Deutsche Bank:Höchststrafe im Libor-Skandal

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Deutschlands größter Bank drohen mehr als 1,5 Milliarden Dollar Strafe. Das unterstreicht die Verwicklung des Hauses in Manipulationen.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

Die Deutsche Bank muss im Skandal um manipulierte Zinsen voraussichtlich die höchste Strafe aller Finanzinstitute zahlen. Die Summe soll bei mehr als 1,5 Milliarden Dollar (1,4 Milliarden Euro) liegen, sagten mehrere Insider US-Medien. Der Vergleich mit den amerikanischen und britischen Behörden steht unmittelbar bevor, wie die SZ erfuhr. Insgesamt verhängten Amerikaner und Briten Strafen von fast vier Milliarden Euro, unter anderem gegen die britischen Barclays und Royal Bank of Scotland sowie die niederländische Rabobank. Hinzu kommt eine Geldbuße der EU-Behörden von 1,7 Milliarden Euro. Auch davon entfielen allein 725 Millionen Euro auf die Deutsche Bank.

Die Höhe der Strafe für die Deutsche Bank zeigt, dass das größte Geldhaus des Landes in dem Skandal eine zentrale Rolle spielte. Über Jahre haben Händler mehrerer Großbanken den Zinssatz Libor manipuliert, der in London festgestellt wird. Möglich war das, weil der Zins aus den Angaben ermittelt wurde, die bis zu 16 Großbanken täglich einer Stelle in London machten. Sie meldeten den Zinssatz, zu dem sie sich bei anderen Banken Geld liehen. Der Libor hat auf den Kapitalmärkten enorme Bedeutung. Finanzprodukte in Höhe von mehreren Hundert Billionen Euro sind an ihn gekoppelt.

Skandalumwittert: die Türme der Deutschen Bank in Frankfurt. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Ermittlungen der Aufsichtsbehörden ziehen sich bereits seit fünf Jahren hin. Dazu wurden E-Mails, Chats und Telefonate der betroffenen Abteilungen in den Banken ausgewertet. Die Recherchen förderten haarsträubende Details zutage. Es handelt sich um einen der größten Skandale, die es je in der Finanzwelt gab.

Die Banker hatten vor allem zwei Motive, den Zinssatz zu manipulieren. Zum einen ging es ihnen darum, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise um 2008 die eigene Situation zu beschönigen. Sie meldeten einen niedrigeren Zinssatz, als sie eigentlich zahlen mussten; andere Institute trauten ihnen nicht mehr und verlangten entsprechend höhere Zinsen. Dieses Motiv soll allerdings bei der Deutschen Bank nicht im Vordergrund gestanden haben. Stattdessen wollte man sich selbst bereichern: Wer weiß, wie ein Zinssatz sich entwickelt, kann die Handelspositionen der Bank darauf abstellen und Wetten abschließen. Bei den Ermittlungen kam heraus, dass ein UBS-Händler den Libor nur um 0,01 Prozentpunkte manipulieren musste, um für die Bank einen Spekulationsgewinn von 459 000 Dollar zu erzielen. Und je mehr Gewinn ein Händler erzielt, umso höher ist auch sein eigener Bonus.

In den E-Mails trieft es vor Hohn und Spott über die Bankkunden, die von den Manipulationen nichts wussten: "Heute also wieder handgemachte Libors. O je, meine armen Kunden, hehe." Einer der Händler nannte sich selbst "Lord Libor" und verspottete seine Kunden als "Schafe". Auch offene Bestechung kam vor: "Ein Händler kauft Dir nächstes Jahr einen Ferrari, wenn der Drei-Monats-Libor steigt und der Sechs-Monats-Libor sich nicht bewegt." Ein anderer Händler dagegen sei billiger: "Er kann mit einer Flasche Champagner im Jahr, einem Besäufnis und ab und an einem kleinen Bonus leben."

Die Zitate stammen aus dem E-Mail-Verkehr britischer Großbanken. Bei der Deutschen Bank dominierte dagegen ein eher nüchterner Ton: "Ist eure Meldung schon weg, oder kann man den 3m (Drei-Monats-Libor) nochmal korrigieren?" "Halte den 6m bis Dienstag hoch, dann lass ihn fallen."

Wegen der Manipulationen hatte die Deutsche Bank schon vor Jahren vier Händlern gekündigt, die mit der Feststellung des Libor betraut waren. Diese klagten sich vor dem Arbeitsgericht aber erfolgreich wieder ein. Ihr Argument: Die Bank hat die Absprachen organisatorisch überhaupt erst ermöglicht, wenn nicht sogar gefördert. Im Oktober letzten Jahres kam es zu einem außergerichtlichen Vergleich, den ein Richter moderierte. Danach verließen die zwei Händler in Führungspositionen die Bank mit einer Abfindung, die beiden untergeordneten Mitarbeiter blieben in der Bank, wechselten aber die Abteilung. Nach SZ-Informationen hat die Deutsche Bank auch eine Reihe weiterer Händler entlassen oder versetzt.

An der Börse zeigte sich nur kurz die Erleichterung. Bald steht die nächste Einigung an

Im Libor-Skandal ermittelt seit fast drei Jahren auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin. Ihr geht es vor allem um die Frage, ob es bei der Feststellung des Zinssatzes ein organisatorisches Versagen gab. Der Abschlussbericht steht noch aus, doch die Ermittler ließen schon durchblicken, dass zumindest das Top-Management von den Manipulationen nichts wusste. Das ist vor allem für Co-Chef Anshu Jain eine Erleichterung, der in der fraglichen Zeit Investmentbanking-Chef war.

An der Börse sorgte die bevorstehende Einigung nur kurz für Erleichterung. Danach setzte sich bei den Anlegern die Auffassung durch, dass die Strafe sehr teuer ist: Die Aktie blieb deutlich hinter dem Börsenbarometer Dax zurück. Geld muss die Deutsche Bank für die Strafe aber nicht aufnehmen: Sie hatte Ende 2014 für den Libor-Skandal und andere Rechtsstreits 3,2 Milliarden Euro zurückgestellt.

Der Libor-Skandal war die größte Altlast für die Deutsche Bank aus der Wildwest-Zeit vor Ausbruch der Finanzkrise. Sie ist auch in einen weltweiten Skandal um Manipulationen auf dem Devisenmarkt verwickelt. Hier ist noch keine Entscheidung in Sicht, die Ermittlungen sind kompliziert. In einer anderen Angelegenheit könnte es dagegen ebenfalls bald eine Einigung geben: bei Verstößen gegen US-Sanktionen für Schurkenstaaten wie den Iran. Die Commerzbank musste deshalb kürzlich 1,5 Milliarden Dollar Strafe zahlen. Ihr wurden aber auch Verfehlungen wegen Geldwäsche angelastet. Die Deutsche Bank hatte damit nichts zu tun, heißt es in Finanzkreisen. Deshalb dürfte ihr zumindest da keine Rekordstrafe drohen.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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