Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain:Knopf im Ohr

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Übersetzung per Kopfhörer: Anshu Jain (r.), Co-Chef der Deutschen Bank, bei der Bilanzpressekonferenz im Januar (Foto: Getty Images)

Seit einem Jahr gehört Anshu Jain zum Führungsduo der Deutschen Bank. Genauso lange fragen Kritiker: Ist ein englisch sprechender Investmentbanker der Richtige an der Spitze einer Bank, die in viele Skandale verstrickt ist, deren Ursache hauptsächlich im Investmentbanking liegt? Einem Vorwurf begegnet Jain nun offensiv: bei der Hauptversammlung will er mehr Deutsch sprechen.

Von Harald Freiberger

Anshu Jain und der Knopf im Ohr - das ist inzwischen eine Fortsetzungsgeschichte. Sie begann, als der Londoner Investmentbanking-Chef der Deutschen Bank vor etwa fünf Jahren immer öfter als Kandidat für die Nachfolge von Josef Ackermann genannt wurde. Da fiel es auf, dass der gebürtige Inder bei Veranstaltungen in Deutschland immer diesen Knopf trägt, mit dem er sich das Deutsche ins Englische übersetzen lässt. Der kann ja gar nicht Deutsch! Kann so jemand Chef einer nationalen Ikone werden, die das Deutsche auch noch in ihrem Namen trägt?

Seitdem ist der Knopf zu einem Symbol geworden, das mit der Person Jains eng verknüpft ist. Wenn es um Jain geht, geht es meist auch um den Knopf. Dieser steht nicht nur für die noch nicht ausreichenden Deutschkenntnisse. Die Sache geht ja viel tiefer: Ist ein englisch sprechender Investmentbanker der Richtige an der Spitze einer Bank, die in viele Skandale verstrickt ist, deren Ursache hauptsächlich im Investmentbanking liegt?

Vor genau einem Jahr wurde Jain Chef der Deutschen Bank zusammen mit Jürgen Fitschen, dem deutschen Part der Doppelspitze. Beide verordneten der Bank einen Kulturwandel. Fitschen ist 64, sein Vertrag läuft nur noch zwei Jahre, dann hofft Jain, 50, es alleine machen zu dürfen. Aber noch immer ist nicht geklärt, ob er eigentlich der Richtige ist für die Deutsche Bank im Nach-Krisen-Modus.

"Ihr Englisch ist besser als mein Deutsch"

Jain bemüht sich seit einiger Zeit, Deutsch zu lernen, aber es geht nicht so schnell voran, wie man das sonst gewohnt war vom Wunderkind der Handelssäle. Schließlich hat der Mann auch noch einen aufreibenden Job. Bei seiner Antrittsrede in Berlin vor Mittelständlern im Juni letzten Jahres zeigte er schon guten Willen und las einige Sätze in Deutsch vom Blatt ab, um dann wieder ins Englische zu wechseln. "Ihr Englisch ist besser als mein Deutsch", sagte er zu den Zuhörern. Das stimmte, was er vorlas, war sehr holprig, kaum zu verstehen. Deutsche Sprache, schwere Sprache.

Nun, pünktlich zur Hauptversammlung in der nächsten Woche, verlautet aus dem Umfeld des Unternehmens, dass die Deutschkenntnisse des Co-Vorstandschefs Fortschritte gemacht haben. Bei dem Aktionärstreffen werde er diesmal nicht nur ein paar Sätze in Deutsch sprechen, sondern eine längere Passage seiner Rede. Als Zeichen des guten Willens. Als Zeichen dafür, dass er angekommen ist im Heimatland der Bank, an dessen Spitze er steht.

Jain brauchte in seinem Job nie Deutsch, die offizielle Sprache bei der Deutschen Bank ist seit Jahren Englisch oder "gebrochenes Englisch", wie Ackermann gelegentlich sagte. Es gibt durchaus Mitarbeiter in Deutschland, die sich darüber beschweren, dass sie perfektes Englisch vorweisen können müssen, während die Londoner im schlampigsten Cockney-Dialekt auftreten, wenn sie denn einmal in der Frankfurter Zentrale vorbeischauen.

Lange hat Jain das Thema unterschätzt. In Frankfurt rieten ihm einige schon vor Jahren, Deutsch zu lernen. Er nahm das nicht richtig ernst, dachte, dass er auch so durchkomme. Doch je länger alle über seinen Knopf im Ohr lästern, umso mehr weiß er, dass er etwas tun muss. Er ist davon genervt. Vor gut einem Jahr stellte er fest, dass der Knopf samt Kabel in weißer Farbe zu auffällig ist. Seitdem trägt er ihn nur noch in Schwarz.

Doch ganz weg ist er nicht. Auch bei der Rede auf der Hauptversammlung in der nächsten Woche wird Jain nach einer Zeit wieder ins Englische wechseln. Für die Reden der Aktionäre wird er ihn wieder brauchen, den Knopf im Ohr. Deutsche Bank, schwere Bank.

© SZ vom 18.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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