Dritte Startbahn:Turbulenzen in Heathrow

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Am Londoner Flughafen Heathrow könnte es ruhig werden, falls das Luftverkehrsabkommen mit der EU nicht rechtzeitig ratifiziert wird. (Foto: Peter Macdiarmid/Getty)

Europas größter Flughafen soll eine dritte Startbahn erhalten - das bedeutet Ärger.

Von Björn Finke, London

783 Häuser müssten dafür abgerissen werden, Fluglärm würde 150 000 weitere Bürger belasten, die Kosten werden auf 34 Milliarden Euro geschätzt: Europas größter Flughafen London-Heathrow soll eine dritte Startbahn bekommen. Eine Expertenkommission der Regierung sprach sich am Mittwoch für diesen Plan aus - und bringt damit Premier David Cameron in die Bredouille. Der Konservative hatte als Oppositionsführer vor sechs Jahren verkündet, dass es die umstrittene Erweiterung mit ihm nicht geben werde: "ohne Wenn und Aber". Doch das Drehkreuz am Stadtrand ist nahezu komplett ausgelastet; im vergangenen Jahr starteten oder landeten dort 73,4 Millionen Passagiere, eine neue Bestmarke.

Daher braucht Heathrow eine zusätzliche Piste, um wachsen zu können und nicht im Wettbewerb abgehängt zu werden. Außerdem führt die hohe Auslastung zu vielen Verspätungen, denn Heathrow fehlen die Reserven, um auf kleinere Störungen reagieren zu können. In der Weltrangliste der pünktlichsten Flughäfen landen die Londoner abgeschlagen auf Platz 111. Die jüngste Entwicklung in einer anderen Rangliste bereitet gleichfalls Sorgen: Lange war Heathrow der Flughafen, der weltweit die meisten internationalen Passagiere abfertigt. Aber diesen Titel eroberte im vorigen Jahr Rivale Dubai. Britische Wirtschaftsverbände sprechen sich daher schon lange für eine Erweiterung aus.

Allerdings will der lokale Konkurrent Gatwick ebenso ausbauen, hier geht es um eine zweite Startbahn. Vor drei Jahren setzte Camerons Regierung darum die Expertengruppe ein, welche die verschiedenen Möglichkeiten prüfen sollte, die Kapazität in London zu erhöhen. Damit konnten sich die Politiker erst einmal dieses brisanten Themas entledigen und es auch aus dem Wahlkampf heraushalten: Die Untertanen Ihrer Majestät bestimmten Anfang Mai ein neues Parlament.

Die Fachleute kamen nun zu dem Schluss, dass der Großraum London in jedem Fall bis 2030 eine zusätzliche Startbahn benötige. Und das sei in Heathrow sinnvoller als in Gatwick. Gatwick liegt weit weg von der Stadt, weswegen ein Ausbau viel weniger Belastungen brächte. Aber es ist eben kein internationales Drehkreuz und schlechter zu erreichen. Eine neue Piste in Heathrow würde Verbindungen zu 40 neuen Zielen ermöglichen und langfristig 70 000 Jobs schaffen, heißt es in dem Bericht. Zudem würde die hinzugewonnene Kapazität zu mehr Wettbewerb zwischen Fluggesellschaften führen und so die Ticketpreise drücken.

Wichtige Politiker der Konservativen lehnen einen Ausbau dennoch ab, etwa Londons Bürgermeister Boris Johnson. Kritiker verweisen nicht nur auf den Fluglärm einer dritten Startbahn, sondern auch auf Probleme mit der Luftqualität - wegen der Abgase der Jets und der vielen zusätzlichen Autos, die nach einer Erweiterung gen Heathrow fahren würden. Über den Ausbau muss das Parlament abstimmen, und da Premier Cameron nur über eine knappe Mehrheit verfügt, dürfte das spannend werden. Er kündigte an, dass die Regierung den Bericht diskutieren werde. Eine Entscheidung falle bis Jahresende.

Genug Zeit also für ausgiebige und hitzige Debatten.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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