darauf, der eigentliche Inhaber der mittlerweile gut eingeführten Bio-Marke zu sein. Das ist der zweite Rechtsstreit, der gerade läuft, bei dem es noch persönlicher wird: Vor dem Landgericht in Frankfurt verwies Werner auf eine Vereinbarung mit Rehn, in der es um den Namen "Alnatura" geht und aus der er seine Rechte ableitet. Die Richter sahen das jedoch anders. Im Februar heißt es deshalb im Berufungsverfahren am Oberlandesgericht: Götz gegen Götz.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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