Deutsche Bank:Misstrauen in Serie

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Co-Chef Jürgen Fitschen verkündete vor Kurzem den Strategiewechsel, derzeit steht er in München vor Gericht - das lässt Aktionäre zweifeln. (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Wichtige Vertreter der Anteilseigner wollen dem Vorstand der Deutschen Bank auf der Hauptversammlung die Entlastung versagen.

Von Harald Freiberger und Meike Schreiber, Frankfurt

Der Deutschen Bank steht am 21. Mai die turbulenteste Hauptversammlung seit Jahren bevor. Ruhig war es auch in der Vergangenheit nicht: Immer wieder kritisierten Umweltaktivisten die Agrarspekulationen, Aktionärsschützer bemängelten die geringe Profitabilität. Dieses Mal aber geht es ans Eingemachte: Wichtige Vertreter der Anteilseigner haben signalisiert, dass sie dem Vorstand die Entlastung verweigern werden.

Es ist die Quittung für eine Reihe von Skandalen, in die das größte deutsche Geldinstitut verwickelt ist. Die US-Aktionärsvereinigung Institutional Shareholder Services (ISS), die vor allem professionelle Anleger wie Versicherungen und Fonds vertritt, hat in einem Brief ihren Kunden geraten, auf dem Aktionärstreffen gegen die Entlastung der Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen sowie der anderen Vorstandsmitglieder zu stimmen. Es geht ihr dabei um zwei Sachverhalte: Zum einen steht Fitschen derzeit in München wegen des Verdachts auf Falschaussage im Fall Kirch vor Gericht. Die Statuten der ISS verbieten es, in einer solchen Situation die Entlastung zu erteilen. Zum anderen bemängelt die ISS das mangelhafte Risikomanagement im Skandal um die Manipulationen des Zinssatzes Libor.

Britische und US-amerikanische Behörden haben deswegen eine Strafe von 2,5 Milliarden Dollar gegen die Deutsche Bank verhängt. "Der Umgang der Bank mit den Untersuchungen beschädigt ihren Ruf fundamental; er lässt nicht nur das Vertrauen der Anteilseigner erodieren, sondern auch das anderer Marktteilnehmer und der Regulierungsbehörden", heißt es in dem Brief der ISS. Eine andere Aktionärsvereinigung, Glass, Lewis & Co., empfiehlt ihren Kunden, sich bei der Entlastung zu enthalten.

"Das Unternehmen ist immer wieder in Klagen und Skandalfälle verwickelt."

Auch Ivox, eine deutsche Stimmrechtsberatung, rät von einer Entlastung ab. Ivox berät vor allem heimische Profianleger, wie sie sich auf Aktionärstreffen verhalten sollen. Im Falle der Deutschen Bank rät sie nicht nur von der Entlastung des Vorstands ab, sondern auch des Aufsichtsrats. In einer Analyse von Ivox, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, die Entlastung werde bereits seit einigen Jahren kritisch gesehen, "da das Unternehmen immer wieder in Klagen und Skandalfälle verwickelt ist". Außerdem sei die vor drei Jahren ausgerufene neue Strategie "nicht ausreichend von Erfolg gekrönt gewesen", was die Frage aufwerfe, ob das Management in der Lage sei, das Unternehmen adäquat zu führen. Aus den gleichen Gründen sei auch die Entlastung des Aufsichtsrats in seiner Kontrollfunktion kritisch zu sehen. Auch die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) will die Doppelspitze am 21. Mai nicht entlasten. Sie spricht außerdem dem Aufsichtsrat ihr Misstrauen aus. Fitschen und Jain hätten "nicht dazu beigetragen, das Vertrauen der Anleger in das Unternehmen wieder herzustellen", kritisieren die Aktionärsschützer. Die Deutsche Bank sei beim versprochenen Kulturwandel nicht vorangekommen. "Im Gegenteil: Die Deutsche Bank steht weltweit wegen einer Reihe von Verfehlungen im Visier der Aufsichtsbehörden." Die DSW zweifelt auch am Strategiewechsel der Bank. Vor zwei Wochen kündigte sie an, sich von der Postbank zu trennen und das eigene Privatkundengeschäft sowie das Investmentbanking stark einzudampfen.

Die Bank verwies im Fall Fitschen darauf, dass man laufende Verfahren nicht kommentiere. "Für alle aktuellen und ehemaligen Vorstandsmitglieder der Bank gilt die Unschuldsvermutung", sagte ein Sprecher. Im Umfeld der Bank heißt es, dass man sich keine Sorgen über die Mehrheit für die Entlastung des Vorstands mache. Es herrsche "kein Aufruhr".

Erst im Laufe der kommenden zwei Wochen dürfte sich zeigen, wie die Sache auf der Hauptversammlung ausgeht. Ein Großinvestor sagte, man wolle zwar den Aufsichtsrat entlasten, werde aber erst kurz vorher entscheiden, ob man auch den Vorstand entlaste. Dementsprechend dürfte sich die Deutsche Bank in den kommenden Tagen um jeden wichtigen Investor einzeln bemühen. "Da wird jetzt Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die Kuh vom Eis zu holen. Diese Empfehlung von ISS ist in jedem Fall ein Schlag ins Kontor", hieß es aus dem Aktionärskreis.

Wie groß ist die Macht von ISS? Mindestens eine zweistellige Prozentzahl an Aktionären dürfte sich von der Vereinigung vertreten lassen, heißt es in Finanzkreisen. Etliche Aktionäre dürften nun sagen, die Empfehlung des ISS sei ein guter Vorwand, selbst gegen die Entlastung zu stimmen. Abberufen kann den Vorstand allerdings nur der Aufsichtsrat. Ein Insider sagte: "Eine richtige Revolte sehe ich derzeit nicht. Da zucken noch viele zurück."

© SZ vom 09.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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