Deutsche Bank:Das große Zittern

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Insgesamt 14 Milliarden Dollar fordern die US-Behörden von der Deutschen Bank. Das Geldhaus muss nun alles daransetzen, die Strafe zu drücken. Sonst wird es eng.

Von Meike Schreiber

Als man die Zahl Anfang der Woche erfährt, ist man in den Doppeltürmen zunächst vergleichsweise gelassen. Schon mehrere Banken haben es geschafft, diese Summen deutlich zu drücken. Wichtig ist allen Beteiligten nur eines: Dass die Zahl auf keinen Fall vor Beginn der Verhandlungen herauskommt. Nur ein kleiner Kreis um Vorstandschef John Cryan und Rechtsvorstand Karl von Rohr ist daher eingeweiht. Am liebsten hätte man die angedrohte Strafhöhe daher vorab überhaupt nicht erfahren, schon gar nicht schriftlich, am liebsten nur mündlich.

Doch seit Donnerstagabend ist diese Hoffnung zerstoben. Gegen 23 Uhr schickt das Wall Street Journal, das Zentralorgan des US-Finanzmarktes, die brisante Nachricht über den Ticker. Es ist nicht irgendeine vage Hausnummer, es ist die genaue Zahl. Bei der Deutschen Bank sind sie geschockt, nicht nur in Frankfurt in der Zentrale, auch in Mailand, wo sich Aufsichtsrat und Vorstand gerade zum Abendessen nach einer wichtigen Strategiesitzung treffen. Kurz nach Mitternacht sieht sich die Bank zu einer Pflichtmitteilung gezwungen. "Auf keinen Fall" beabsichtige sie, "diese möglichen zivilrechtlichen Ansprüche in einer Höhe zu vergleichen, die auch nur annähernd der genannten Zahl entspricht". Harsche Worte. Ein Zeichen von Nervosität? Jedenfalls ungewöhnlich für den Verhandlungsauftakt.

Bereits im späten Handel an der US-Börse bricht die Aktie der Bank ein. Als am Morgen der heimische Markt öffnet, fallen die Titel gleich um mehr als acht Prozent. Auch die Aktien der Schweizer Großbanken brechen ein. Gegen Credit Suisse und UBS laufen in Amerika ähnliche Verfahren wie gegen den deutschen Branchenführer. "Das ist eine Horrornachricht" heißt es bei einem der großen Investoren des Instituts.

Die Deutsche Bank, so wird schnell klar, wähnt sich in der Falle. Denn fast noch interessanter als die Summe selbst ist der Fakt, dass sie schon jetzt, in einem so frühen Stadium der Gespräche, an die Öffentlichkeit gelangt ist. Der Verdacht drängt sich auf, dass die Quelle l in Kreisen der US-Justiz sitzen muss. Noch nie zuvor sind die Auftakt-Forderungen des US-Justizministeriums in solchen Verhandlungen publik geworden. Nun aber ist eine Summe in der Welt - und hinter die, so befürchten einige Beobachter, wird die US-Regierung am Ende nicht mehr allzu weit zurückkönnen. Anderenfalls könnte ihr innenpolitischer Schaden drohen - und das mitten im Präsidentschaftswahlkampf. Schon am Freitagmorgen machen in den sozialen Netzwerken erste Kommentare die Runde, die den Fall in Verbindung mit den Steuernachforderungen der EU-Kommission an den US-Technologiekonzern Apple bringen.

Während Apple die geforderten 13 Milliarden Euro jedoch aus der Porto-Kasse bezahlen kann, steht die Deutsche Bank mit dem Rücken zur Wand: Nur 5,5 Milliarden Euro hat das Institut insgesamt für Rechtsrisiken zurückgestellt, und zwar für alle Rechtsrisiken zusammen - und das sind außer den Hypotheken-Deals noch drei weitere große Fälle, unter anderem ein Verdacht von Geldwäsche in Russland.

Müsste die Deutsche Bank nun auch nur annähernd die angedrohte Strafe zahlen, wäre das ein weiterer Schlag für das ohnehin schlingernde Institut. 2015 machte die Bank 6,8 Milliarden Euro Verlust. Seither ist Deutsche-Bank-Chef John Cryan auf Strategiesuche. Um die Überweisung nach Washington zu stemmen, müsste Cryan jedoch wichtige Kapitalreserven und damit seinen Puffer gegen eine Pleite anzapfen. Auf diese Reserven bestehen aber die Regulatoren. Alles, was eine Strafe von etwas mehr als drei Milliarden Dollar übersteigt, könnte irgendwann Kapitalbedarf nach sich ziehen. Im Vergleich zu ihren großen Konkurrenten ist die Bank ohnehin nicht üppig ausgestattet. Und nichts zählt seit der Finanzkrise aber mehr für eine Bank, als dass sie stark kapitalisiert ist.

Bloß: Die Aktieninvestoren werden nicht willens sein, die Lücke zu füllen. Übrig bliebe allenfalls ein Notverkauf bestimmter Sparten wie der Vermögensverwaltung. Die will die Bank aber eigentlich behalten, weil sie stabile Erträge bringt und den Konzern unabhängiger macht vom Investmentbanking. Die Postbank will sie zwar verkaufen, das gilt derzeit aber als nahezu unmöglich. Reißen alle Stricke, könnte am Ende sogar eine Teilverstaatlichung der Deutschen Bank drohen.

So weit muss es jedoch nicht kommen. Immerhin erhält die Bank bereits mittags eine Art Rückendeckung von der Bundesregierung. Normalerweise hält man sich in Berlin mit Äußerung zu einzelnen Unternehmen zurück. Auch jetzt will man sich nicht "einmischen", sagt eine Sprecherin der Bundesregierung. Es sei aber "bekannt, dass sich die US-Behörden mit anderen Finanzinstituten in vergleichbaren Fällen geeinigt haben". Man gehe davon aus, dass auf Grundlage der Gleichbehandlung ein faires Ergebnis erzielt wird. Die Einschätzung, dass die USA auf den Apple-Fall reagierten, werde nicht geteilt.

Neuer Ärger für die Deutsche Bank. Diesmal könnte es besonders teuer werden. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Auch in Aufsichtskreisen geht man davon aus, dass die Bank die Strafe drücken kann. Dass die Finanzmärkte am Freitag vergleichsweise glimpflich reagierten, dass sich der Gesamtmarkt nur leicht anstecken ließ vom Fall der Deutsche-Bank-Aktie, beruhigte die Aufseher fürs erste.

Prinzip Hoffnung also. Es stützt sich darauf, dass es auch andere Banken geschafft haben, mit der US-Justiz eine niedrigere Summe zu verhandeln. Und es stützt sich auch darauf, dass selbst die Amerikaner kein Interesse daran haben, das Finanzsystem zu destabilisieren, indem sie die Deutsche Bank zu Fall bringen.

Für die Frankfurter spricht immerhin, dass ihr US-Hypotheken-Geschäft vor der Krise deutlich kleiner war als zum Beispiel das der Bank of America. Auch hatten die Frankfurter deutlich weniger Kredite ausgereicht als die Investmentbank Goldman Sachs. Beide Institute haben ebenfalls bereits Bußen ans Justizministerium bezahlt: Goldman Sachs schloss im Frühjahr einen Vergleich über rund fünf Milliarden Dollar ab, 2,6 Milliarden davon für Hypotheken-Deals. Die bisher höchste Strafe wurde 2014 der Bank of America mit 16,65 Milliarden Dollar aufgebrummt.

Eine Lösung muss her. Möglichst noch vor der Präsidentenwahl in den USA

Auch in der nächtlichen Mitteilung der Bank heißt es: Die Bank erwarte "ein Verhandlungsergebnis, das im Bereich ihrer Wettbewerber liegt, die sich mit dem US-Justizministerium bereits auf deutlich niedrigere Beträge geeinigt haben".

Im Umfeld ist zu hören, dass es eigentlich keinen Grund geben könne, warum die Strafe nun höher ausfallen sollte als bei Goldman Sachs, auch weil man die Geschäfte - anders als die US-Banken - eingestellt habe. Und: Auch bei Goldman Sachs sind die US-Behörden mit einer Horrorsumme von 15 Milliarden Dollar in die Verhandlungen gegangen. Der Unterschied aber: Das kam viel später heraus.

In jedem Fall drängt damit - genau acht Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman - die Finanzkrise mit Macht auf die Tagesordnung zurück. Der Rechtsstreit geht auf die Zeit kurz vor Ausbruch der Finanzkrise 2008 zurück. Konkret handelt es sich in dem Fall um faule Immobilienkredite, welche die Deutsche Bank und andere Institute in wenig transparente Wertpapiere gebündelt und an Investoren verkauft hatten. In der Krise erwiesen sich diese Anleihen als wertlos, viele Anleger fühlten sich getäuscht und klagten. Bereits Ende 2013 hatte die Deutsche Bank eine Strafe von 1,9 Milliarden Dollar an die beiden staatlichen US-Baufinanzierer Freddie Mac und Fannie May gezahlt.

Das Ganze ist auch Teil des großen Ablasshandels nach der Finanzkrise, der letztlich auch immer symbolische Dimensionen hatte. Es ging darum, wer das Sagen hat: Die Politik oder die Wall Street. Zu Beginn der Finanzkrise waren es zunächst Verluste in Milliardenhöhe, mit denen viele Banken weltweit zu kämpfen hatten. Dann aber kamen die Strafzahlungen für die Manipulation von Finanzprodukten oder den Betrug der Kunden. Laut der Beratungsfirma Boston Consulting mussten die Banken von 2009 bis 2014 umgerechnet gut 170 Milliarden Euro für Bußgelder und Vergleichszahlungen aufbringen.

Die Deutsche Bank will die Verhandlungen noch in diesem Jahr abschließen. Idealerweise bevor der neue US-Präsident oder die Präsidentin im Januar sein Amt Antritt. Je früher, desto besser.

SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)
© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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