Digitalisierung:Entdecken, verschlingen

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In vielen Unternehmen bremst der Finanzchef die digitale Innovation, warnt Software-Experte Alan Trefler. Sein Rat: Bremst ihn aus!

Von Helmut Martin-Jung, München

Man kann nicht sagen, dass sich Alan Trefler viel Zeit dabei lässt, auf den Punkt zu kommen. "Viele Unternehmen werden in den nächsten Jahren sterben" - so beginnt sein Buch über den digitalen Wandel, und der erste Absatz endet mit der Feststellung: "Es herrscht die Kunden-Apokalypse". Davor würde er Konzerne wie Kleinbetriebe gerne bewahren, am liebsten natürlich mit der Software seiner eigenen Firma, Pegasystems, einem der großen Anbieter für das Managen von Firmen-Prozessen und Kundenbeziehungen.

Aber was ist das überhaupt, Kunden-Apokalypse? Trefler, 59, Sohn eines Holocaust-Überlebenden und ausgezeichneter Schachspieler, sieht als ihren Auslöser die Generation D. D, das steht seiner Definition nach für: Discover, devour, demonize (entdecken, verschlingen, verteufeln). Die Kundengeneration, die gerade heranwächst, die ihr Smartphone kaum mehr weglegt, möchte nicht mit Werbung bombardiert werden, glaubt er.

Sie möchte die Dinge wie zufällig entdecken. Und diese dann möglichst einfach bekommen. Aber wehe, das klappt nicht. Oder sie hat den Eindruck, dass man versucht, sie übers Ohr zu hauen. Dann prasselt ein shitstorm auf die Firma nieder, der diese empfindlich trifft, sie manchmal sogar zugrunde richten kann. "Die Konsequenzen, die es haben kann, wenn man so etwas falsch beantwortet, sind dramatisch angestiegen", sagt Trefler.

Digitalisieren, aber wie? Werfen Sie den Finanzchef aus den Meetings, rät der Software-Experte und Firmenboss Alan Trefler. (Foto: Derek Hudson/Getty Images)

Ein Beispiel? Als Microsoft 2013 seine neue Spielkonsole Xbox One vorstellte, stieß man die eigentlich in freudiger Erwartung versammelten Fans derart vor den Kopf, dass die ausflippten. Mindestens einmal pro Tag sollte die Box mit dem Internet verbunden werden müssen, und für die Weitergabe gebrauchter Spiele waren enorme Beschränkungen vorgesehen. Außerdem wollte das Unternehmen die Box nur zusammen mit einem Kamerasystem verkaufen, das die meisten eingefleischten Spieler kaum interessierte. Microsoft tat das einzig Richtige: zurückrudern. Und der Leiter der Abteilung verlor seinen Job. Klassischer Fall einer verfehlten Strategie.

In den meisten Firmen fehlt es aber woanders. "Die Geschäftssoftware ist nicht einheitlich", stellt Alan Trefler immer wieder fest, und: "Ironischerweise ist die Art, wie Software geschrieben wird, überhaupt nicht soft." Weiche Faktoren, also beispielsweise wie man Kunden anspricht, würden darin überhaupt nicht berücksichtigt.

Wie man das ändern könnte? "Werfen Sie Ihren Finanzchef aus den Meetings", rät Trefler. Der würde nämlich immer nur fragen, was eine Veränderung am Ende koste. Und das führe dann oft dazu, dass alle Anforderungen genauestens festgelegt werden und Software-Projekte nach der Wasserfall-Methode abgewickelt werden: Das Gesamt-Projekt wird durchgeplant. Ein Zurück? Gibt es nicht.

"Das aufzubrechen kann sehr schwierig sein", sagt Trefler. Der beste Weg dazu ist für ihn: Neue Gruppen zu gründen, in denen IT-Experten mit Kaufleuten zusammenarbeiten. "Die leben und sterben zusammen", formuliert er drastisch. Aber warum das? "Die Kaufleute müssen lernen, was technisch leicht ist und was hart, und die ITler müssen direkt mit den Anforderungen der Kunden konfrontiert werden." Dazu noch ein Vorgehen, das übermäßig geplante Projekte durch ein System schneller Anpassungen ersetzt, agile Software-Entwicklung genannt, und fertig ist eine Firma, die es sich erlauben kann, viel stärker vom Kunden her zu denken.

Funktionieren könne das Ganze aber nur, wenn die Führungsetage das alles nicht nur gut findet, sondern an vorderster Front mitmischt. Immer einen Geschäftsprozess umstellen, dann den nächsten, rät Trefler. Also nicht einfach schnell eine mobile App schreiben lassen, die aber mit dem Rest der Software kaum verbunden ist.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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