Cum-Ex-Geschäfte:Mitwisser packen aus - Ring von Bankern und Börsenhändlern aufgeflogen

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Großbanken wie die frühere WestLB sollen in die Geschäfte verwickelt gewesen sein. Im Bild die Zentrale der WestLB-Nachfolgerin Portigon in Düsseldorf. (Foto: dpa)
  • Jahrelang soll der deutsche Staat mit dubiosen Aktiendeals um Milliarden betrogen worden sein. Jetzt schildern Insider den Behörden, wie das System funktionierte.
  • Sie nennen dabei Namen von Banken und Börsenhändlern. Außerdem schildern sie die mutmaßlichen Gesetzesverstöße bis ins Detail.
  • Die neuesten Erkenntnisse der Ermittler könnten dazu führen, dass der Staat sich vor allem von den Banken einen großen Teil des Geldes zurückholen kann.

Von Klaus Ott, Köln

Nordrhein-westfälischen Behörden ist nach jahrelangen Ermittlungen gegen einen offenbar kriminellen Ring von Banken und Börsenhändlern, die den deutschen Fiskus um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen haben sollen, der Durchbruch gelungen. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR sagen mehrere Insider bei der Staatsanwaltschaft Köln und dem Landeskriminalamt aus, was sie über dubiose Aktiengeschäfte wissen. Einer der größten Erfolge bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in Deutschland zeichnet sich ab.

Die Behörden ermitteln wegen Steuerhinterziehung in zahlreichen besonders schweren Fällen und wollen lange Haftstrafen zwischen fünf und zehn Jahren erwirken. Die Insider, die sich von ihren Aussagen einen Strafnachlass oder gar Straffreiheit versprechen, schildern den Behörden die mutmaßlichen Gesetzesverstöße bis ins Detail. Die beteiligten Banken und Börsenhändler haben demnach mit Unterstützung von Anwaltskanzleien riesige Aktiengeschäfte dazu genutzt, sich von Finanzämtern Kapitalertragsteuern erstatten zu lassen, die zuvor gar nicht an den Fiskus gezahlt worden waren.

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Diese Steuererstattung, also der Griff in die Staatskasse, ist nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden der einzige Sinn und Zweck dieser Geschäfte gewesen. Zahlreiche deutsche Institute und internationale Großbanken wie die frühere WestLB oder UBS sollen mitgemacht haben. Durch die Aussagen der Insider geraten noch mehr Banken und Börsenhändler als bisher unter Verdacht, an dem System beteiligt gewesen zu sein. Bei den Deals wurden Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende im Wert von Hunderten Milliarden Euro trickreich im Kreis gehandelt, um die Steuererstattungen zu kassieren.

Die Insider nennen in ihren Aussagen auch zahlreiche Namen

Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages hat in den vergangenen Monaten die Cum-Ex-Deals durchleuchtet und viele Anhaltspunkte für ein kriminelles System gefunden. Die neuesten Erkenntnisse der Ermittler in Nordrhein-Westfalen gehen weit über die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses hinaus und könnten dazu führen, dass der Staat sich vor allem von den Banken einen großen Teil des Geldes zurückholen kann.

Bislang haben lediglich vier Finanzinstitute etwas mehr als eine halbe Milliarde Euro zurückgezahlt. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagt, "die Cum-Ex-Betrüger müssen spätestens jetzt erkennen: Für Täter und Helfer, die immer noch mauern, wird es eng." Im Zentrum des Geschehens stehen neben den Banken etwa zehn bis 15 internationale Börsenhändler. Sie sollen sich auf Kosten des Fiskus mit jeweils mehreren Hundert Millionen Euro an den Cum-Ex-Deals bereichert haben.

Die Insider nennen in ihren Aussagen die Namen vieler Cum-Ex-Akteure unter den Banken und Börsenhändlern und belasten diese schwer. Bei dem Kölner Verfahren, in dessen Verlauf es bereits zahlreiche Razzien gab, ist nun mit weiteren Durchsuchungen und sogar Haftbefehlen zu rechnen.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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