Daimler:Dem Krisen-Konzern geht es gut

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Die Aktionäre von Daimler kassieren eine Rekord-Dividende und kritisieren trotz weiterer Erfolgszahlen das Management scharf.

Von Stefan Mayr, Berlin

Es könnte alles so schön sein im prächtig herausgeputzten City-Cube auf dem Berliner Messedamm. Der Auto-Konzern Daimler verkündet auf der Hauptversammlung am Donnerstag eine Rekordzahl nach der anderen: Mit 3,3 Millionen verkauften Fahrzeuge machten die Stuttgarter mehr Umsatz und Gewinn denn je. Auch die Dividende - 3,65 Euro - ist so hoch wie noch nie, und mit vier Milliarden Euro schüttet das Stuttgarter Unternehmen mehr Geld aus als alle anderen Dax-Unternehmen.

Dennoch ist die Stimmung angespannt, alle Aktionäre und Aktionärsvertreter reden von ungelösten Problemen, offenen Fragen und großen Sorgen. Mitunter üben sie scharfe Kritik an Vorstand und Aufsichtsrat. Man könnte die Diskussion so zusammenfassen: Daimler ist das am meisten gefährdete Erfolgs-Unternehmen der Republik. Oder andersherum: Deutschlands bestaufgestellter Krisen-Konzern.

Vorstandschef Dieter Zetsche gibt zu: "Daimler durchläuft die größte Transformation seiner Geschichte". Tatsächlich gibt es etliche Baustellen, die allen Erfolgen zum Trotz sowohl Zetsche als auch den Aktienkurs belasten. Zum Beispiel die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Betrug bei der Abgasreinigung von Dieselmotoren. Oder die unzähligen Schadenersatzklagen wegen des Lkw-Kartells zwischen 1997 und 2011.

Zur generell unsicheren Zukunft der Auto-Industrie wegen des Wandels in der Mobilität kam nun auch noch der chinesische Milliardär Li Shufu, der im Februar überraschend 9,7 Prozent der Daimler-Aktien aufkaufte. Auf der Hauptversammlung lässt sich der wichtigste Aktionär allerdings nicht blicken, stattdessen schickt er einen Vertreter. So bleibt weiter unklar, was Li Shufu bei und mit Daimler will. Hat er 7,5 Milliarden Euro investiert, nur um Dividende zu kassieren? Oder will er irgendwann doch im Sinne der Autohersteller Geely und Volvo mitreden, die er besitzt? "Wird der Mercedes-Stern von einem chinesischen Drachen ersetzt?", fragt Winfried Mathes von Deka Investments. Zetsche bleibt eine Antwort schuldig. Wohl auch, weil er es selbst nicht weiß. Bislang seien die Gespräche mit Shufu "sehr positiv" gewesen, sagt Zetsche. Ob es Möglichkeiten zur Zusammenarbeit gebe, "werden wir ausloten". Kurzum: Die Teilhaber sind genauso schlau wie vorher.

Während Tesla-Boss seine E-Autos ins All schießt, spricht Zetsche von der Vergangenheit

Viele Aktionärsvertreter kritisieren trotz der hohen Dividende, dass der Aktienkurs seit Langem weit hinter dem Dax zurückbleibt. So mancher Teilhaber fragt: Wo ist das Konzept, das dem lahmenden Kurs Schwung verleihen könnte? Während Tesla-Boss Elon Musk seine Elektroflitzer mit Raketen ins All schießt, spricht Zetsche viel von der Vergangenheit: Man habe die Spitzenposition im Premium-Segment früher erreicht als erwartet. Diese wolle man nun verteidigen. Immerhin forciert er den Umbau des Konzerns in drei rechtlich unabhängige Einheiten. Das soll die Agilität im Wettbewerb gegen all die gefährlichen US-Start-ups erhöhen. Langfristig wären auch Teilbörsengänge möglich - etwa der Nutzfahrzeug-Sparte oder der Finanzservice-Tochter. Zu letzterer gehört immerhin der Carsharing-Anbieter Car2go, der bald in einem Joint-Venture mit der BMW-Tochter Drive Now durchstarten will.

Ein Börsenkandidat könnte sogar die Pkw-Sparte sein. Eine Mercedes AG, das wäre wahrlich eine heiße Story. Doch so weit ist Zetsche noch nicht. Die Entflechtung des Konzerns taugt nicht zur schnellen Erfolgsgeschichte, zunächst müssen mühsam mehr als 100 Töchter bewertet werden. Ob Zetsche zu seinem Ausscheiden Ende 2019 drei selbständige Töchter übergeben kann, ist also fraglich.

Ebenfalls offen bleibt, ob Daimler wegen des Lkw-Kartells Schadenersatz von Zetsche und anderen Kollegen einfordern wird. Daimler musste wegen der Preisabsprachen eine Milliarde Euro Strafe zahlen, zudem drohen Schadenersatzklagen in dreistelliger Millionenhöhe. Ob der Konzern die verantwortlichen Manager in Regress nimmt? Aufsichtsratschef Manfred Bischoff antwortet in Juristendeutsch: Man habe entschieden, "gegenwärtig von einer Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen abzusehen". Vage Worte aus dem Mund eines Mannes, der in den Kartell-Jahren selbst Daimler-Vorstand war. Zetsche saß damals sogar im Vorstand der Nutzfahrzeugtochter.

Bei den Elektro-Antrieben hat Zetsche zwar spät, aber immerhin entschlossen reagiert. 2019 soll das erste vollelektrische Auto der Marke EQ vom Band rollen. "Mehr Elektroautos sind gut für die CO2-Bilanz", sagt Zetsche, "aber nicht so gut für unsere Konzern-Bilanz - jedenfalls vorübergehend." Das ist eine ehrliche, seriöse Ansage. Aber den Aktienkurs beflügelt er damit nicht.

© SZ vom 06.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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