Deutsche Bank:Schmutz-Deals

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Entlarvende Ermittlungsergebnisse beim CO₂-Handel dokumentieren beispielhaft, welche Abgründe sich jahrelang aufgetan haben. Acht Manager sollen vor Gericht kommen und büßen.

Von Klaus Ott

In den alten Geschichten und Mythen, die sich um den germanischen Göttervater Odin ranken, wird seine Suche nach Erkenntnis, Weisheit und Wissen beschrieben. Mithilfe übernatürlicher Kräfte sowie der Raben Hugin ("Der Gedanke") und Munin ("Die Erinnerung") soll er stets im Bilde gewesen sein über die Geschehnisse in der Welt. Die Mittel, derer sich hessische Steuerfahnder und Staatsanwälte jahrelang bedienten, um nach der Wahrheit zu forschen, waren weniger mystisch, aber nicht weniger wirkungsvoll. Eine Sondereinheit mit Namen Odin ermittelte in der Deutschen Bank, befragte zahlreiche Zeugen, wertete zigtausende Dokumente aus und kam so zu einem eindeutigen Ergebnis.

Das Geldinstitut habe, so die Erkenntnisse der Ermittler, kriminellen Geschäftemachern assistiert. Ihnen geholfen, den Fiskus beim Handel mit Verschmutzungsrechten, sogenannten CO₂-Zertifikaten, um Hunderte Millionen Euro zu betrügen. Acht Bank-Manager aus der mittleren Ebene - sie sind inzwischen alle intern suspendiert - sollen vor Gericht kommen. Eine Anklage der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft wegen Mittäterschaft bei besonders schwerer Umsatzsteuerhinterziehung ist fertig. Ein Prozess gilt als sicher.

"Wir machen's doch alle nur, weil wir schweinisch viel Geld an dem Ding verdienen."

Die Ermittlungsergebnisse dokumentieren vieles: Welche Abgründe sich in der Deutschen Bank in den vergangenen Jahren aufgetan hatten. Warum der Finanzkonzern in den Ruf geraten ist, Geschäfte um jeden Preis zu machen; Hauptsache, die Rendite stimmt. Wie das Geldinstitut zu Zeiten des früheren Vorstandschefs Josef Ackermann und seiner Nachfolger Anshu Jain und Jürgen Fitschen erst einen falschen Kurs eingeschlagen und sich dann schwergetan hat, wieder an alte Grundsätze anzuknüpfen. Der CO₂-Handel steht beispielhaft für eine Vielzahl von Affären. Das absehbare Verfahren am Frankfurter Landgericht dürfte weitreichende Einblicke in das Innenleben des Geldhauses gewähren.

Besonders entlarvend sind die Ergebnisse eines Prüfberichts, den die Deutsche Bank AG selbst in Auftrag gegeben hatte, bei der Anwaltskanzlei Clifford Chance. Darin steht, das Geldinstitut habe von Frankfurt und London aus Geschäfte mit Firmen gemacht, die "typische Merkmale" für illegale Umsatzsteuerkarusselle aufgewiesen hätten. Der Deutschen Bank AG sei das konkrete Risiko der Einbindung in ein betrügerisches System bewusst gewesen. Das hat der Finanzkonzern also sogar selbst ermittelt, nachdem man sich zuvor jahrelang schwergetan hatte, Verfehlungen einzugestehen. Der 22-seitige Prüfbericht von Clifford Chance vom 4. Juni 2014 stimmt im Kern überein mit dem 848-seitigen Abschlussbericht der Sonderkommission Odin vom 27. März 2015. Die Bank wusste, was sie tat. Büßen sollen das nun acht Banker, stellvertretend für den Konzern.

Der CO₂-Handel, bei dem sich das alles abspielte, war schon ziemlich kompliziert; illegale Umsatzsteuerkarusselle sind noch viel komplizierter. Aber manchmal helfen einfache Vergleiche, um den Ernst der Lage deutlich zu machen. Am 27. November 2009 mahnte ein Kaufmann der Deutschen Bank bei einer internen Telefonkonferenz die Kollegen, wenn man ein paar Eier in ein Omelette schlage, "und eins dieser Eier ist faul, dann können wir das ganze Omelette wegschmeißen". Insofern solle die Bank "sehr, sehr sorgfältig bei der Auswahl der Eier sein". Gemeint waren die Firmen, die in großem Stil mit CO₂-Zertifikaten dealten.

Die Deutsche Bank hat, um im Bild zu bleiben, nach Erkenntnissen der eigenen Prüfer und der staatlichen Ermittler mit ziemlich vielen faulen Eiern gehandelt und diese dann ins Omelette geschlagen. Dabei waren die CO₂-Geschäfte ursprünglich eine gute Sache gewesen. Unternehmen mit Nachholbedarf beim Umweltschutz sollten gezwungen sein, die Schadstoffe, die sie in die Luft blasen, teuer zu bezahlen. Durch den Kauf sogenannter Verschmutzungsrechte, CO₂-Zertifikate, die international gehandelt werden. Doch dann schalteten sich kriminelle Banden ein, die früher Autos, Handys und andere Waren über viele Stationen grenzüberschreitend im Kreis kauften und verkauften. Mit dem einzigen Sinn und Zweck, sich angeblich an den Fiskus abgeführte Umsatzsteuern wieder erstatten zu lassen. Innerhalb solch rasend schneller Karusselle kommen Firmen vor, die ebenso rasch wieder verschwinden, wie sie gegründet worden waren. Firmen, die dem Finanzamt die fällige Umsatzsteuer schuldig bleiben.

SZ-Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: w)

Am Ende zahlt der Fiskus drauf. Ihm werden Steuern entwendet, die andere, ehrliche Unternehmen und Bürger, geleistet haben. Juristisch ist das Steuerhinterziehung, tatsächlich Steuerdiebstahl. Den deutschen Staat kostet das mehrere Milliarden Euro im Jahr. Für die Banden, die solche Karusselle organisieren, war der CO₂-Handel ideal. Geschäfte am Computer, per Mausklick, sekundenschnell, statt Autos hin und her zu fahren. Ende vergangenen Jahrzehnts gab es plötzlich einen Boom bei den CO₂-Geschäften. Doch Großbritannien und andere Staaten reagierten rasch. Sie schafften die Umsatzsteuer beim Emissionshandel einfach wieder ab, und schon funktionierten die Karusselle nicht mehr. Bundesregierung und Bundestag aber ließen sich Zeit mit Gegenmaßnahmen. Woraufhin die Banden ihre Geschäfte über Deutschland abwickelten. Mithilfe der Deutschen Bank.

"Ich bin froh, dass nicht jemand an meinem Hotelzimmer geklopft hat und ich abgeführt werde."

Bei der hatte Ackermann Mitte des vergangenen Jahrzehnts als Vorstandschef ein neues Ziel ausgegeben: 25 Prozent Eigenkapitalrendite. Im Frühjahr 2009 bekräftigte der Bank-Boss diese Vorgabe und beteuerte, man gehe keine "übermäßigen Risiken" ein. Doch genau das war ab Sommer 2009 beim CO₂-Geschäft der Fall. Händler der Bank in London und Frankfurt akzeptierten fragwürdige Firmen als Kunden. Kleine Klitschen mit Namen wie Roter Stern, teils ferngesteuert aus dem Orient, die plötzlich riesige Umsätze mit CO₂-Zertifikaten machten. "Da wird Dir schwindelig", sagte ein Kunden-Manager der Bank zu einer Kollegin.

Allen Schwindelgefühlen zum Trotz machte die Deutsche Bank bei immer mehr Deals dieser Art mit, weil das ein "sehr guter Ertragsbringer" sei, mit dem "gepunktet" werden könne. So steht es in einem Mail-Verkehr von Mitte 2009 zwischen einem Händler der Bank in London und einem Managing Director in Frankfurt, der direkt einem Vorstandsmitglied unterstellt war. Bis zum April 2010, als die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt dem mit einer Razzia ein Ende machte, hatte das Geldinstitut beim deutschen Fiskus Steuererstattungen in Höhe von 360 Millionen Euro beantragt. Die Bank war das letzte Glied in der CO₂-Lieferkette gewesen. Das viele Geld vom Fiskus landete über die Handelsketten bei den dubiosen Firmen und verschwand dort in der Regel.

Die Zeche für all das zahlt nun die Deutsche Bank. Sie hat für den bei ihren CO₂-Deals entstandenen Steuerschaden vorläufig aufkommen müssen. Und das bleibt wohl auch so, weil das Geldinstitut seinem eigenen Prüfbericht zufolge seit August 2009, spätestens aber seit Oktober 2009 erkennen musste, worauf man sich da eingelassen hatte. Das gilt, so sieht es die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, besonders für die acht Beschuldigten aus dem Mittelbau der Bank, die in den kommenden Tagen und Wochen ihre Anklageschrift zugestellt bekommen. Eine dicke Akte mit schweren Vorwürfen, und das bei einem Gericht, das in dieser Causa kein Pardon kennt. Die Zweite Große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt hat seit Ende 2011 etliche Firmenchefs aus den Umsatzsteuer-Karussellen zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Einer der Haupttäter erhielt knapp acht Jahre Gefängnis.

Nun sollen die Banker vor Gericht kommen, als Mittäter, weil ohne sie die Karusselle nicht funktioniert hätten. Erfahrene Juristen, die Einblick haben in diesen Fall, erwarten einen harten Prozess für die Banker. Einen Prozess, der mit Gefängnis enden könnte. Deutsche-Bank-Beschäftigte, die ihrer Arbeit wegen in Deutschland zu einer Haftstrafe verurteilt werden, das dürfte in der 145-jährigen Geschichte des größten Geldinstituts im Lande noch nicht oft vorgekommen sein.

Die Beweislage ist für die Frankfurter Ankläger weit besser als bei deren Kollegen in München, die Ackermann und Fitschen und einige andere Deutschbanker wegen versuchten Prozessbetrugs im Fall Kirch vor Gericht gebracht haben. Bei dem Verfahren in München haben die Bank und die Banker stets alle Anschuldigungen zurückgewiesen, hier brechen die Vorwürfe gerade ziemlich in sich zusammen. In Frankfurt dürfte der Prüfbericht, den das Geldinstitut selbst in Auftrag gegeben hat, die Anklage sogar noch untermauern.

Alle CO₂-Handelskunden der Deutschen Bank Frankfurt hätten Merkmale von Firmen aufgewiesen, die in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden seien, ermittelte die Kanzlei Clifford Chance für die Deutsche Bank. Merkmale wie: eine neue Gesellschaft ohne Erfahrung im Emissionshandel, niedriges Stammkapital, keine angemessenen Büroräume. Beschäftigte der Bank, die sich um diese Klitschen kümmerten, jammerten intern, sie hätten "lieber ein richtiges Unternehmen" als Kunden. Und nicht Geschäftspartner, die "keine Ahnung" hätten von dem, was sie machten, und stattdessen "irgendeinen Scheiß" redeten. In Anbetracht aller Umstände hält es Clifford Chance laut Prüfbericht für sehr wahrscheinlich, dass die Finanzbehörden oder ein Gericht zu dem Schluss gelangen würden, die Deutsche Bank Frankfurt hätte keine einzige dieser Gesellschaften als Kunden aufnehmen sollen.

Doch der Reiz für die Bank und die Banker, von diesen Deals zu profitieren, war wohl einfach zu groß. Am 3. März 2010 hatten sich zwei Manager des Geldinstituts darüber unterhalten, dass sie eigentlich "keinen Bock" mehr hätten, mit Emissionszertifikaten zu handeln. "Wenn wir da nix drin hätten", sprich keine eigenen Interessen hätten, "dann hätten wir schon lange zu den Kunden gesagt: Ach, wisst Ihr was, macht's woanders bitte". Doch die Geschäfte hörten erst auf, als Ende April 2010 Staatsanwälte, Steuerfahnder und Kriminalpolizisten die Deutsche Bank und deren Handelspartner durchsuchten und alles auffliegen ließen.

"Seriosität pur - gestern noch einen Saunaclub betrieben und heute Emissionshändler."

Die Deutsche Bank hat nach der Razzia erklärt, die Vorwürfe würden sich als haltlos erweisen; sie hat mit den Ermittlern aus deren Sicht völlig unzureichend kooperiert, woraufhin es Ende 2012 zu einer zweiten Durchsuchung kam. Da waren Jain und Fitschen schon Vorstandschefs. Erst spät, so sieht es aus, schlug das Institut einen anderen Kurs ein. Die Deutsche Bank sagt, "wir kooperieren mit den Behörden". Die internen Ermittlungen dauerten an und umfassten "alle relevanten Fakten".

Über den Prüfreport von Clifford Chance vom Frühjahr 2014 hat das Geldinstitut in seinen Geschäftsberichten bislang noch nichts veröffentlicht. Andere Konzerne gehen offener mit ihren Problemen um und informieren über solche Fälle. Die Deutsche Bank gibt lieber eine Broschüre mit dem schönen Titel "Unternehmerische Verantwortung" heraus. Darin haben die beiden Vorstandschefs Jain, der kürzlich abgelöst wurde, und Fitschen geschrieben, Integrität sei der "ausschlaggebende, wichtigste" Wert. Jain und Fitschen beteuerten, "unsere Werte sind nun fester Bestandteil unserer Personalführung".

Beim CO₂-Handel kommt das zu spät.

Die Zitate stammen aus internen Gesprächsrunden bei der Deutschen Bank. So haben sich deren Beschäftigte über den CO₂-Handel unterhalten.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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