Deutsche Bank:Gibt wieder was

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Verluste und trotzdem Bonus: Die Deutsche Bank will für 2017 wieder Gehaltsextras bezahlen und zieht damit die Kritik der Politik auf sich. Die leidgeprüften Aktionäre tragen es derweil noch mit Fassung.

Von Andrea Rexer und Meike Schreiber, Frankfurt/München

Nicht mehr einsame Spitze: In Punkto Boni sind die US-Banken den europäischen Häusern längst wieder enteilt. Das setzt die Deutsche Bank unter Druck. (Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Es ist erst ein paar Jahre her, da winkten den besten Händlern der Deutschen Bank nicht nur die üblichen Boni, sondern obendrauf noch Aston Martins. Die schicken Sportwagen sollen damals gleich reihenweise vor dem Händlersaal der Bank in London abgeladen worden sein. Legendär ist auch der Bonus für den Derivate-Händler Christian Bittar, der alleine 2008 ein Gehaltsextra von enormen 50 Millionen Dollar erhielt. Dass die Deutsche Bank wegen der Skandale im Investmentbanking später große Verluste anhäufte, sorgte freilich nicht dafür, dass irgendwer das Geld zurückgeben musste.

Diese ganz wilden Zeiten, sie sind vorerst vorbei. Seit 2009, als das Geldhaus noch auf dem Höhepunkt der Finanzkrise fast fünf Milliarden Euro Bonus ausschüttete, zahlte die Bank jährlich rund elf Prozent weniger Bonus. 2016 mussten viele Mitarbeiter ganz auf ihr Gehaltextra verzichten. Für 2017 aber, so hat es Vorstandschef John Cryan angekündigt, soll nun wieder ein "normaler" Bonus fließen.

Boni sind auch zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise ein hoch sensibles Thema

"Normal", das heißt mindestens eine Milliarde Euro, das zeichnet sich seit Anfang Januar ab. Ein größerer Teil davon wird sicherlich auf die gut 10 000 Investmentbanker verteilt, während sich die Filialmitarbeiter mit kleineren Summen zufrieden geben müssen. Genauere Zahlen wird das Geldhaus auf seiner Bilanzpressekonferenz am Freitag nennen. Zugleich aber, und das ist das Problem, streicht Cryan tausende Stellen, schließt Filialen und muss das dritte Jahr in Folge einen - zumindest kleinen - Verlust ausweisen.

Verluste? Und trotzdem Bonus? "Es wird eine Zeit geben, in der Banken Profite machen. Und es wird eine Zeit geben, in der Banken Boni zahlen. Diese Zeit ist nicht jetzt", stellte der damalige US-Präsident Barack Obama mitten in der Finanzkrise, im Januar 2009, fest. Das ist ziemlich genau neun Jahre her. Doch wird diese Zeit jemals wieder kommen? Sobald das Thema auf variable Bezahlung kommt, läuten die Alarmglocken. Und zwar auf beiden Seiten des Tischs - bei Politik und Aufsicht genauso wie bei den Banken selbst.

Wie gereizt die Stimmung auch bei Banken ist, die inzwischen wieder gut verdienen, zeigte eine Episode aus dem vergangenen November. Der Chef der Schweizer Großbank UBS, Sergio Ermotti, beschwerte sich bei einer Veranstaltung, dass Kritik an hohen Banker-Boni von Leuten geführt werde, "die vielleicht frustriert sind, dass sie nicht so viel Geld verdienen". Dazu gehört er ganz offensichtlich nicht. Ermotti verdiente 2016 satte 13,7 Millionen Franken. Die Rechtfertigung: Seine Bank erwirtschaftet schon seit Jahren wieder Gewinne. Der verbale Schuss jedenfalls ging nach hinten los: Mit der Zeile "Manchmal ist Schweigen besser", quittierte etwa die Neue Züricher Zeitung Ermottis Auftritt.

Von den Dimensionen einer UBS sind sie bei der Deutschen Bank inzwischen weit entfernt. Kritik an den Plänen gibt es nun trotzdem. "Millionen-Boni trotz Verlusten widersprechen jeglichem Gerechtigkeitsempfinden", ließ sich der SPD-Vize-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel am Montag in der Bild zitieren. Der CDU-Sozialexperte Matthias Zimmer legte nach: "Man kann die Legitimität einer Wirtschaftsordnung durch solche Praktiken gefährden."

Wirtschaftsordnung gefährden, kein Gerechtigkeitsempfinden - für die Deutsche Bank sind das harte Vorwürfe. Spätestens seit dem Amtsantritt von Cryan im Sommer 2015 gibt man sich geläutert. Er glaube, die Leute im Bankensektor verdienten zu viel Geld, hatte der Brite anfangs sogar gesagt. Um jegliches Theater zu vermeiden, dürfe man dem Kind nicht die Süßigkeiten zeigen, bevor klar sei, dass es diese auch wirklich verdient habe. Für einen Chef der Deutschen Bank waren das überaus revolutionäre Aussagen.

Warum nun doch wieder mit Boni locken? Schuld ist ein Dilemma, mit dem alle Investmentbanken kämpfen: Ihre Mitarbeiter gelten als wenig loyal, ziehen rasch von einer Adresse zur nächsten. Gerade jetzt, da die Bank hart um Marktanteile kämpfe, müsse man "in Leute investieren und international wettbewerbsfähig bleiben - auch bei den Gehältern", sagt Investmentbank-Chef Marcus Schenck. Im Übrigen könnten die Mitarbeiter nichts dafür, dass Donald Trump die Steuern senkt und damit einmalig das Ergebnis belastet.

Tatsächlich hätte die Bank 2017 noch einen Gewinn ausweisen können, hätte Trump die Steuerreform nicht kurz vor Weihnachten unterschrieben. Wegen eines Bilanzeffekts verursachte die Steuerreform bei vielen großen Banken weltweit erst einmal Abschreibungen in Milliardenhöhe - Verluste, die zwar ärgerlich sind, aber das maßgebliche Kernkapital kaum schmälern. Die zuständige Finanzaufsicht Bafin dürfte die Bonus-Pläne der Deutschen Bank daher genehmigt haben.

Und natürlich hat Schenck wohl nicht ganz unrecht, wenn er auf den harten Wettbewerb verweist. Vor allem amerikanische Banken winken ihren Mitarbeitern mit weiter steigenden Extras, während sich die Händler europäischer Großbanken auf die niedrigsten Boni seit Jahren einstellen.

Vergütungsexperte Michael Kramarsch von der Beratung HKP kann es daher grundsätzlich verstehen, wenn Boni gezahlt werden, um gute Leute zu halten. "Andererseits sollten die Aktionäre das auch nicht einfach so durchwinken", sagt Kramarsch. Jeder habe Verständnis, wenn es einmal als Ausnahme ein schlechtes Jahr gebe. "Aber im dritten Jahr der Ausnahme darf man die Frage stellen, ob sich die hohen Boni auch einmal auszahlen".

Die Geduld der Deutsche-Bank-Aktionäre, sie wurde die vergangenen Jahre ohnehin auf die Probe gestellt. Seit der Finanzkrise zahlte das Geldhaus nur rund vier Milliarden Euro Dividende an die Aktionäre, schüttete den Investmentbankern aber Erfolgsprämien von insgesamt knapp 24 Milliarden Euro aus. Die Bank wurde von der eigenen Belegschaft praktisch ausgeplündert. 2016 fiel der Aktienkurs auf ein Rekordtief, man war fast ein Fall für Staatshilfe. So mancher Aktionär wird sich daher fragen, ob die Bank nach jahrelangem Niedergang weiterhin große Summen in eine wenig erfolgreiche Investmentbank investieren sollte. Dass Anfang Januar die Runde machte, man habe im Vorstand heftig darum gerungen, sollte wohl ein Signal an die Aktionäre sein. Am Verlust 2017 mag die Steuerreform schuld sein. Doch auch bei Erträgen und Kosten hat die Bank ihre Ziele verfehlt. Fondsmanager Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment nennt es "eine grundsätzlich zwar richtige Entscheidung", Boni zu zahlen. Diese dürften aber nicht mit der Gießkanne verteilt werden. Nur Leistungsträger sollten belohnt werden. "Das muss den Aktionären transparent gemacht werden."

Bekommt der Vorstand auch ein Gehaltsextra, könnte das die Politik besonders verärgern

Ob auch der zwölfköpfige Vorstand zu den Leistungsträgern gehört? Noch offen. Zum Amtsantritt hatten Cryan und Kollegen noch auf Gehaltsextras verzichtet. Nun aber stimmt sich offenbar auch die oberste Führungsriege wieder auf einen Bonus ein, wie aus der Bank zu hören ist. "Da wird es dann schwierig, denn die Leistung stimmt ja nun mal nicht", sagt der Vertreter eines Großaktionärs. Auch im Aufsichtsrat, der die Boni der Vorstände genehmigt, scheint man noch zu schwanken. Darüber werde auf der Sitzung an diesem Donnerstag jedenfalls "noch ausführlich diskutiert", sagt ein Mitglied des Gremiums.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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