Deutsche Unternehmen und Russland-Sanktionen:Völkerrecht geht vor Geschäft

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Wende in der Diskussion über den Umgang mit Russland: Bisher waren deutsche Unternehmen eher gegen Sanktionen. Nun prescht der BDI vor - Russlands Expansion sei nicht akzeptabel.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Karl-Heinz Büschemann

Auf Sanktionen gegen Russland ist die deutsche Wirtschaft seit Beginn der Krimkrise nicht gut zu sprechen. Unternehmer und Verbände sahen die Idee von Politikern meist kritisch, das Vorgehen von Moskau in der Ukraine mit wirtschaftlichen Reaktionen zu beantworten. Oft wurde die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Gas- und Öllieferungen erwähnt.

Jetzt schlägt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) neue Töne an. Es gehe bei der Krimkrise um nicht weniger als die Friedensordnung in Europa, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber der Süddeutschen Zeitung. "Der BDI ist der Meinung, dass expansionistisches Verhalten nicht tolerabel ist in Europa." Ähnlich äußert sich Kerber auch im Außenwirtschaftsreport des BDI, der an diesem Montag vorgelegt werden soll. Um Entschlossenheit zu zeigen, könnten Sanktionen durchaus angebracht sein, heißt es dort nun. "Wir würden die Bundesregierung deshalb auch auf diesem Weg unterstützen, wenngleich mit schwerem Herzen." Gleichwohl dürften Sanktionen "nur das letzte Mittel sein, falls alle diplomatischen Bemühungen scheitern".

Das klang bisher anders. Der BDI räumte zwar ein, dass die Wirtschaft den Wünschen der Politik auf Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen folgen würde. "Es gilt das Primat der Politik", war die Formulierung des BDI-Präsidenten Ulrich Grillo. Wohlwollende Aussagen zu Sanktionen gab es bisher eher selten.

Vor allem der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der zum BDI gehört, sprach sich dagegen aus. "Wenn eine Spirale aus gegenseitigen Wirtschaftssanktionen in Gang gesetzt wird, droht die europäische Wirtschaft nachhaltig Schaden zu nehmen", warnte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses, Eckhard Cordes, nach dem Aufflammen der Krise. Cordes war lange Zeit der Chef des Handelskonzerns Metro, der intensive Beziehungen zu Russland pflegt. "Drohszenarien schaden allen Beteiligten", mahnte er.

In der Wirtschaft wächst die Skepsis gegenüber Putin

Auch der Maschinenbauer-Verband VDMA, traditionell exportstark, warnte eindringlich vor einer Eskalation. "Drastische Wirtschaftssanktionen sind gegenwärtig aber unnötig und falsch", sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Hannes Hesse, das war Ende März. Später rückten die Sanktionen in den Hintergrund.

Was Einschränkungen der Geschäfte mit Russland für deutsche Unternehmen bedeuten könnte, legt der BDI auch dar. Im Jahr 2013 habe der Handel 76,5 Milliarden Euro erreicht, etwa ein Drittel der EU-Exporte nach Russland entfielen auf deutsche Firmen. Die Energieversorgung in Deutschland basiere zu 21,5 Prozent auf Lieferungen aus Russland. 350 000 Arbeitsplätze in Deutschland hingen vom Handel mit Russland ab. Umgekehrt beschäftigten Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in Russland 254 000 Mitarbeiter.

Das wiederum erklärt auch, warum weite Teile der deutschen Wirtschaft sich mit dem Gedanken an Russland-Sanktionen nach wie vor nicht anfreunden können. "Das werden noch hitzige Diskussionen", heißt es in Kreisen der Wirtschaftsverbände. "Viele Branchen finden die Vorstellung grauenhaft."

Gabriel schaltet sich ein

Dennoch wächst auch in Wirtschaftskreisen die Zurückhaltung gegenüber der Politik des russischen Präsidenten Putin. Nachdem sich im März Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser demonstrativ mit dem russischen Präsidenten in Moskau getroffen und damit lebhafte Debatten über die russisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen ausgelöst hatte, zeigten sich die Konzernchefs zunehmend zurückhaltend. Als Ende Mai das regelmäßige Managertreffen in St. Petersburg stattfand, war nur der Metro-Chef Olaf Koch bereit, Putin die Ehre zu geben. Auch die amerikanischen Spitzenmanager fehlten.

Inzwischen nimmt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel den geplanten Verkauf der Öl- und Gastochter Dea durch den Energiekonzern RWE an den russischen Oligarchen Michail Fridman unter die Lupe. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums bestätigte am Sonntag einen Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel. Das Ministerium untersuche, ob nach dem Außenwirtschaftsgesetz strategische Interessen Deutschlands verletzt werden.

© SZ vom 16.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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