Deutsche Post:Wenn der Kunde zum Rivalen wird

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Ist das die Zukunft? Eine Paket-Drohne der Deutschen Post im Einsatz. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Deutsche Post lieferte 2015 mehr als 1,1 Milliarden Pakete aus. Doch nun droht Gefahr durch Amazon.

Von Varinia Bernau, Troisdorf

Der Blick in die Zukunft gehört zum Job eines Spitzenmanagers. Deshalb hat Frank Appel, Chef der Deutschen Post, in ein Gewerbegebiet geladen, etwa 20 Kilometer von der Bonner Konzernzentrale entfernt. Hier, in einem zweistöckigen Gebäude, machen sich etwa 30 Mitarbeiter zusammen mit Wissenschaftlern und anderen Unternehmern Gedanken über die Zukunft. Und darüber, welche Aufgaben in einer Welt, in der die Menschen in den virtuellen Sphären des Internets womöglich nicht nur weit Entferntes sehen, sondern sogar schmecken und fühlen können, noch einem Logistikkonzern bleiben.

Streik und IT-Panne: Der Gewinn ging zuletzt um ein Viertel zurück

Solch ein Blick in die Zukunft ist angenehmer, wenn der Blick zurück Ärgerliches offenlegen würde: Denn unter dem Strich blieb der Post im vergangenen Geschäftsjahr mit 1,5 Milliarden Euro etwa ein Viertel weniger als noch ein Jahr zuvor. Da war der lange Streik im Sommer, der viele Kunden verschreckte und den Konzern vor allem wegen anderswo aufgegebener Briefe und Pakete etwa 170 Millionen Euro kostete. Und da war der Ärger um den Aufbau eines fehlerhaften IT-Systems im Frachtgeschäft, auf das der Konzern mehr als 300 Millionen abschreiben musste.

Allerdings gab es im vergangenen Jahr durchaus einige Anzeichen dafür, dass Appel, 54, zuversichtlich in die Zukunft blicken kann: Zwar verschicken die Menschen immer seltener einen Brief. Dafür aber bestellen sie Klamotten, Klopapier und Kinderspielzeug immer häufiger im Internet. Allein in Deutschland hat die Deutsche Post im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Pakete zugestellt. Die Weihnachtszeit, in der noch mehr im Netz geordert wird als zu anderen Zeiten, brachte sogar das beste Geschäft in der Unternehmensgeschichte.

Wenige Meter von Appel entfernt steht eines jener Metallregale, vor denen die Mitarbeiter in den Verteilzentren der Post mit einer Datenbrille auf der Nase, die ihnen die nächsten Schritte vorgibt, Pakete sortieren. Da steht auch ein Modell jener Drohne, die im Alpenvorland aus einer sich automatisch öffnenden Paketstation Ladungen greift und verteilt. Das ist die Zukunft, wie sie die Post selbst entwirft.

Die andere sind die Schlagzeilen, für die Amazon gerade sorgt. Der Onlinehändler ist ein wichtiger Kunde der Post und macht derzeit Anstalten, zu einem ernsten Konkurrenten zu werden. In München testet Amazon die Zustellung seiner Pakete in Eigenregie. Insider berichten, dass dort die in Postfilialen gelieferten Pakete bereits um ein Viertel zurückgegangen seien. Und am Mittwochabend wurde auch noch bekannt, dass Amazon sein eigenes Verteilernetz mit 20 Frachtflugzeugen aufrüstet. Der Onlinehändler übernimmt die Boeing-767-Maschinen in einem Leasing-Vertrag von einem amerikanischen Flugzeugvermieter. Anfang April sollen die Jets in den Dienst gestellt werden.

Bei der Post geben sie sich dennoch ganz gelassen: "Es ist doch schön, wenn sich Unternehmen für unseren Markt interessieren", sagt Konzernchef Appel. Dies zeige nur, wie attraktiv dieser sei. Das, was Amazon da in München ausprobiere, beobachte seine Mannschaft "mit sportlichem Ehrgeiz." Als Appel merkt, dass das nur wenige überzeugt, fügt er an: "Ich darf daran erinnern, dass wir eine hervorragende Qualität bieten." Bei der Post sind sie überzeugt, dass sie mit ihren 60 000 Zustellern, fast ausschließlich eigene Mitarbeiter, die besten Paketboten haben. Und dazu noch das beste Netz.

Zählt man die Packstationen und Filialen der Post zusammen, kommt der Konzern auf 28 000 über die Republik verteilte Orte, an denen ein Kunde sein Paket abholen oder zum Umtausch zurückschicken kann. Der Rivale Hermes hat nur halb so viele, DPD und UPS noch weniger. Auch über die Landesgrenzen hinaus knüpft die Post ihr Paketnetz immer dichter. Im April werde der Konzern zumeist mit Partnern vor Ort mit der Zustellung in Finnland, Schweden, Norwegen sowie dem Baltikum beginnen, kündigte Jürgen Gerdes, Chef der Sparte Post, E-Commerce und Paket, an. Damit wäre der Konzern in diesem boomenden Geschäft bereits in insgesamt 16 europäischen Ländern vertreten. Bislang sind sie sich bei der Post sicher, dass auch Amazon weiterhin ein wertvoller Kunden bei der Paketzustellung bleibt. "Sie probieren selbst Dinge aus, so wie wir es im Übrigen auch machen", sagt Gerdes. Dann zeigt er auf den gelben Streetscooter am anderen Ende des Saals, eines jener 500 Elektroautos, die der Konzern nach seinen eigenen Bedürfnissen selbst entwickelt hat, weil die Autohersteller keines liefern wollten. So verstehe Gerdes die Zustellung in Eigenregie, die Amazon ausprobiere: als einen Beweis dessen, was möglich ist. Auch als ein Anstupser. Aber nicht als große Gefahr. Nicht nur, weil sie glauben, bei der Zustellung quer über den Kontinent besser zu sein. Sondern auch, weil sie glauben, dass viele Onlinehändler einen neutralen Partner bei der Zustellung der Bestellungen eher schätzen als einen, der selbst ein Onlinehändler ist - und die im eigenen Shop georderte Ware womöglich schneller zustellt oder, schlimmer noch, die in den Paketen des Konkurrenten entdeckten Produkte eines Tages nachbaut.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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