Deutsche Bahn:Fahren ohne Karte

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Die Deutsche Bahn will das Papierticket abschaffen und Reisen künftig elektronisch abrechnen. Ein Pilotprojekt scheiterte an der mangelnden Akzeptanz der Fahrgäste - und an der Technik.

Von Markus Balser, Berlin

Heute kontrolliert der Schaffner noch die Tickets, auch die elektronischen. In Zukunft soll das nicht mehr nötig sein, es wird automatisch abgebucht. (Foto: imago)

Richard Lutz ist gerade mal seit 50 Tagen Bahn-Chef. Der 53-Jährige hatte erst im März Rüdiger Grube an der Spitze des Staatskonzerns abgelöst. Am Wochenende sorgte sein erster Vorschlag für die Modernisierung der Bahn für Wirbel: Zugfahren ohne klassische Fahrkarte. Denn die Deutsche Bahn plant, das rein digitale Ticket einzuführen. "Der Zug kann dann über das Handy eines Passagiers erkennen, dass er eingestiegen ist", sagte Bahnchef Lutz. "Je nachdem, wo er aussteigt, wird die Fahrt automatisch abgerechnet werden."

Es soll viel Geld in Sicherheit investiert werden: in Kameras und weitere Technik

Für den neuen Bahnchef ist die Umstellung keine große Sache mehr. Die nötige Wlan-Infrastruktur existiere bereits, sagte Lutz der Bild am Sonntag. Noch sei die Bahn im Versuchsstadium. "Aber ich glaube, dass diese Entwicklung in den nächsten Jahren Stück für Stück kommen wird", so Lutz. Künftig werde man "kein Ticket mehr für die Bahn brauchen". Das braucht man zwar heute schon nicht mehr. Schon jetzt lassen sich Fahrten per Handy buchen. Künftig aber soll die Abrechnung je nach Strecke automatisch erfolgen. Ganz neu ist die Idee des Konzernchefs nicht. Die Bahn hatte ein digitales Ticketsystem unter dem Namen Touch & Travel bereits im Einsatz. Dabei mussten die Kunden sich allerdings vor Fahrtantritt einloggen und am Zielbahnhof die Fahrt auch elektronisch wieder beenden. Im November vergangenen Jahres wurde Touch & Travel jedoch wieder eingestellt - offenbar weil es nur wenige Reisende nutzten. Oft war unklar, auf welchen Streckenabschnitten das System überhaupt einsetzbar war. Auf der Computermesse Cebit kündigte die Bahn dann bereits vor einigen Wochen mit TicketEasy einen Nachfolger an. Ein Berliner Start-up-Unternehmen entwickelt für die Bahn ein virtuelles Ticketsystem, das künftig auch die Kombination von Bahnticket, Car-Sharing-Auto oder Mietfahrrad erleichtern soll - über eine gemeinsame Rechnung. Der Bahnchef versuchte, Zweifel an der Sicherheit der IT-Systeme nach dem weltweiten Hackerangriff und Störungen bei Bahncomputern zu zerstreuen. Das Unternehmen sei auf solche Bedrohungen vorbereitet. "Die Sicherheit des Bahnverkehrs war zu jedem Zeitpunkt gewährleistet." Es gebe schon seit Längerem ein Cyber-Security-Team sowie Systeme zur Früherkennung. Darüber erneuerte Lutz Pläne für eine Sicherheitsoffensive. "Wir bauen die Videoüberwachung an unseren Bahnhöfen massiv aus", sagte Lutz. Die Bahn hatte bereits im Februar angekündigt, weitere zehn Millionen Euro in den Ausbau der Technik zu investieren, um gut 1000 Bahnhöfe mit 7000 zusätzlichen Kameras auszustatten.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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