Deutsche Post:Montags ohne Postmann

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Muss der Briefträger im Internet-Zeitalter noch täglich vorbeikommen? Die Post testet derzeit Modelle, die anderswo längst üblich sind. Die Hoffnung: Es könnte Kosten sparen.

Von Caspar Busse und Benedikt Müller, München/Düsseldorf

In diesen Tagen erhalten vielen Menschen ihre Benachrichtigung für die Bundestagswahl. Zweifelsohne ein wichtiger Brief, wenngleich es in dem Fall recht egal ist, an welchem Tag er ankommt. Hauptsache, rechtzeitig vor der Wahl. Damit weist die Wahlbenachrichtigung den Weg zu einer grundsätzlichen Frage: Wie wichtig ist es im Internet-Zeitalter, dass der Briefträger jeden Tag an jedem Haus vorbeikommt? In diesem Sommer testet die Deutsche Post mit vielen Freiwilligen neue Modelle, die dem Konzern Kosten sparen sollen.

Kommt der Briefträger bald bundesweit nur noch einmal in der Woche?

Nein, das wäre gar nicht erlaubt. Als die Deutsche Post privatisiert wurde, hat sie sich verpflichtet, sechs Mal in der Woche Briefe zuzustellen, und zwar bis in jedes Dorf. Das regelt die Post-Universaldienstleistungsverordnung, kurz PUDLV. Demnach muss der Konzern auch im Jahresschnitt mindestens 80 Prozent der Briefe einen Tag nach Einwurf zustellen. Bislang will die Politik diese Vorschriften nicht ändern. Die Verordnung regelt auch, dass die Post das Porto (derzeit 70 Cent für einen Standardbrief) nicht einfach erhöhen darf; dies muss die Bundesnetzagentur genehmigen. Im Gegenzug sind die Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit.

Wie viele Briefe werden in Deutschland überhaupt noch verschickt?

Das Volumen geht seit Jahren zurück. Im vergangenen Jahr stellte die Deutsche Post bundesweit im Schnitt 59 Millionen Briefe zu - pro Werktag. Die Menschen schicken allerdings immer mehr E-Mails und kommunizieren online; auch Unternehmen verschicken immer mehr Werbesendungen und Rechnungen elektronisch. So wurden vor zehn Jahren noch rund 70 Millionen Briefe am Tag verschickt. Der Dax-Konzern erwartet einen weiteren Rückgang von zwei bis drei Prozent pro Jahr. Allerdings sinkt das Volumen in anderen Staaten noch viel schneller als hierzulande.

Welche anderen Modelle der Zustellung testet die Deutsche Post nun?

In ausgewählten Bezirken können Kunden auf freiwilliger Basis wählen, ob sie ihre Briefe nur noch drei Mal in der Woche erhalten wollen oder gesammelt am Wochenende - oder ob die Post an ihren Arbeitsplatz geliefert werden soll. Laut einer Post-Sprecherin handelt es sich um einen Pilotversuch, der bis Ende September läuft. Damit will der Bonner Konzern die Bedürfnisse der Kunden im digitalen Zeitalter erforschen. Das Problem: Die Post muss das bundesweite Zustellnetz unterhalten, obwohl die Mengen immer kleiner werden. Im vergangenen Jahr konnte die Post den Umsatz im Briefgeschäft nur deshalb halbwegs stabil halten, weil sie das Porto für Standardbriefe auf 70 Cent erhöht hat. Die Zustellung funktioniert übrigens regional unterschiedlich: Auf dem Land bringt der Postbote sowohl Briefe als auch Pakete. Diese Verbund-Zustellung gibt es in den Städten nicht; dort unterhält der Konzern getrennte Organisationen für Briefe und Pakete.

Erlauben die strengen Regeln der Post solche neuen Modelle?

In Deutschland prüft die Bundesnetzagentur, ob die Post ihren Auftrag gemäß der Verordnung erfüllt. Über den Pilotversuch hat der Konzern die Behörde vorab informiert. Die Bundesnetzagentur sieht darin zunächst kein Problem, weil sich die Probanden freiwillig entschieden hätten, auf die tägliche Zustellung zu verzichten. Sollte die Post diese Modelle eines Tages flächendeckend anbieten, müsste man allerdings prüfen, ob die Grundversorgung noch erfüllt wäre, sagt ein Behördensprecher: "Uns sind aber derzeit keine weitergehenden Planungen bekannt."

Wie oft kommt die Post in anderen Ländern?

In anderen europäischen Staaten ist es bereits Standard, dass der Briefträger nicht mehr täglich vorbeikommt. Beispielsweise dürfen in Dänemark künftig fünf Tage vergehen, bis ein Brief beim Empfänger ankommt. Mit dieser Reform sollen die Kosten der dänischen Post sinken - und die hohen Verluste, die sie einfährt, seitdem die Dänen immer weniger Briefe verschicken. Auch in Italien stellt die Post in Teilen des Landes, die abgelegen sind oder deutlich weniger Postdienstleistungen nachfragen, nur noch an jedem zweiten Tag Briefe zu.

Was sagen die Briefträger zu den Experimenten der Deutschen Post?

Die Gewerkschaft Verdi warnt die Deutsche Post davor, den Pilotversuch auf mehr Gegenden oder längere Zeiträume auszudehnen. "Eine Verringerung der Zustellfrequenz macht postalische Dienstleistungen unattraktiv", sagt die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis. Dies zeige die Erfahrung aus anderen Staaten. Die Gewerkschaft befürchtet, viele Arbeitsplätze wären gefährdet, falls die Post Briefe nicht mehr täglich zustellen würde. In der Brief- und Verbundzustellung arbeiten bundesweit etwa 84 000 Menschen.

Womit verdient die Deutsche Post überhaupt ihr Geld?

Das Briefgeschäft macht noch 17 Prozent des Konzernumsatzes aus. Die Deutsche Post wächst zum einen dank des boomenden Paketgeschäfts: Immer mehr Menschen bestellen im Internet und lassen sich die Ware nach Hause liefern. Experten schätzen, dass der Paketmarkt jährlich um fünf bis sieben Prozent wachsen wird. Zum anderen verdient der Konzern mehr Geld mit Expresssendungen, etwa Medikamenten, die Kuriere schnell von Tür zu Tür transportieren. Knapp die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet die Deutsche Post mittlerweile mit ihren Logistiksparten: DHL vermittelt Speditionsdienstleistungen per Flugzeug, Schiff oder Lkw - und bietet anderen Unternehmen an, Waren zu verpacken oder zu lagern.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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