Deutsche Bank:Odins Sammlung

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Deutsche Bank: Büros des Geldhauses in London (Foto: Bloomberg)
  • Mitarbeiter der Deutschen Bank sollen den Fiskus mit einem sogenannten Umsatzsteuerkarussel betrogen haben.
  • Dabei kaufen und verkaufen Firmen Waren über Grenzen hinweg im Kreis - mit dem Ziel, sich angeblich abgeführte Umsatzsteuern erstatten zu lassen.
  • Die Deals endeten erst nach einer Razzia 2010.

Von Klaus Ott, München

Die Anklagen gegen die zahlreichen Bankvorstände, die in den vergangenen Jahren in Deutschland vor Gericht standen, waren in der Regel einige Hundert Seiten dick. So umfasst zum Beispiel die Anklageschrift im Fall Kirch, der derzeit in München vor Gericht verhandelt wird, satte 627 Seiten; sie richtet sich gegen Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank, und vier weitere ehemalige Top-Manager des Kreditinstituts.

Noch umfangreicher und noch detaillierter ist die neueste Anklage, die in einem großen Wirtschaftsverfahren in der Finanzbranche vor Gericht kommt. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat dem Landgericht in der Stadt am Main soeben ein Werk vorgelegt, das 865 Seiten umfasst. Darin wird beschrieben, wie acht Mitarbeiter der Deutschen Bank in den Jahren 2009 und 2010 dubiosen Firmen dabei geholfen haben sollen, den Fiskus um mehrere Hundert Millionen Euro zu betrügen. Die Firmen haben dem Staat das Geld beim Handel mit Verschmutzungsrechten, den sogenannten CO₂-Zertifikaten, abgeluchst und ihn durch ihre trickreichen, auf den ersten Blick kaum überschaubaren Finanzgeschäfte gezielt ausgenommen.

Das Institut soll Alarmsignale systematisch missachtet haben

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Die Beschäftigten aus dem Mittelbau der Deutschen Bank sind nunmehr als mutmaßliche Mittäter bei Umsatzsteuerhinterziehung in besonders schweren Fällen angeklagt. Einer dieser acht Angeschuldigten ist ein Kunden-Manager aus dem Bereich Global Banking, der für mittelständische Firmen zuständig war und sich um den Emissionshandel kümmerte. Auch sein damaliger Vorgesetzter soll vor Gericht kommen, ebenso wie weitere Mitgliedern eines Kompetenz-Zentrums, das in dem Geldinstitut eigens für diese Geschäfte gegründet worden war.

Den Mitarbeitern, so meinen die Ermittler, hätte klar sein müssen, dass die CO₂-Deals nur einen Zweck gehabt hätten: nämlich den Fiskus zu hintergehen. Die Generalstaatsanwaltschaft will beweisen, dass den acht Angeschuldigten bewusst gewesen sei, auf welch zweifelhafte Kunden und Geschäfte sie sich in den Jahren 2009 und 2010 eingelassen hätten.

Die Deutsche Bank hat die acht Beschäftigten, so ist es aus der Finanzbranche zu hören, im Verlaufe der jahrelangen Untersuchungen nach und nach suspendiert. Es ist kein Spitzenmanager dabei. Für ein Verfahren gegen heutige oder frühere Vorstandsmitglieder gebe es "keinen Anlass". Das hat sich das Geldinstitut eigenen Angaben zufolge kürzlich von der Generalstaatsanwaltschaft bestätigen lassen, nachdem sie den Strafverfolgern weitere Unterlagen zum CO₂-Handel übergeben hatte.

Die Anklage beruht auf einem in etwa genauso langen Abschlussbericht einer Sonderkommission namens Odin, die das Finanzinstitut durchleuchtet und Beweismaterial gesammelt hat. Die Ermittler haben herausgefunden, wie die Bank und deren Händler des schnellen Geldes wegen Risiken ausgeblendet hatten. "Rote Flaggen", sprich Alarmsignale, seien systematisch missachtet worden. So hatten sich vier der acht Beschäftigten am 6. November 2009 per Mail gegenseitig gewarnt: "CO₂-Markt zeigt typische Eigenschaften eines Umsatzsteuerkarussells." Dennoch seien sie aber, so der Vorwurf der Ermittler, auf dem Umsatzsteuerkarussell weiter mitgefahren.

Bei solchen Karussellgeschäften kaufen und verkaufen Firmen über Grenzen hinweg allerlei Waren immer wieder im Kreis: von Autos bis hin zu virtuellen Gütern. Das Ziel ist, sich angeblich an den Fiskus abgeführte Umsatzsteuern wieder erstatten zu lassen. Einige dieser Firmen verschwinden aber gleich wieder, hinterlassen nur eine leere Hülle und bleiben dem Finanzamt die fälligen Abgaben schuldig. Der Fiskus zahlt also am Ende mehr aus, als er einnimmt. Der Emissionshandel ist für diesen Steuerdiebstahl besonders geeignet, weil sich hierbei am Computer in Sekundenschnelle Deals in Millionenhöhe abwickeln lassen. Offiziell werden die Zertifikate zum Schutz der Umwelt gehandelt, weil Stahlwerke und andere Betriebe die Papiere kaufen müssen, ehe sie Schadstoffe in die Luft blasen; tatsächlich aber haben die beteiligten Firmen den Emissionshandel genutzt, um dem Fiskus zu schaden.

Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft ermittelt in diesem Fall gegen insgesamt 26 aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Bank. Aus dem Kreise der Verteidiger heißt es, den acht Angeschuldigten, die jetzt ihre Anklage bekommen haben, drohe Gefängnis. Und zwar aus drei Gründen: Wegen des hohen Steuerschadens, wegen der schwerwiegenden Erkenntnisse der Ermittler und weil der Fall wieder bei der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt unter Vorsitz von Martin Bach gelandet ist.

Bach hat bereits Ende 2011 sechs Geschäftsleute zu Gefängnis verurteilt, deren Firmen den Fiskus betrogen und die sich dabei in der Regel der Deutschen Bank bedient hatten. Der Haupttäter erhielt fast acht Jahre. Das damalige Urteil enthielt bereits für die Deutsche Bank peinliche Passagen. Das Geldinstitut wollte dem Urteil zufolge gar nicht wissen, mit wem man es beim CO₂-Handel zu tun hatte.

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Die Deals endeten erst, als die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt dem Treiben mit einer Razzia im April 2010 bei der Bank und den Handelsfirmen aus halb Europa ein Ende bereitete. Später erstattete das Geldinstitut dem Fiskus gut 300 Millionen Euro Steuerschaden, rein vorsorglich, unter Protest. Diesen Einspruch halte das Gericht für "aussichtslos", notierte Richter Bach bereits in seinem Urteil von Ende 2011. Dass die Bank einen großen Teil des Schadens wiedergutgemacht hat, könnte den acht Angeschuldigten etwas helfen; vieles andere belastet sie schwer. Auch ein Prüfbericht der Kanzlei Clifford Chance, den die Bank in Auftrag gegeben hatte, fällt verheerend für das Institut und die nun angeklagten Manager aus.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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