Daimler:Probleme, wohin man schaut

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Manager des Unternehmens werden nach Berlin zitiert, sie müssen sich zur neuen Verdachtslage äußern. Es geht um viel: Für die Millionen Dieselfahrer in Deutschland, aber auch für den Konzernchef.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott, München

Dieter Zetsche sagte 2016: "Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert." (Foto: AFP)

Es gibt nur wenige Namen, die wirklich weltweit für "made in Germany" stehen. Der Ingenieur Rudolf Diesel (1858 - 1913), der Erfinder des Dieselmotors, ist ein solcher Name. Und es ist kein Zufall, dass das Gremium, das am 2. August auf Einladung von Verkehrsminister Alexander Dobrindt zusammenkommen soll, um über so unangenehme Dinge wie Schadstoffemissionen bei Diesel-Pkw zu diskutieren, "Nationales Forum Diesel" heißt. Ein Gipfel von Politik und Industrie.

Es wird um Verlässlichkeit, Sauberkeit, und das Image der deutschen Autoindustrie gehen und natürlich auch um Geld, um viel Geld. Mit der Verlässlichkeit, das weiß man inzwischen, war nicht viel und wer für all die Schäden, die materiellen und die anderen, aufkommen soll, steht nicht fest.

Deutschland war mal ein Diesel-Land. Rund fünfzehn Millionen Autos, das ist ein Drittel der Pkw in Deutschland, haben Dieselmotoren. Und mit vielen dieser Motoren ist etwas nicht in Ordnung. Das weiß inzwischen die ganze Welt.

Die Made-in-Germany-Autos stoßen mehr Stickoxide aus, als ihre Hersteller behauptet haben. Die Unternehmen haben getrickst, geblufft, um die echten Schadstoffwerte niedrig zu halten. Wenn man nett ist, kann man sagen, dass sie jahrelang mit Schummelsoftware hantiert haben. In der Sprache der Staatsanwälte, die sich jetzt mit den Fällen VW, Porsche, Audi, Daimler und dem Zulieferer Bosch beschäftigen, heißt das anders: Es gibt den Verdacht auf Betrug. Mit jeder Woche, die verstreicht, wird die Lage für die Hersteller ungemütlicher. In Großstädten wie Stuttgart, Hamburg und auch München drohen Fahrverbote und ein Ende der Affäre ist noch lange nicht in Sicht. Ein früherer Audi-Manager will über offenbar illegale Machenschaften auspacken und erzählen, wie es wirklich war. Umweltschützer möchten ganze Autoflotten per Gerichtsurteil stilllegen, und nun steckt vermutlich auch noch Daimler mittendrin im Sumpf, der schwäbische Vorzeigekonzern.

Als das Ausmaß des Verdachts der Stuttgarter Strafverfolger im Fall Daimler bekannt wurde, zitierte am Donnerstag das Bundesverkehrsministerium Vertreter von Daimler nach Berlin, um sich die neue Verdachtslage erklären zu lassen.

Im Fall Daimler geht es um viel: Konzernchef Dieter Zetsche ist einer der wenigen deutschen Top-Manager mit gutem Ruf. Er hatte 2016 erklärt: "Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert".

Und nun das: Bei den Daimler-Motoren OM 642 und OM 651 soll aber doch manipuliert worden sein. Daimler möchte unter Verweis auf das laufende Verfahren der Staatsanwaltschaft nicht sagen, in welchen Baureihen die Selbstzünder verbaut sind.

Solche Motoren steckten in vielen Baureihen oberhalb der Kompaktklasse. In luxuriösen Autos und in Offroadern. Das Leistungsspektrum ist weit.

Auf Anfragen, in welchen Modellen OM 651 und OM 642 eingebaut worden sind, antwortete ein Sprecher des Konzerns: "Die Motoren dieser Familien unterscheiden sich technisch und sind auch aus Sicht der Zertifizierung differenziert zu betrachten. Abweichungen resultieren zum Beispiel aus unterschiedlichen Leistungsvarianten, Abgasstufen (EU 5 oder EU 6), unterschiedlichen Abgasnachbehandlungssystemen, Getriebevarianten (Schalter oder Automatik) sowie nicht zuletzt aus der Einbausituation im jeweiligen Fahrzeug."

Will heißen: Daimler hält sich bedeckt, die Konzernspitze schweigt sich aus in der Öffentlichkeit. An anderer Stelle aber muss geantwortet werden. Auch im Bundesverkehrsministerium in Berlin, wo Forschungsvorstand Ola Källenius am Donnersnachmittag zum Rapport erwartet wurde. Und dann folgt ja der Diesel-Gipfel am 2. August. Wer übernimmt welche Kosten für die Nachrüstung von Fahrzeugen, und was droht noch?, lauten dort die Kernfragen.

Im Gespräch ist eine Software-Lösung für Euro-5-Modelle, die den Stickoxidausschuss um mindestens ein Viertel senken würde. Dies soll bei etwa drei Millionen Fahrzeugen möglich sein. Aber wer zahlt? Die Hersteller wollen allenfalls einen Teil tragen. Was ist aber mit den Euro-6-Modellen und den alten Euro-4-Fahrzeugen? Es gibt Planspiele, dass die günstigste Software-Nachrüstung zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden Euro kosten würde. Manchem in der Autoindustrie ist das offenbar etwas zu viel.

Auf die deutsche Vorzeigebranche und ihre Kunden kommen unruhige Zeiten zu: Im Herbst wird voraussichtlich das Bundesverwaltungsgericht darüber befinden, ob nur der Bund oder auch eine Kommune Fahrverbote verhängen dürfen. Es gibt Probleme, wohin man schaut.

Die Ermittler schreiben: Die Manager hätten eigentlich Bescheid wissen müssen

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die im Fall Daimler mit großer Hartnäckigkeit ermittelt, hat in internen Papieren mal über ganz Grundsätzliches nachgedacht: Wenn die Daimler AG bei ihren Kunden so getan habe, als seien die umstrittenen Diesel Daimler nicht von einer "Stilllegung bedroht", so sei das falsch gewesen und die Manager müssten das gewusst haben. Die Fahrzeuge, die da auf Deutschlands Straßen rollten, seien eigentlich wegen all der Abgasmanipulationen nicht zulassungsfähig gewesen und deshalb von der Gefahr der Stilllegung durch die zuständigen Landesbehörden bedroht. Die Deutsche Umwelthilfe will das bei VW-Fahrzeugen mit Klagen in gleich zehn Städten erzwingen und sieht sich durch die Stuttgarter Ermittler in diesem Ansinnen bestärkt. Die Behörden haben nicht vor, Fahrzeug-Zulassungen zu widerrufen. Aber besorgt ist man in der Autoindustrie schon. Man weiß ja nie, was noch alles kommt.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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