Deutsche Bank:Zeuge der Anklage

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Der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Rolf-Ernst Breuer, steht im Zentrum des Verfahrens in München. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Im Prozess gegen mehrere Top-Manager der Deutschen Bank wegen der Causa Kirch wird es eng für die Staatsanwälte.

Von Stephan Radomsky, München

Der Zeitplan des Münchner Landgerichts hängt auch am Wetter - in London. Von dort soll am Dienstag der einzige Zeuge dieses 15. Verhandlungstags im Strafprozess gegen fünf Spitzen-Manager der Deutschen Bank anreisen: ein ehemaliger Kollege von ihnen. Das Wetter am Abflugort ist britisch-mies, der Flieger kommt also später. So wird es Mittag, bis Christian Graf Thun-Hohenstein vor dem fünften Strafsenat über die Verwicklungen zwischen der Deutschen Bank und dem Medienunternehmer Leo Kirch aussagt.

Die Anklage hat dringend auf den Investmentbanker aus London gewartet. Seine Aussage könnte das gesamte Verfahren um versuchten Prozessbetrug gegen den amtierenden Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, seine beiden Vorgänger Josef Ackermann und Rolf-Ernst Breuer, und zwei weitere Ex-Vorstände noch einmal zugunsten der Strafverfolger drehen. Es könnte ihre letzte Chance sein.

Thun-Hohenstein leitete in den Jahren um 2002 - also in der Zeit um die Pleite des Kirch-Konzerns - das für europäische Medienunternehmen zuständige Investmentbanker-Team der Deutschen Bank in London. Im Gerichtssaal macht der heute 55-Jährige aber immer wieder Erinnerungslücken geltend, bleibt oft vage und antwortet einsilbig. Dabei wurde er bereits zwei Mal von der Staatsanwaltschaft vernommen, 2012 und 2013 - mit offenbar ermutigenden Ergebnissen. Die könnten aber ein Missverständnis gewesen sein.

Die Anklage will den Deutschbankern nachweisen, dass sie Kirch gezielt unter Druck setzen wollten, damit er dem Institut die lukrative Zerschlagung seines Konzerns überträgt. Dieser Plan sollte dann im Schadenersatzprozess nach der Kirch-Pleite durch falsche Aussagen der Manager verschleiert werden, so der Vorwurf. Am Ende des Zivilverfahrens wurde die Deutsche Bank dennoch zu Schadenersatz verurteilt und einigte sich mit den Erben Kirchs auf eine Zahlung von 925 Millionen Euro.

"Wir erarbeiteten Ideen für Kunden der Deutschen Bank", sagt Thun-Hohenstein nun. So auch bei Kirch: Sein Team habe eine "strategische Perspektive" entwickelt - die detaillierte Pläne für die Zerschlagung und den Verkauf großer Teile des Konzerns beinhaltete, wie aus am Dienstag verlesenen Dokumenten hervorgeht. Natürlich sei es Ziel des Teams gewesen, ein Mandat zu erhalten, bevorzugt vom Verkäufer, so Thun-Hohenstein. "Das war unser Job." Was Breuer oder andere Angeklagte aber bei Kirch vorhatten, darüber sagt er nichts. Ein Feedback auf die Vorschläge habe Breuer nicht gegeben.

Damit hilft Thun-Hohenstein der Staatsanwaltschaft kaum weiter - wie bereits etliche Zeugen zuvor. Zuletzt hatte die Anklage daher versucht, eine Vielzahl neuer Aussagen und Dokumente ins Verfahren zu bringen, was vom Gericht allerdings größtenteils abgeblockt wurde. Nur vier ehemals hochrangige Banker anderer Kirch-Geldgeber sollen demnächst befragt werden. Ob das der Anklage aber noch hilft, ist zweifelhaft.

© SZ vom 23.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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