Der Insider:Sie erzählen alles

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Eine Luxus-Yacht namens "Cum-Ex": Welche Einzelheiten die Informanten den Ermittlern über den Skandal offenlegen. Alle wussten, da ist ein Kuchen zu verteilen.

Von Klaus Ott, Köln

Kleine Banken, große Banken. Inländische Banken, ausländische Banken. Die frühere WestLB ist dabei, die UBS aus der Schweiz, BNP Paribas aus Frankreich, das australische Geldinstitut Macquarie. Bei den Ermittlungen zu den Cum-Ex-Aktiendeals häufen sich Erkenntnisse über die mutmaßlichen Täter. Der erste Insider, der ausgepackt hat, nannte bei einer einzigen Vernehmung mehr als 50 Namen. Teils aus eigenem Antrieb, teils auf Fragen der Staatsanwälte und Kriminalbeamten. Namen von Banken und Bankern, von Firmen, Börsenhändlern und anderen. Alle sollen mitgemacht haben beim Griff in die Staatskasse.

Die Insider erzählen einfach alles. Wann sich wer mit wem getroffen und welche Deals gemacht hat. Namen, Orte, Geschäfte und Geldflüsse; nichts fehlt. Dublin, Frankfurt, Hamburg, London, Malta, München, New York, Paris, Zürich, bis hin zum Persischen Golf und der Karibik. Wer mit welchen Deals wie kassiert hat. Das ganze System liegt offen. Mit allen, die nach und nach mitgemacht hätten: Banken, Aktienhändler, Fondsverwalter, Anwälte, sogar Wirtschaftsprüfer. Teils sind das neue Verdächtige. Teils solche, gegen die bereits vorgegangen wird und bei denen die Behörden nun aus ihrer Sicht genug Beweise gesammelt haben dürften für Anklagen oder Strafbefehle. Und für Zahlungsbescheide. Der Staat will schließlich sein Geld zurück.

Den größten Profit für sich persönlich machten demnach zehn bis 15 Börsenhändler, die meist aus dem Ausland agierten und zu den Drahtziehern gehörten. Sie sollen jeweils mehrere hundert Millionen Euro abgezweigt haben. Manche von ihnen seien Bank-Manager gewesen, hätten dann gemerkt, wie man mit solchen Aktiendeals schnell reich werden kann, und sich mit eigenen Firmen selbständig gemacht. Um die in eigene Kasse zu wirtschaften. Einer soll sich von dem offenbar ergaunerten Geld eine teure Yacht geleistet und sie Cum-Ex genannt haben.

"Am Ende wussten alle, da ist ein Kuchen zu verteilen."

So erzählen das die Insider. Und schildern auch die Rolle der Banken. Die hätten am meisten profitiert. Erst im Eigenhandel, in dem diverse Institute von der Hypo-Vereinsbank in München bis hin zu den großen Häusern an der Wall Street in New York Aktien hin und her geschoben hätten, um sich vom deutschen Fiskus gar nicht entrichtete Kapitalertragsteuern erstatten zu lassen. So lief das nach Erkenntnissen der Ermittler vor allem vom Ende des vergangenen Jahrhunderts bis etwa Mitte vergangenen Jahrzehnts. Einige von diesen Geschäften könnten schon verjährt sein. In den Jahren 2006 und 2007 versuchte die Bundesregierung das erste Mal, solche Deals zu unterbinden, ließ aber ein Schlupfloch offen: Es genügte, eine ausländische Bank einzuschalten, um sich weiterhin zu bereichern.

Spätestens damals hatte sich nach Erkenntnissen der Ermittler in der Finanzbranche herumgesprochen, wie leicht sich hier Millionen- und Milliarden ergaunern ließen. "Am Ende wussten alle, da ist ein Kuchen zu verteilen", berichtet einer der Insider. Alle - das waren auch jene Banken, die für Kunden riesige Aktienpakete verwalteten und die diese Papiere gegen Gebühr verliehen. Diese Aktienbestände waren notwendig für den Kniff mit Cum-Ex. Die Institute mit den großen Paketen hätten fortan nicht etwa den Handel gestoppt, sondern überhöhte Leihgebühren verlangt, um ihren Teil vom Kuchen zu bekommen, erfuhren die Ermittler.

Von den beteiligten Banken stammten auch die Bescheinigungen über angeblich gezahlte Kapitalertragsteuern, die gar nicht abgeführt worden waren. Bescheinigungen, mit denen die Aktienkäufer zu den Finanzämtern gingen und sich die nie gezahlten Steuern erstatten ließen. Diese Banken müssen nun mit Forderungen des Fiskus rechnen. Zudem hat das Finanzgericht in Kassel im März in einem Urteil die Rolle der Banken bei Cum-Ex vehement kritisiert. Das Gericht forderte die Finanzbehörden auf, zu prüfen, ob die falschen Steuerbescheinigungen eine "gängige Praxis" bei deutschen Banken gewesen seien. Um anschließend die Banken gegebenenfalls "in Anspruch nehmen zu können".

Der Richterspruch hilft den Ermittlern, die gegen die Cum-Ex-Akteure hart vorgehen wollen. An Verdächtigen mangelt es nicht. NRW hat 2015 von einem Informanten eine Cum-Ex-CD gekauft. Darauf sind Aktiendeals von mehr als 100 Banken und Kapitalanlagefonds verzeichnet. Diverse Steuerstrafverfahren laufen bereits. Nun kommen die Aussagen der Insider hinzu. Viele Vernehmungen stehen noch an, Termine sind schon vereinbart. Das heißt: noch mehr Namen, Orte, Geschäfte und Geldflüsse.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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