Deutsche Bank:Per Börsengang zum Bonus

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Warum verkauft die Deutsche Bank einen Teil ihrer Vermögensverwaltung? Das habe vor allem mit dem Wettbewerb zu tun, heißt es offiziell. Es gibt aber noch einen Grund, über den kaum jemand spricht.

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Die Zeit, in der Deutsche-Bank-Chef John Cryan dringend frisches Geld auftreiben musste, ist erst einmal vorbei. Nach den Schwierigkeiten im vergangenen Jahr wagte er es vor einigen Monaten, etwa acht Milliarden Euro bei Investoren einzusammeln und stärkte so das Kapitalpolster der Bank. Das Wagnis glückte, heute steht die Bank robuster da, von finanziellen Problemen spricht ein gutes Jahr nach der existenzbedrohenden Krise niemand mehr. Cryan betont deshalb stets, wie er den Blick wieder nach vorn richtet. Und da sieht er jetzt: weitere Milliarden, auf die er auch verzichten könnte.

Die Deutsche Bank macht ernst mit dem Teil-Börsengang ihrer Fonds-Tochter Deutsche Asset Management (DeAM), es wird einer der größten deutschen Börsengänge der vergangenen Jahre. In spätestens einem halben Jahr werden Investoren um die zwei Milliarden Euro für die Aktien der Tochter ausgeben. Ein Viertel des Unternehmens steht zum Verkauf. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren, in den Räumen der Vermögensverwaltung unweit der Bankzentrale bleiben seit Monaten viele Lichter bis spät in den Abend hinein an. Wenn aber Cryan das Geld nicht benötigt - warum dann die Mühe? Warum gründet die Bank die profitable Vermögensverwaltung als eigene Gesellschaft aus und gibt zum Teil ihre Kontrolle auf?

Die Fondsgesellschaft braucht eine gute Geschichte, um bei Anlegern zu punkten. Gibt es die?

Die Antworten müssen überzeugen, damit der Börsengang gelingt. Wann immer ein Unternehmen an die Börse geht, muss es eine Geschichte erzählen, den Investoren erklären, warum sie ausgerechnet seine Aktie kaufen sollten. Im Fall der größten deutschen Vermögensverwaltung ist das nicht gerade einfach. Am kommenden Dienstag wird DeAM-Chef Nicolas Moreau in London erstmals vor Investoren über diese Geschichte sprechen. Vorher beantwortet man keine Anfragen dazu, offiziell bleibt die Erzählung geheim. Es gibt aber Hinweise darauf, warum die Bank ihre Tochter jetzt aus dem Konzern entlässt.

In der Tat sei der Kapitalbedarf kein Thema gewesen, sagte Cryan vor einigen Wochen vor Analysten. "Wir glauben nicht, dass die Gesellschaft als Sparte unter dem Dach der Deutschen Bank die Anerkennung bekommt, die sie haben könnte", sagte er. Das ist der vielleicht wichtigste Grund: Die Probleme des Mutterhauses schlugen in den vergangenen Jahren auch auf die Tochter mit der Marke DWS durch, obwohl sich die Fonds-Spezialisten mit Blick auf die Skandale der Bank nichts hatten zu Schulden kommen lassen.

Das verdarb nicht gerade wenigen die Stimmung, und nachdem im vergangenen Jahr auch die DeAM-Kollegen auf ihre Boni hatten verzichten müssen, gingen mit Aktien-Chef Henning Gebhardt einige weitere Führungskräfte und prominente Manager zur Konkurrenz. Die übrigen Kollegen mussten mit ansehen, wie Anleger 38 Milliarden Euro abzogen. Auf die Frage, wie groß der Unmut war, fragt ein hochrangiger DeAM-Manager ungläubig zurück: "Na, was glauben Sie denn?"

Inzwischen hat sich die Lage stabilisiert, im laufenden Jahr flossen den Frankfurtern nach eigenen Angaben 14 Milliarden Euro zu. Damit liegt die DeAM zwar in absoluten Zahlen vor der deutschen Konkurrenz, muss sich mit der Wachstumsrate aber hinter Wettbewerbern wie Deka oder Union einreihen - und hängt in den Fonds-Ratings der Agentur Morningstar europaweit im hinteren Drittel fest.

Zugleich bewegt sich die DeAM in einem Markt, der so umkämpft ist wie nie. Die größten Konkurrenten verwalten längst Billionen, der Boom passiv verwalteter, kostengünstiger ETF-Produkte setzt die Umsätze in der gesamten Branche unter Druck. Um dem Kostendruck standzuhalten, fusionieren große Fondshäuser und werden noch größer. Die DeAM verkauft sich dagegen als Vollsortimenter, der von aktiven und passiven Fonds bis zu Exoten wie Private-Equity- und Hedgefonds alles anbietet, aber nicht in erster Linie mit Größe und niedrigen Gebühren punktet. Die recht hohen Kosten muss Moreau dennoch drücken, um Investoren zu überzeugen.

Es geht also vor allem darum, die Fonds-Tochter besser für den harten Wettbewerb zu rüsten. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Grund entscheidend, der bislang kaum beachtet wird: Die Bank kann so teilweise die Fesseln der strengen Regeln für Bankerboni ablegen und ihre Fondsgesellschaft davon befreien lassen. Das wäre zwar auch ohne Börsengang möglich, aber intern schwer durchzusetzen, wenn für die Fonds-Kollegen laxere Bestimmungen gälten. Bankchef Cryan hatte die Boni-Regeln zuletzt gar als "Wettbewerbsnachteil" bezeichnet. Noch sei nicht ganz klar, wie die DeAM mit den Boni-Regeln umgehen wird, ist aus dem Konzern zu hören. Noch liefen Gespräche mit der EZB. Offiziell will man aber auch zu diesem Thema lieber nicht Stellung nehmen.

Der Bankchef steht unter Druck: Das Projekt Börsengang muss ein Erfolg werden

Die Bezahlung von Bankern ist seit einigen Jahren gesetzlich geregelt. EU-weit gelten Obergrenzen für Boni im Verhältnis zum Fixgehalt, außerdem dürfen die Sonderleistungen teils erst um Jahre verzögert ausbezahlt werden. Das gilt für all jene, die besonders hohe Verluste verursachen können, so genannte Risikoträger, von denen es in der Deutschen Bank rund 3000 gibt. Die Aufseher wollen so verhindern, dass Banker auf der Jagd nach Boni zu hohe Risiken eingehen. Ermöglichen soll das ein Gesetz namens Institutsvergütungsverordnung (IVV), das im August in verschärfter Form in Kraft getreten ist.

"Diese Verordnung ist ein wahres Monster. Angelsächsische Häuser oder andere, die dem nicht unterworfen sind, haben dadurch einen großen Vorteil", sagt der auf Banker spezialisierte Personalberater Matthias Saenger. Die Regulierung, die eigentlich Investoren schützen solle, bewirke das Gegenteil, da die guten Leute abwanderten. Um das auszugleichen, behalf sich die DeAM bislang mit höheren Fixgehältern und niedrigeren Boni. Nun kann sie die gleichen Gehälter bieten wie die Konkurrenz. Und: "Wenn die Bank einmal ein schlechtes Jahr hat, müssen Sie ihren Leuten auch nicht den Bonus kürzen", sagt ein Insider.

So dürfte Cryan zumindest die eigenen Mitarbeiter schon für den Börsengang gewonnen haben. Seinem Adjutanten Nicolas Moreau muss das jetzt mit den Investoren gelingen. Denn falls das Projekt Börsengang auch nur teilweise schiefgeht, dürften die Deutsche-Bank-Aktionäre Cryan erneut als Bankchef anzweifeln. Der Druck auf ihn war schon einmal geringer.

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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