Edeka:Gruß von Tengelmann

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Knapp 500 Arbeitsplätze darf Edeka bei Kaiser's Tengelmann laut Ministererlaubnis abbauen. Doch die Rechnung geht nicht mehr auf. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Der Lebensmittelhändler Edeka könnte im Laufe der Übernahme der Supermärkte doch mehr Stellen streichen als beabsichtigt.

Von Michael Kläsgen, München

Jetzt streiten sich Edeka und Verdi doch über Arbeitsplätze. Mitte März waren beide noch optimistisch, alles rasch regeln zu können. Jetzt lautet die Frage: Streicht der Lebensmittelhändler in NRW doch 1100 oder gar 1300 Stellen, wie die Gewerkschaft Verdi befürchtet, obwohl ursprünglich von weniger als der Hälfte die Rede war? In der Ministererlaubnis hieß es, zumindest in einer vorübergehenden Version, nur maximal drei Prozent der insgesamt 16 000 Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann dürften wegfallen. Das wären 480 Stellen gewesen. Wobei diese drei Prozent schon vor der Unterzeichnung der Erlaubnis vor sechs Wochen ein heftig umstrittenes Detail waren. Die Gewerkschafter wollten nur zwei Prozent gehört haben. In der endgültigen Fassung tauchte dann eine explizite Zahl gar nicht mehr auf.

Die Drei-Prozent-Grenze ist jetzt aber aus einem ganz anderen Grund obsolet geworden. Und der liegt bei Tengelmann. Der Einzelhändler aus Mülheim an der Ruhr, der die seit Jahren defizitären Supermärkte loswerden und unbedingt an Edeka verkaufen wollte, verlängerte, während das Ministererlaubnisverfahren lief, den Mietvertrag für etwa 30 der 129 Filialen in Nordrhein-Westfalen nicht weiter. Das ist eine neue Volte in der langen Edeka/Tengelmann-Saga. Denn Edeka will diese Filialen nun nicht einfach so übernehmen, sondern ist vermutlich sogar froh, dies nicht zwangsläufig tun zu müssen.

Rechnet man die Arbeitsplätze in den fraglichen Filialen zusammen, deren Zahl nicht genau bekannt ist, wie Verdi-Generalsekretär Heino Georg Kaßler betont, dann kommt man auf zusätzliche etwa 650 Stellen, die nach der Fusion gestrichen würden. So berechnet sich die Zahl von mehr als 1100 Stellen, die plötzlich zur Disposition stehen - aus Edeka-Sicht. Die Gewerkschaft schlägt noch weitere 236 Azubi-Stellen obendrauf. Allein die 1100 Stellen entsprächen 6,8 Prozent der 16 000 Stellen und damit weit mehr als die anvisierten drei Prozent.

Verdi ist einigermaßen irritiert und will nun prüfen, ob Edeka unter Umständen sogar Personal einstellen muss, wenn die Drei-Prozent-Marke tatsächlich gerissen wird. Insidern zufolge ist man auch bei Edeka verstört und will mit Tengelmann eingehend über die Nicht-Verlängerung der Mietverträge diskutieren. Tengelmann äußerte sich nicht zu der Sache. Dass es sich um ein abgekartetes Spiel zwischen beiden Einzelhändlern und ihren Chefs handelt, die sich sonst so gut zu verstehen scheinen, davon geht man auf Gewerkschaftsseite vorerst nicht aus.

Überraschend wurden die Mietverträge von etwa 30 Supermärkten nicht verlängert

Ursache für den Streit zwischen Verdi und Edeka war ursprünglich ein Flugblatt, das Verdi nach dem ersten Verhandlungstag am 21. April verteilte. Edeka findet das Vorgehen nicht korrekt und gibt selbst zu den laufenden Verhandlungen keine Stellungnahme ab. Auf dem Flugblatt wird die Miet-Sache nicht erwähnt. Die darauf inkriminierten Kürzungspläne sind weitgehend bekannt: Dass das Dienstleistungszentrum in Mülheim an der Ruhr geschlossen werden soll. Dass Edeka 29 Filialen in eine eigene GmbH und 61 Filialen in Netto-Discounter überführen will. Und dass die Hälfte der Beschäftigten der Regionalverwaltung sowie dem Logistikcenter in Viersen nicht weiterbeschäftigt werden. Damit wäre Edeka im Großen und Ganzen bei den drei Prozent gelandet - hätte Tengelmann nicht still und leise die Mietverträge auslaufen lassen.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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