Deutsche Bank: Schmutziger Handel mit Verschmutzungsrechten

The headquarters of the Deutsche Bank are reflected in the polished floor, in Frankfurt

Auf 865 Seiten wird beschrieben, wie acht Mitarbeiter der Deutschen Bank dubiosen Firmen dabei geholfen haben sollen, den Fiskus beim Handel mit Verschmutzungsrechten zu betrügen.

(Foto: REUTERS)
  • Mitarbeiter der Deutschen Bank sollen den Fiskus mit einem sogenannten Umsatzsteuerkarussell betrogen haben.
  • Dabei kaufen und verkaufen Firmen Waren über Grenzen hinweg im Kreis - mit dem Ziel, sich angeblich abgeführte Umsatzsteuern erstatten zu lassen.
  • Ein Prozess gegen die angeklagten Bank-Beschäftigten gilt als sicher, ihnen droht Gefängnis.

Von Klaus Ott

Die Anklagen gegen die zahlreichen Bankvorstände, die in den vergangenen Jahren in Deutschland vor Gericht standen, waren in der Regel einige Hundert Seiten dick. So umfasst zum Beispiel die Anklageschrift im Fall Kirch, der derzeit in München vor Gericht verhandelt wird, satte 627 Seiten; sie richtet sich gegen Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank, und vier weitere ehemalige Top-Manager des Kreditinstituts.

Noch umfangreicher und noch detaillierter ist die neueste Anklage, die in einem großen Wirtschaftsverfahren in der Finanzbranche vor Gericht kommt. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat dem Landgericht in der Stadt am Main soeben ein Werk vorgelegt, das 865 Seiten umfasst. Darin wird beschrieben, wie acht Mitarbeiter der Deutschen Bank in den Jahren 2009 und 2010 dubiosen Firmen dabei geholfen haben sollen, den Fiskus um mehrere Hundert Millionen Euro zu betrügen. Die Firmen haben dem Staat das Geld beim Handel mit Verschmutzungsrechten, den sogenannten CO₂-Zertifikaten, abgeluchst und ihn durch ihre trickreichen, auf den ersten Blick kaum überschaubaren Finanzgeschäfte gezielt ausgenommen.

Der Vorwurf gegen die acht Angeschuldigten, die damals dem mittleren Management der Deutschen Bank angehört hatten, wiegt schwer: bandenmäßige Steuerhinterziehung beim Handel mit Emissionsrechten. Die von der Anklage betroffen Banker sind zwischen 33 und 64 Jahre alt. Einer von ihnen war Kunden-Manager aus dem Bereich Global Banking, zuständig für mittelständische Firmen und den Emissionshandel. Auch sein damaliger Vorgesetzter soll vor Gericht kommen, ebenso wie weitere Mitglieder eines Kompetenz-Zentrums, das in dem Geldinstitut eigens für diese Geschäfte gegründet worden war.

Der Handel hatte bloß den Zweck, Steuern zu hinterziehen

Fünf der acht Angeschuldigten sollen interne Kontrollgremien nur unvollständig über die CO₂-Geschäfte informiert und so deren Stopp verhindert haben. Diesen Mitarbeitern, so meinen die Ermittler, hätte klar sein müssen, dass die Emissions-Deals nur einen Zweck gehabt hätten: nämlich den Fiskus zu hintergehen. Die Generalstaatsanwaltschaft will beweisen, dass den acht Angeschuldigten bewusst gewesen sei, auf welch zweifelhafte Kunden und Geschäfte sie sich in den Jahren 2009 und 2010 eingelassen hätten.

Die Deutsche Bank hat die acht Mitarbeiter, so ist es aus der Finanzbranche zu hören, im Verlaufe der jahrelangen Untersuchungen nach und nach suspendiert. Einer von ihnen, der Älteste, ist inzwischen nicht mehr bei dem Geldinstitut beschäftigt. Es ist kein Spitzenmanager dabei. Für ein Verfahren gegen heutige oder frühere Vorstandsmitglieder gebe es "keinen Anlass". Das hat sich das Geldinstitut eigenen Angaben zufolge kürzlich von der Generalstaatsanwaltschaft bestätigen lassen, nachdem sie den Strafverfolgern weitere Unterlagen zum CO₂-Handel übergeben hatte.

Früher Verdacht, späte Anzeige

Die Geldwäscheanzeige 006368-14 TS/PTB der Deutschen Bank, die im vergangenen Jahr bei Behörden in Frankfurt einging, hatte Hand und Fuß. Auf sechs eng beschriebenen Seiten schilderte das Institut, wie die Firmenkunden-Filiale CIB von dubiosen Firmen für dubiose Geschäfte benutzt worden sei. Die betreffenden Transaktionen seien "wirtschaftlich nicht nachvollziehbar" und undurchsichtig. Es bestehe der Verdacht auf ein Umsatzsteuerkarussell, also auf Steuerhinterziehung in großem Stil. Die professionell gemachte Anzeige hatte nur ein Manko: Sie kam fünf Jahre zu spät. Im Sommer 2009 war die Deutsche Bank groß in den Emissionshandel eingestiegen. Kleine Firmen, Klitschen wie Vektor Energie oder Roter Stern, ließen bis Frühjahr 2010 riesige Beträge über ihre Konten bei dem Geldinstitut laufen. 380 Millionen Euro waren es bei Vektor, 190 Millionen Euro beim Roten Stern. Ein erheblicher Teil des Geldes ging an andere Firmen aus dem Emissionshandel. Auch an solche Firmen, die von der Deutschen Bank als Händler in diesem Geschäft abgelehnt worden waren. Ein höchst verdächtiger Umstand. Im Februar 2010 leitete die Deutsche Bank unter dem Aktenzeichen 001198-0 intern einen Prüfvorgang zu den Kundenbeziehungen von Vektor Energie und Roter Stern ein. Das Geldinstitut bereitete sogar eine Geldwäscheverdachtsanzeige vor, die damals aber nicht abgegeben wurde. Sondern erst 2014, nach zwei Razzien bei der Bank im April 2010 und Dezember 2012. Andere Geldinstitute waren schneller. Die Dresdner Bank erstattete bereits im September 2009 Anzeige. Im November 2009 folgten die Sparkasse Frankfurt und die Commerzbank. Die Deutsche Bank sagt zu ihrer verspäteten Anzeige aus dem Jahr 2014, was sie seit langem sagt: "Wir kooperieren mit den entsprechenden Behörden." Klaus Ott

Die Anklage beruht auf einem in etwa genauso langen Abschlussbericht einer Sonderkommission namens Odin, die das Finanzinstitut durchleuchtet und Beweismaterial gesammelt hat. Die Ermittler haben herausgefunden, wie die Bank und deren Händler des schnellen Geldes wegen Risiken ausgeblendet hatten. "Rote Flaggen", sprich Alarmsignale, seien systematisch missachtet worden. So hatten sich vier der acht Beschäftigten am 6. November 2009 per Mail gegenseitig gewarnt: "CO₂-Markt zeigt typische Eigenschaften eines Umsatzsteuerkarussells." Dennoch seien sie aber, so der Vorwurf der Ermittler, auf dem Umsatzsteuerkarussell weiter mitgefahren.

Den Angeschuldigten droht Gefängnis

Bei solchen Karussellgeschäften kaufen und verkaufen Firmen über Grenzen hinweg allerlei Waren immer wieder im Kreis: von Autos bis hin zu virtuellen Gütern. Das Ziel ist, sich angeblich an den Fiskus abgeführte Umsatzsteuern wiedererstatten zu lassen. Einige dieser Firmen verschwinden aber gleich wieder, hinterlassen nur eine leere Hülle und bleiben dem Finanzamt die fälligen Abgaben schuldig. Der Fiskus zahlt also am Ende mehr aus, als er einnimmt. Der Emissionshandel ist für diesen Steuerdiebstahl besonders geeignet, weil sich hierbei am Computer in Sekundenschnelle Deals in Millionenhöhe abwickeln lassen. Offiziell werden die Zertifikate zum Schutz der Umwelt gehandelt, weil Stahlwerke und andere Betriebe die Papiere kaufen müssen, ehe sie Schadstoffe in die Luft blasen; tatsächlich aber haben die beteiligten Firmen den Emissionshandel genutzt, um dem Fiskus zu schaden.

Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft ermittelt in diesem Fall gegen insgesamt 26 aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Bank. Aus dem Kreis der Verteidiger heißt es, den acht Angeschuldigten, die jetzt ihre Anklage bekommen haben, drohe Gefängnis. Und zwar aus drei Gründen: Wegen des hohen Steuerschadens, wegen der schwerwiegenden Erkenntnisse der Ermittler und weil der Fall wieder bei der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt unter Vorsitz von Martin Bach gelandet ist.

Bach hat bereits Ende 2011 sechs Geschäftsleute zu Gefängnis verurteilt, deren Firmen den Fiskus betrogen und die sich dabei in der Regel der Deutschen Bank bedient hatten. Der Haupttäter erhielt fast acht Jahre. Insgesamt hat die deutsche Justiz beim Emissionshandel bereits zehn Angeklagte mit insgesamt mehr als 45 Jahren Haft bestraft. Das Urteil von Ende 2011 enthielt bereits für die Deutsche Bank peinliche Passagen. Das Geldinstitut wollte dem Urteil zufolge gar nicht wissen, mit wem man es beim CO₂-Handel zu tun hatte.

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