Deutsche Bahn:Union will Mehdorn aus taktischen Gründen halten

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Bahnchef Hartmut Mehdorn ist angezählt - doch ein neuer Bahnchef soll möglichst erst nach der Bundestagswahl und ohne Mitsprache der SPD ernannt werden.

St. Braun u. K. Ott

Die Union zögert aus parteitaktischen Gründen bislang mit einer Ablösung von Bahnchef Hartmut Mehdorn, der durch einen Datenskandal in massive Bedrängnis geraten ist. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung halten sich CDU und CSU vorerst zurück, weil sie befürchten, Mehdorn werde dann durch einen SPD-nahen Manager ersetzt, mit dem die Union auch nach einem möglichen Wahlsieg im September leben müsste.

Bahnchef Mehdorn erhält Rückendeckung von den Unionsparteien - so soll ein neuer SPD-naher Manager vor der Bundestagswahl verhindert werden. (Foto: Foto: ddp)

Für das Staatsunternehmen Bahn sind in der Bundesregierung federführend die von den SPD-Politikern Wolfgang Tiefensee und Peer Steinbrück geleiteten Ministerien für Verkehr und Finanzen zuständig. Führende Unionspolitiker setzen darauf, nach der Bundestagswahl im September 2009 die Koalition mit der SPD beenden und stattdessen zusammen mit der FDP regieren zu können.

Man wolle das Risiko vermeiden, es in einer neuen Regierung die komplette nächste Legislaturperiode mit einem SPD-nahen Bahnchef zu tun zu haben, heißt es in Unionskreisen. Die Bundestagswahl im September sei einstweilen eine Art "Lebensversicherung" für Mehdorn. Er war Anfang 2000 von Kanzler Gerhard Schröder an die Spitze der Bahn geholt worden und hat sich nach dessen Wahlniederlage im Jahr 2005 mit der Union und Regierungschefin Angela Merkel arrangiert. Mehdorn holte damals den ehemaligen bayerischen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) in den Bahnvorstand.

Nach Angaben aus Regierungskreisen ist ein Wechsel an der Spitze der Bahn aber keineswegs ausgeschlossen. Ob Mehdorn Konzernchef bleibe, hänge davon ab, was bei der Aufklärung des Datenskandals noch alles ans Licht komme. Das Staatsunternehmen hatte auf der Suche nach Anhaltspunkten für Korruption und andere kriminelle Geschäfte die Adressen und Bankverbindungen von einem Großteil der Belegschaft mindestens zwei Mal mit den Daten von Lieferanten abgeglichen. Bundesregierung, Bundestag und der Aufsichtsrat der Bahn drängen auf eine rasche Aufklärung des Datenskandals. Der Bahnvorstand soll bis Anfang kommender Woche zahlreiche Fragen beantworten.

Mehdorn hatte bis Anfang vergangener Woche eine schonungslose Aufklärung verweigert. Nach einem Bericht im Stern über eine Art Rasterfahndung bei der Bahn hatte Tiefensee von Mehdorn umfassend Auskunft verlangt. Der Bahnchef antwortete am 26. Januar, es sei schade, dass Tiefensee auf eine "Sensationsberichterstattung" reagiere und dem Konzernvorstand "nicht mehr Vertrauen" entgegenbringe.

Tiefensee hat Mehdorn inzwischen nochmals um ein "vollständiges Bild" der Vorgänge gebeten. Der Minister setzte eine Frist bis nächsten Montag. Der Aufsichtsrat verlangt bis zum Dienstag Aufklärung. Aufsichtsratschef Werner Müller kündigte eine Sondersitzung an. Am Mittwoch soll die Bahn im Bundestag Stellung nehmen.

Der Vorsitzende der Bahngewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, sagte am Mittwoch, "wenn Mehdorn das Krisenmanagement nicht bald in den Griff bekommt, dann muss er seinen Hut nehmen." Hommel gehört dem Aufsichtsrat der Bahn an. Erstmals deutete damit ein Mitglied des Kontrollgremiums öffentlich eine Ablösung von Mehdorn an. Mehdorns Rücktritt fordern Politiker von FDP, Grünen und inzwischen auch aus der SPD.

© SZ vom 05.02.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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